Freitag, 03. Mai 2024

Archiv

Alfred Edel vor 25 Jahren gestorben
Unikat und leidenschaftlicher Schwadronierer

Eine Schauspielschule hatte er nie besucht. Seine Komik und sein unvergleichliches Improvisationstalent hatte er vor allem in bayerischen Kneipen geschult. Trotzdem zählte Alfred Edel zu den meistbeschäftigten Darstellern des Neuen Deutschen Films. Am 17. Juni 1993 starb er infolge eines Herzinfarktes.

Von Hartmut Goege | 17.06.2018
    Bayerisches Bier und eine Brezel auf Holz
    Eine Karriere in Hollywood brauche er nicht, sagte einst der Schauspieler Alfred Edel - es genüge, wenn seine Kunst für die Kneipen, in denen er verkehre, reiche. (imago stock&people)
    "Bin Prognostiker, Mathematiker, Erkenntnistheoretiker, Logistiker, Logiker! Darüber hinaus bin ich auch Praxisforscher! Als Praxisforscher bin ich in der Lage, auf einfache Formen der Arbeitsteilung überzugehen, die psychisch entlasten wie Hemden waschen, Schuhe putzen, Socken waschen!"
    Alfred Edel in Alexander Kluges Science-Fiction-Persiflage von 1972 "Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte". Schon bevor er für den Jungen Deutschen Film entdeckt wurde, galt der Schauspieler als Faktotum und Improvisationskünstler. Aus dem Stegreif konnte er philosophisch die Welt erörtern oder abgründigen Nonsens von sich geben. Als ewiger Student der Philosophie, Soziologie oder Theaterwissenschaften – um nur einige seiner Fächer aufzuzählen - war er seit Mitte der 50er-Jahre in Schwabinger Kneipen und Cafés unterwegs. Hier vollzog er sein Hauptstudium: das universalgelehrige Schwadronieren:
    "Es war ja jetzt abstrakt gesehen, eine Kommunikationskultur, und wenn man jeden Tag sieben Stunden im Kaffeehaus saß, musste man auch über irgendetwas schwätzen."
    Hier kam Edel mit vielen Künstlern und Jungfilmern in Kontakt, die sich für seine grobschlächtige Komik begeisterten. 1965 engagierte ihn Alexander Kluge für eine Nebenrolle in seinem Film "Abschied von gestern". Darin spielt Edel in Anlehnung an seine eigene Universitätskarriere, eine kleine, wichtigtuerische wissenschaftliche Hilfskraft:
    "Wir behandeln im nächsten Semester das Problem der Volkssouveränität und die liberalen Grundrechte. Das Thema wird von uns historisch behandelt und politologisch-soziologisch. Also, vielleicht können Sie das mal ein bisschen mitschreiben und sich auch mit der Literatur vertraut machen!"
    "Es muss nicht unbedingt Hollywood sein"
    Der 1932 im niederbayrischen Abensberg geborene Alfred Edel wuchs in einer strengkatholisch-akademischen Familie auf. Nach dem Abitur flüchtete er in die Freiheit der Großstadt München. Von dort ging er 1963 nach Frankfurt, wo er Theodor Adorno kennenlernte, der ihm später allerdings attestierte, "nicht prüfbar zu sein". Dafür fand Edel seine wahre Berufung als Selbstdarsteller. Ohne jede schauspielerische Ausbildung beherrschte er das Metier eines Chargen, der vor allem sich selbst zelebrierte. Er brauchte nur ein Stichwort. Texte lernen lag ihm nicht:
    "Von einem Rindviech kannst du nicht mehr erwarten wie Rindfleisch. Weil, wenn du da angetörnt wirst, also, Alfred, das war wieder nix, oder des war das, und das solltest du machen und so weiter und so fort, da habe ich mir immer gedacht, an und für sich, das, was du gemacht hast, langt ja auch und für die Kneipen, in denen du verkehrst, genügt es, oder? Es muss nicht unbedingt Hollywood sein."
    Innerhalb weniger Jahre zählte Edel zu den meistbeschäftigten Darstellern des Neuen Deutschen Autoren-Films, auch wenn er meist nur Nebenrollen spielte. Seine Spezialität waren autoritätssüchtige Professoren und eitle Politiker. Er drehte mit fast allen Regisseuren, von Werner Herzog bis hin zu Christoph Schlingensief. Edel liebte das Absurde und Skurrile. So wurde fast zwangsläufig die "Neue Frankfurter Schule" auf ihn aufmerksam. Die Satiriker des "Höheren Blödsinns" um Robert Gernhardt sahen in ihm die ideale Verkörperung ihrer Kunstfigur Arnold Hau, einen leidenschaftlich in seine Werke verliebten Filmemacher. Ob Edel oder Hau, wenn er mit seiner barocken Figur, den hellwachen Augen und dem bajuwarisch rollenden R über die Themen dieser Welt wie etwa filmtheoretische Grundsätze dozierte, konnte er sich mit Inbrunst in triviale Erkenntnisse hineinsteigern:
    "Der Film wird auf Typen nicht verzichten können, weil die die Lebendigkeit in den Film reinbringen. John Wayne spielt im Grund genommen sich selber. Humphrey Bogart spielt im Grund genommen sich selber. Das heißt, die Kamera zeichnet Schärfe wie das menschliche Auge und spürt die Faxen der Verwandlung und merkt auch, versteht der, der das jetzt sagt, das, was er redet oder versteht er das nicht."
    Meister der unvergleichlichen Komik
    Bei Alfred Edel war man nie sicher, ob er all das, was er sagte, selber verstand oder wirklich ernst meinte. Seine Parodien und Selbstparodien aber waren unvergleichliche Komik. Als er nach einem geselligen Theaterabend am 17. Juni 1993 nach einem Herzinfarkt tot vor seinem Haus in Frankfurt aufgefunden wurde, schrieb sein Freund Bernd Eilert, Mitbegründer der Satirezeitschrift "Titanic", in einem Nachruf:
    "Alfred Edel war einer der besten Alleinunterhalter, die mir je begegnet sind, in seiner Gegenwart sich zu langweilen, war nicht möglich. Ein begnadeter Selbstdarsteller, der andere mitreißen konnte, weil er ja in erster Linie sich selbst unterhalten musste."