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Alkoholwerbung verboten
Verwirrende neue Regeln in Litauen

Was zu viel ist, ist zu viel. In Litauen wird nach Angaben der WHO so viel Alkohol getrunken wie sonst nirgendwo auf der Welt. Seit Anfang des Jahres gelten strengere Gesetze. Besonders umstritten: ein Werbeverbot für Alkohol.

Von Markus Nowak | 31.01.2018
    Seiten mit Alkoholwerbung werden herausgerissen oder überklebt mit einem Hinweis. "Diese Seite wurde beseitigt, um Artikel 29 des Alkoholkontrollgesetzes einzuhalten".
    Seiten mit Alkoholwerbung werden herausgerissen oder überklebt mit einem Hinweis. "Diese Seite wurde beseitigt, um Artikel 29 des Alkoholkontrollgesetzes einzuhalten". (AFP / Petras Malukas)
    Ein paar Freunde sitzen an einem Kneipentisch, der Barkeeper gießt ein Bier ein. Dann wird ein Basketballspiel eingeblendet, der Nationalsport der Litauer, und wie sich die Clique zuprostet. Bierwerbung im litauischen Fernsehen unterscheidet sich kaum von deutscher TV-Reklame. Außer, dass sie der Vergangenheit angehört. Denn seit Anfang 2018 gibt es in litauischen Medien ein Werbeverbot für Alkohol. Gesundheitsminister Aurelijus Veryga: "Wir wollen Alkoholwerbung überall verbannen. Klar, es muss definieren werden, was als Werbung gilt. Die Etiketten auf Flaschen in einem Supermarktregal etwa sind keine. Aber generell soll Alkoholwerbung aus der Öffentlichkeit verschwinden. "
    Hintergrund ist der massive Alkoholkonsum, Litauen ist darin trauriger Weltmeister. Statistiken der WHO zufolge wurden in Litauen 2016 18,2 Liter reinen Alkohols pro Kopf konsumiert und damit deutlich mehr als in den Nachbarländern Weißrussland, Russland oder Polen.
    Strenge neue Regeln
    Hohe Alkoholsteuern und sowie ein nächtliches Verkaufsverbot außerhalb von Kneipen gab es bereits. Seit Januar wurden die Gesetze weiter verschärft: Alkoholverkauf ist in Geschäften wochentags nur bis 20 Uhr, an Sonntagen gar bis 15 Uhr erlaubt, zudem gilt ein Mindestalter von 20 Jahren, und eben das Werbeverbot für Alkohol.
    "Das ist eine Schande für unser Land. Sie erinnert an das Mittelalter und schadet nur der Reputation unseres Landes in der Welt."
    Staatspräsidentin Dalia Grybauskaitė brachte ein Shitstorm in den sozialen Medien dieser Tage in Rage. Auslöser war das Alkoholwerbeverbot und der Umgang damit. Denn während litauische Zeitungsverlage seit Anfang 2018 einfach keine Alkoholanzeigen mehr drucken, haben Vertriebsfirmen ausländischer Presserzeugnisse einen anderen Weg gefunden: Seiten mit Alkoholwerbung werden herausgerissen oder überklebt mit einem Hinweis. "Diese Seite wurde beseitigt, um Artikel 29 des Alkoholkontrollgesetzes einzuhalten", erfahren die Leser von ausländischen Magazinen wie der Cosmopolitan oder dem National Geographic.
    Alkoholwerbung überklebt: Ein Fall von Zensur?
    Zensur der Gesundheit wegen, warf die Opposition der Regierung in Vilnius vor. Diese hat darauf reagiert und will ab Februar Alkoholwerbung in ausländischen Zeitschriften wieder zulassen. Ausnahmsweise. Journalisten wie Vytenė Stašaitytė sparen aber nicht mit Kritik: "Die Situation ist einfach lächerlich. Und wenn nun eine Ausnahme für ausländische Medien geschaffen werden soll, dann beginnt eine neue Diskussion. Wieso ausländische Magazine begünstigt werden."
    Zwar begrüßen die meisten Menschen in Litauen die Absicht der Regierung, Alkohol mit einem Werbeverbot aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Doch sei das Symbolpolitik, anstatt das Übel an der Wurzel zu packen, sagt die Wirtschaftsjournalistin Stašaitytė: "Diese Gesetzesverschärfungen sind nur Strohfeuer. Sie halten die Menschen vom Alkoholkonsum kaum ab und Alkoholsüchtigen wird dadurch auch nicht geholfen. Das Gesetz ist nur eine Inszenierung des Kampfes gegen den Alkohol, aber dafür müssen wir uns ganz anders wappnen. Da wären Bildungs- und Aufklärungsprogramme oder bessere medizinische Hilfe für Suchtkranke. Und insgesamt müsste sich die Sozialstruktur verbessern."
    Alles Probleme, um die sich die Vilniuser Regierung aus Bauernpartei und Sozialdemokraten kümmern will. Schließlich handelt es sich um zentrale Wahlversprechen der Koalition.