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Algenblüte
Übermäßiges Algenwachstum in Gewässern nimmt weltweit zu

Die Algenblüte in Seen tritt immer häufiger auf. Dafür gebe es verschiedene Gründe, so der Wissenschaftler Jeffrey Ho von der Carnegie Institution of Science im Dlf. Eins sei klar: "Wir denken, dass die globale Erwärmung heute schon die Seen beeinflusst und eine Erholung der Gewässer behindert."

Jeffrey Ho im Gespräch mit Monika Seynsche | 15.10.2019
Algenblüte vor Irland im August 2010
Algenblüte vor Irland im August 2010, aufgenommen vom Satelliten Envisat (ESA)
Monika Seynsche: Wenn in einen See viele Nährstoffe gelangen, dann hilft das den Pflanzen, die im Wasser leben, in erster Linie den Algen. Sie wachsen und vermehren sich. Das kann ziemlich unangenehme Folgen für das Öko-System haben. Die Algen verbrauchen etwa beim Wachstum Sauerstoff, der dann anderen Lebewesen fehlt. Dass solche Algenblüten immer mal wieder vorkommen, ist schon lange bekannt. Aber noch nie wurde untersucht, wie sie sich in Seen überall auf der Welt entwickeln. In der Zeitschrift Nature erscheint heute eine Studie, die genau das versucht. Ich habe einen der Autoren, Jeffrey Ho von der Carnegie Institution for Science, gefragt, welche Seen er untersucht hat?
Jeffrey Ho: Das Wichtigste für uns war es, die Vielfalt unterschiedlicher Seen weltweit abzubilden. Wir haben 71 Seen auf sechs Kontinenten untersucht, also ein breites Spektrum des Planeten. Dadurch unterscheidet sich unsere Arbeit von bisherigen Studien. Die haben sich in der Regel auf bestimmte Regionen oder Biome konzentriert. Unsere Auswahl repräsentiert dagegen die globale Diversität von Seen.
Monika Seynsche: Warum sind Algenblüten denn so wichtig, oder so gefährlich?
Jeffrey Ho: Algenblüten selbst treten natürlich auf, sie selbst sind nicht gefährlich, aber sie können schädliche Auswirkungen haben. Besonders wenn die Intensität der Algenblüten zu hoch ist, oder wenn die Algenblüten giftproduzierende Phytoplanktonarten enthält. Dadurch kann das Ökosystem geschädigt werden, indem eine Art dominant wird oder Gifte in der Umwelt die Menschen und Tiere gefährden.
Algorithmus hilft bei der Suche nach Algenblüten
Monika Seynsche: Was genau haben Sie untersucht?
Jeffrey Ho: In unserer Studie haben wir hochauflösende Satellitenbilder genutzt, um uns langfristige Trends in der Intensität von Algenblüten während der vergangenen 30 Jahre anzuschauen. Dafür hatten wir zuvor einen Algorithmus an einem bestimmten See so kalibriert, dass er die Intensität der Algenblüten dort erkennen konnte. Diesen Algorithmus haben wir dann auf hunderte von Seen weltweit übertragen.
Monika Seynsche: Was haben Sie herausgefunden?
Jeffrey Ho: Dabei haben wir herausgefunden, dass sich die Situation in den meisten Seen weltweit verschlechtert hat. Sie haben heute öfter mit heftigen Algenblüten zu kämpfen. Es gibt nur wenige Seen, in denen sich die Situation statistisch relevant verbessert hat. Das allein war ein wichtiges Ergebnis, denn bislang hatte es noch keine globale Übersicht der Seen gegeben. Meist waren nur kleine, regionale Gruppen von Seen untersucht worden, aber eben nicht in diesem globalen Ausmaß.
Monika Seynsche: Ich dachte, durch den Verzicht auf Phosphate in Waschmitteln hätte sich die Situation in den Seen in den letzten Jahrzehnten verbessert? Sie sagen jetzt aber, es ist schlimmer geworden?
Jeffrey Ho: Ja. In den wenigen Seen, in denen sich die Situation verbessert hat, spielt die Reduktion von Phosphaten und anderen Nährstoffen schon eine große Rolle. Aber aus der wissenschaftlichen Literatur wissen wir seit einiger Zeit, dass diese Bemühungen nicht so weitverbreitet waren wie vielleicht einige Regionen angedeutet haben. Der Verzicht auf Phosphate in Waschmitteln war sicher in einigen Gebieten erfolgreich, aber global gesehen war er kein Allheilmittel.
Klimawandel könnte Mitverursacher sein
Monika Seynsche: Können Sie über die möglichen Ursachen spekulieren?
Jeffrey Ho: Unsere Studie hat versucht das zu versuchen, indem wir uns angeschaut haben, ob die Zunahme an Algenblüten allein auf die Temperatur zurückzuführen ist, oder auf Änderungen im Niederschlag, beim Einsatz von Düngemitteln oder vielleicht sogar auf ein Ungleichgewicht in unserer eigenen Studie, durch Änderungen in der Verfügbarkeit von Satellitenbildern. Aber es gibt nicht die eine alleinige Antwort, die diese globale Zunahme an Algenblüten erklären kann. Andererseits haben wir festgestellt, dass die Seen, in denen sich die Situation verbessert hat, eine weniger starke Erwärmung aufweisen als andere Seen. Das bedeutet, die wenigen Seen, die heute schwächere Algenblüten aufweisen, haben sich nicht so stark erwärmt wie der Rest. Wir denken das deutet darauf hin, dass die globale Erwärmung heute schon die Seen beeinflusst und eine Erholung der Gewässer behindert. Deshalb müssten neue Wasserqualitätsmanagementbemühungen das Zusammenspiel mit dem Klimawandel berücksichtigen und neue Pläne und Richtlinien erarbeiten.
Monika Seynsche: Und wie kann das in der Praxis umgesetzt werden?
Jeffrey Ho: Ich kann nicht für alle Seen weltweit sprechen, aber für die Seen, an denen ich arbeite, orientiert sich das Wasserqualitätsmanagement typischerweise an numerischen Leitlinien, über zum Beispiel die Menge an Düngemitteln, die in einen See gelangen dürfen, oder den Eintrag von Nährstoffen, wenn es darum geht, die Algenblütenintensität zu senken. Denn das sind die Einflüsse, die durch Menschen kontrolliert werden. Diese Leitlinien werden in der Regel festgesetzt basierend auf der Beziehung zwischen Nährstoffmengen und Algenwachstum. Aber wenn die globale Erwärmung die Natur dieser Beziehungen verändert, dann müssen diese Grenzwerte verändert werden, um diesen Einfluss zu berücksichtigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.