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Alexis Tsipras in der Türkei
Beziehungspflege in Ankara

Der Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Ankara soll das Verhältnis zur Türkei neu ausloten - und Spannung abbauen. Noch vor einem Jahr hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Äußerungen über neue Gebietsansprüche in der Ägäis für Aufsehen gesorgt.

Von Michael Lehmann |
    Der türkische Präsident Erdogan und der griechische Ministerpräsident Tsipras bei einem Treffen im September 2018 in New York.
    Der türkische Präsident Erdogan und der griechische Ministerpräsident Tsipras bei einem Treffen im September 2018 in New York. (dpa/ Presidency Press Service/AP Phot)
    Ein Strandurlaub sollte sich anders anhören – aber genau so klingt es auf der griechischen Insel Samos immer wieder auch zur Urlaubshochsaison. Denn Samos liegt dicht an der Türkei. Militärjets in niedriger Flughöhe liefern sich Verfolgungsjagden. Dass es griechische und türkische Jets sind, die sich sogenannte Dog-Fights liefern, bekommen Touristen meist nicht mit. Die Jets verschwinden schnell wieder vom Himmel. Tavernenwirtin Maria hat im Badeort Ireon auf Samos schon unzählige Dogfights beobachtet:
    "An den Flaggen auf den Jets siehst Du, ob es ein türkischer oder griechischer Kampfbomber ist. Die fliegen dabei sehr tief – aber diese Muskelspiele gehen von den Politikern aus. Wir haben ja auch immer wieder türkische Gäste hier, die als Besucher nach Samos kommen. Die wollen keinen Krieg beginnen, die wollen wie ganz normale Menschen mit uns gut auskommen. Die wollen uns nicht unsere Häuser wegnehmen und ihre Heimat wollen sie auch nicht verlassen müssen."
    Die Kanäle der Kommunikation wieder verbessern
    Maria gehört zu den Griechen, die ganz im Sinne des griechischen Ministerpräsidenten mit ihren türkischen Nachbarn ein entspanntes Verhältnis wollen. Alexis Tsipras wird heute mit dem neuen griechischen Verteidigungsminister Apostolakis in die Türkei reisen – ihr Ziel, so heißt es aus Regierungskreisen in Athen: Die Kanäle der Kommunikation wieder verbessern, offen und ehrlich auf Erdogan zugehen. Der hatte bei seinem Besuch in Athen vor gut einem Jahr für mächtig Ärger gesorgt, als er den seit 1923 im Lausanner Vertrag festgelegten Grenzverlauf in der Ägäis infrage stellte.
    "Ich glaube, Erdogan ist ein Sonderfall eines Staatschefs und ich glaube, er befindet sich am Ende seiner politischen Karriere. Die Interessen der großen Mächte ändern sich und damit ändert sich auch seine Zeit."
    Entspanntes Treffen in Ankara?
    Dieser Athener spricht aus, was viele Griechen über ihr Nachbarland und die dortige politische Führung im Moment denken. Erdogan und seine eher unentspannte Türkei – eine kurzfristige Erscheinung – die Zukunft könnte schnell anders aussehen. Beide Länder, Griechenland und die Türkei, so meint der Wirtschaftsforscher Thanos Dokos aus Athen, seien im Moment vor allem mit Problemen im Inneren beschäftigt und müssten daher ein Interesse an normalen Beziehungen haben:
    "Griechenland geht weiter durch seine eigene schwierige Zeit – vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. In der Türkei vollzieht sich ein Wandel innerhalb der Gesellschaft, und in der Politik und in den Beziehungen zu vielen anderen Staaten – also, beide Länder haben kein Interesse an anderen Problemen."
    Die Zeichen für ein im Großen und Ganzen entspanntes Treffen heute in Ankara stehen also nicht schlecht. Wichtige Punkte für die Gespräche aus griechischer Sicht sind die Frage, was die Türkei bereit ist zu tun, damit nicht noch mehr Migranten nach Griechenland flüchten – sondern eher wieder weniger. Und aus türkischer Sicht die Frage, ob Griechenland vielleicht doch noch bereit sein könnte, die aus der Türkei geflohenen Offiziere an die Türkei auszuliefern. Erdogan sieht in ihnen Putschisten, die zuhause vor Gericht gehören – Griechenland will Asyl gewähren. Der türkische Präsident mag eine finstere Miene machen, sagt Zeitungs-Herausgeber Manos Stephanakis auf Samos, richtig böse werden kann er eigentlich nicht – zumindest nicht zu seinen griechischen Nachbarn: "Erdogan ist der wiedergewählte Präsident des Landes. Das müssen wir akzeptieren. Und manche hier sagen, es ist gut, dass er wieder gewählt wurde. Weil er sowas wie ein Hund ist, der oft bellt, aber niemals beißt. Dieses Bild müssen wir vor Augen haben jetzt".