Jochen Spengler: Am Telefon ist der für die europäische Industriepolitik zuständige EU-Kommissar Günter Verheugen, guten Morgen, Herr Verheugen.
Günter Verheugen: Guten Morgen.
Spengler: Herr Verheugen, es hält sich in deutschen Autoindustriekreisen hartnäckig das Gerücht, dass es einer Menge Leute in Brüssel dezidiert darum geht, der deutschen Automobilindustrie zu schaden. Wer sind diese Kreise?
Verheugen: Diese Kreise gibt es nicht.
Spengler: Ist es nicht so, dass Kommissionsbeamte aus Frankreich, Spanien, Italien ein größeres Herz haben für die südländischen Belange als die Deutschen?
Verheugen: Nein, das ist nicht so. Es ist überhaupt noch gar nichts entschieden. Vielleicht sollte man erst mal darüber reden, wo wir eigentlich sind. Wir haben bis jetzt 46 verschiedene Möglichkeiten geprüft, wie man das Ziel erreichen kann, ab dem Jahr 2012 den CO2-Ausstoß europäischer Neuwagen im Durchschnitt auf 120 Gramm pro Kilometer zu bringen, was absoluter Weltrekord wäre, nach unten natürlich. Von diesen 46 verschiedenen Möglichkeiten sind 8 in die engere Wahl gekommen, und die werden im Augenblick vertieft untersucht. Es ist eine so weitreichende und wichtige Entscheidung, dass sie nicht getroffen werden kann, ohne dass man die politischen, die ökologischen, die sozialen und die ökonomischen Konsequenzen genau kennt. Und so weit sind wir überhaupt noch nicht. Es ist überhaupt noch nichts entschieden, wie wir es machen werden, außer ein paar Grundsätzen.
Spengler: Die Grundsätze, bei denen bleibt es auch? 120 Gramm, und wenn die Industrie dagegen verstößt, drohen Sanktionen?
Verheugen: Nein. Auch das ist nicht beschlossen worden. Wir haben in Europa das System der Typenzulassung. Das heißt, es können überhaupt nur Autos für den europäischen Markt zugelassen werden, die in das System passen werden, das geschaffen wird. Es macht wenig Sinn, jetzt schon über irgendwelche Maßnahmen zu reden, die man treffen will, wenn irgendjemand ein Gesetz nicht einhält, bevor man überhaupt das Gesetz kennt. Ich rate zu etwas mehr Gelassenheit bei dieser Frage.
Wichtig ist, dass man sich noch einmal orientiert: Was sind die wesentlichen Grundsätze? Und die wesentlichen Grundsätze sind: Es muss dabei bleiben, dass der Verbraucher die Wahlfreiheit hat. Wir dürfen dem Verbraucher nicht vorschreiben, welches Auto er kaufen darf oder welches Auto er nicht kaufen darf. Wichtig ist, dass alle Hersteller einen Beitrag leisten müssen, und dass die Hersteller der großen Autos natürlich mehr leisten müssen als die kleineren, und für mich ist auch wichtig, dass wir nicht ein System schaffen, in dem Hersteller sich durch irgendwelche Zahlungen freikaufen könnten von der Verpflichtung, saubere Autos zu bauen.
Spengler: Herr Verheugen, nun befürchtet die deutsche Autoindustrie ja, dass es auf ihre Kosten geht, weil sie ja nun sogenannte Premium-Fahrzeuge herstellt, also größere Autos, und die könnten einfach nicht ebenso wenig Kohlendioxid in die Luft pusten wie kleinere Autos.
Verheugen: Ich sage noch einmal: Diese Debatte ist vollkommen gegenstandslos, mir kommt es ein bisschen vor wie Geschnatter auf dem Hühnerhof, weil über ein vollkommen ungelegtes Ei die ganze Zeit geredet wird. Ich denke, es ist vollkommen einleuchtend, dass man keine Regelung machen kann, die jedes Auto in Europa gleich behandelt, egal wie schwer es ist, wie groß es ist und wie viel Leistung es bringt. Es gibt ein Naturgesetz, das man nicht vergessen darf, und das Naturgesetz lautet: Je mehr Masse ich zu bewegen habe, desto mehr Energie brauche ich. Das heißt, die Vorstellung, man könne einen Renault Twingo genauso behandeln wie einen 7er BMW ist doch absurd.
Spengler: Also, die 120 Gramm gelten nicht pro Fahrzeug?
Verheugen: Es war immer die Rede davon, dass es sich um den Durchschnitt der neuen europäischen Flotte handelt. Der Durchschnitt, das ist auch jetzt der Fall, bei allen Regelungen, die wir haben, es sind immer Durchschnittsregelungen. Und die 120 Gramm werden auch nicht allein erreicht werden können durch Veränderungen am Auto, sondern das ist ein sogenannter integrierter Ansatz, bei dem zum Beispiel auch ein erheblich erhöhter Anteil an Biotreibstoffen vorgesehen ist - und das ist ganz wichtig, mit den Biotreibstoffen, weil das die einzige Chance ist, auch die Autos einzubeziehen in eine Politik der verbesserten Luftreinhaltung, die es schon gibt. Denn man muss ja wissen, dass das durchschnittliche europäische Auto 12 Jahre auf der Straße ist. Das heißt, die Autos mit der höheren Verschmutzung, die verschwinden ja nicht in dem Augenblick, wo man eine neue Regelung hat.
Spengler: Ärgern Sie sich eigentlich darüber, dass die deutschen Hersteller ihr Gehirnschmalz offenkundig viel zu lange nur da hinein gesteckt haben, die Autos stärker und schneller zu machen statt klimafreundlicher?
Verheugen: Nein, darüber ärgere ich mich nicht, weil es einfach nicht stimmt. Sie haben eine falsche Werbung gemacht und sich vielleicht in der Öffentlichkeit falsch positioniert, aber in Wahrheit ist die Automobilindustrie in Europa die Industrie, die die Kyoto-Ziele am stärksten erfüllt hat.
Spengler: Sie sind als Industriekommissar für die Gesetze zur Spielzeugsicherheit zuständig, ein zweites Thema. Heute Morgen wird gemeldet, dass China künftig keine bleihaltige Farbe mehr bei Herstellung von Spielzeug für die USA verwendet. Das hätten USA und China ausgehandelt. Wann wird so etwas für Europa ausgehandelt?
Verheugen: Wir haben solche Regeln längst.
Spengler: Warum kommen dann solche Spielzeuge auf den Markt?
Verheugen: Mir ist nicht bewusst, dass nach Europa aus China Spielzeuge importiert worden sind, die Farben enthalten, die in Europa verboten wären.
Spengler: Doch, von Mattel, die vielen bleihaltigen Barbies, und Polly Pocket sind ja eben deswegen vom Hersteller zurückgenommen worden.
Verheugen: Aber die entsprechen doch nicht den europäischen Regeln, das war das Problem. Also, die Lage ist so bei Spielzeugen, dass ich bei meinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren eine Richtlinie vorgefunden habe, die veraltet war. Die stammte aus dem Jahre 1988 und der Spielzeugmarkt hat sich seitdem ja dramatisch verändert. Seitdem kommt das Spielzeug aus China, ist billig, aber eben auch in manchen Fällen den europäischen Standards nicht entsprechend. Eine neue Richtlinie ist in Arbeit, und sie wird noch in diesem Jahr vorgelegt werden, und sie wird außerordentlich scharfe Bestimmungen enthalten, insbesondere was die Verwendung von chemischen Substanzen bei der Herstellungen von Spielzeugen betrifft.
Spengler: Warum dauert das so lange, drei Jahre fast?
Verheugen: Das ist sogar ziemlich schnell. Wir reden hier über einen riesigen Markt. Es müssen die Standards entwickelt werden, das bedarf umfangreicher, gründlicher, wissenschaftlicher Arbeiten, einen solchen Standard können Sie nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Dafür gibt es Organisationen, die das machen, und das Verfahren ist schon so beschleunigt, wie es beschleunigt werden konnte.
Spengler: Wenn das Problem nicht war, dass die Spielzeuge gegen europäische Richtlinien verstoßen haben, aber dennoch auf den Markt gekommen sind, dann muss man sich doch fragen, wieso kommt so etwas auf den Markt?
Verheugen: Das habe ich nicht gesagt, dass das Spielzeug nicht gegen europäische Richtlinien verstoßen hat. Das Problem in diesem Fall war doch ganz offensichtlich die Marktüberwachung.
Spengler: Ja. Was kann die EU daran ...
Verheugen: Das ist aber Angelegenheit der Mitliedsstaaten, da dürfen Sie mich nicht fragen.
Spengler: Müsste das trotzdem nicht auf europäischer Ebene geregelt werden, die Überwachung?
Verheugen: Ja, selbstverständlich gibt es europäische Regeln, in denen festgelegt wird, was die Mitgliedsländer zu tun haben, um sicherzustellen, dass eingeführte Güter den europäischen Regeln auch entsprechen. Es wird aber, wie wir festgestellt haben, durchaus unterschiedlich gehandhabt von Land zu Land. In Deutschland sind dafür meistens die Landesbehörden zuständig. Und wir verlangen schon von den Mitgliedsländern, dass sie aufgrund dieser Vorkommnisse ihre eigenen Marktüberwachungssysteme deutlich verbessern.
Spengler: Da gibt es also Nachholbedarf.
Verheugen: Ich will das nicht ausschließen. Aber ich kann Ihnen darüber keine wirkliche Auskunft geben, weil, wie gesagt, die Verantwortung für die Marktüberwachung bei den Mitgliedsländern liegt, nicht bei der Kommission.
Spengler: Herr Verheugen, ganz kurz zum Schluss. Wieso werden nicht zumindest die Prototypen eines jeden Produkts von einer EU-Behörde oder einer Art TÜV überprüft?
Verheugen: Das ist bei den meisten Produkten auch der Fall. Es ist bei allen Produkten der Fall, von denen eine Gefährdung ausgehen könnte.
Spengler: Man war aber nicht davon ausgegangen, dass von Spielzeug eine Gefährdung ausgeht.
Verheugen: Man war nicht davon ausgegangen, dass in Spielzeugen unzureichend befestigte Magneten enthalten sind, das ist richtig. Nun, diese Frage, ob man bei Spielzeug ein jedes Produkt, das eingeführt wird, vorher zertifizieren muss, diese Frage wird zur Zeit geprüft, ich habe meine Behörden beauftragt, sich mit dieser Frage zu befassen. Ich bin an der Stelle vollkommen offen, weil ich der Meinung bin, dass man Spielzeug nicht behandeln kann wie irgendwelche anderen Verbrauchsgegenstände. Es geht um die Verbrauchergruppe, die am verwundbarsten ist und die am wenigsten selber helfen kann. Wenn es nötig ist, wird man so etwas machen müssen, ich weise aber darauf hin, dass wird zu erheblichen Preissteigerungen bei Spielzeug führen, wie überhaupt man wissen muss: Billiges Spielzeug hat seinen Preis, und was wir hier im Augenblick erleben, ist eine Konsequenz einer Verbraucherphilosophie, die in Deutschland verbreitet wird und die auf den Namen hört "Geiz ist Geil".
Spengler: Danke schön. Das war der Industriekommissar der EU Günter Verheugen, vielen Dank für das Gespräch, Herr Verheugen.
Günter Verheugen: Guten Morgen.
Spengler: Herr Verheugen, es hält sich in deutschen Autoindustriekreisen hartnäckig das Gerücht, dass es einer Menge Leute in Brüssel dezidiert darum geht, der deutschen Automobilindustrie zu schaden. Wer sind diese Kreise?
Verheugen: Diese Kreise gibt es nicht.
Spengler: Ist es nicht so, dass Kommissionsbeamte aus Frankreich, Spanien, Italien ein größeres Herz haben für die südländischen Belange als die Deutschen?
Verheugen: Nein, das ist nicht so. Es ist überhaupt noch gar nichts entschieden. Vielleicht sollte man erst mal darüber reden, wo wir eigentlich sind. Wir haben bis jetzt 46 verschiedene Möglichkeiten geprüft, wie man das Ziel erreichen kann, ab dem Jahr 2012 den CO2-Ausstoß europäischer Neuwagen im Durchschnitt auf 120 Gramm pro Kilometer zu bringen, was absoluter Weltrekord wäre, nach unten natürlich. Von diesen 46 verschiedenen Möglichkeiten sind 8 in die engere Wahl gekommen, und die werden im Augenblick vertieft untersucht. Es ist eine so weitreichende und wichtige Entscheidung, dass sie nicht getroffen werden kann, ohne dass man die politischen, die ökologischen, die sozialen und die ökonomischen Konsequenzen genau kennt. Und so weit sind wir überhaupt noch nicht. Es ist überhaupt noch nichts entschieden, wie wir es machen werden, außer ein paar Grundsätzen.
Spengler: Die Grundsätze, bei denen bleibt es auch? 120 Gramm, und wenn die Industrie dagegen verstößt, drohen Sanktionen?
Verheugen: Nein. Auch das ist nicht beschlossen worden. Wir haben in Europa das System der Typenzulassung. Das heißt, es können überhaupt nur Autos für den europäischen Markt zugelassen werden, die in das System passen werden, das geschaffen wird. Es macht wenig Sinn, jetzt schon über irgendwelche Maßnahmen zu reden, die man treffen will, wenn irgendjemand ein Gesetz nicht einhält, bevor man überhaupt das Gesetz kennt. Ich rate zu etwas mehr Gelassenheit bei dieser Frage.
Wichtig ist, dass man sich noch einmal orientiert: Was sind die wesentlichen Grundsätze? Und die wesentlichen Grundsätze sind: Es muss dabei bleiben, dass der Verbraucher die Wahlfreiheit hat. Wir dürfen dem Verbraucher nicht vorschreiben, welches Auto er kaufen darf oder welches Auto er nicht kaufen darf. Wichtig ist, dass alle Hersteller einen Beitrag leisten müssen, und dass die Hersteller der großen Autos natürlich mehr leisten müssen als die kleineren, und für mich ist auch wichtig, dass wir nicht ein System schaffen, in dem Hersteller sich durch irgendwelche Zahlungen freikaufen könnten von der Verpflichtung, saubere Autos zu bauen.
Spengler: Herr Verheugen, nun befürchtet die deutsche Autoindustrie ja, dass es auf ihre Kosten geht, weil sie ja nun sogenannte Premium-Fahrzeuge herstellt, also größere Autos, und die könnten einfach nicht ebenso wenig Kohlendioxid in die Luft pusten wie kleinere Autos.
Verheugen: Ich sage noch einmal: Diese Debatte ist vollkommen gegenstandslos, mir kommt es ein bisschen vor wie Geschnatter auf dem Hühnerhof, weil über ein vollkommen ungelegtes Ei die ganze Zeit geredet wird. Ich denke, es ist vollkommen einleuchtend, dass man keine Regelung machen kann, die jedes Auto in Europa gleich behandelt, egal wie schwer es ist, wie groß es ist und wie viel Leistung es bringt. Es gibt ein Naturgesetz, das man nicht vergessen darf, und das Naturgesetz lautet: Je mehr Masse ich zu bewegen habe, desto mehr Energie brauche ich. Das heißt, die Vorstellung, man könne einen Renault Twingo genauso behandeln wie einen 7er BMW ist doch absurd.
Spengler: Also, die 120 Gramm gelten nicht pro Fahrzeug?
Verheugen: Es war immer die Rede davon, dass es sich um den Durchschnitt der neuen europäischen Flotte handelt. Der Durchschnitt, das ist auch jetzt der Fall, bei allen Regelungen, die wir haben, es sind immer Durchschnittsregelungen. Und die 120 Gramm werden auch nicht allein erreicht werden können durch Veränderungen am Auto, sondern das ist ein sogenannter integrierter Ansatz, bei dem zum Beispiel auch ein erheblich erhöhter Anteil an Biotreibstoffen vorgesehen ist - und das ist ganz wichtig, mit den Biotreibstoffen, weil das die einzige Chance ist, auch die Autos einzubeziehen in eine Politik der verbesserten Luftreinhaltung, die es schon gibt. Denn man muss ja wissen, dass das durchschnittliche europäische Auto 12 Jahre auf der Straße ist. Das heißt, die Autos mit der höheren Verschmutzung, die verschwinden ja nicht in dem Augenblick, wo man eine neue Regelung hat.
Spengler: Ärgern Sie sich eigentlich darüber, dass die deutschen Hersteller ihr Gehirnschmalz offenkundig viel zu lange nur da hinein gesteckt haben, die Autos stärker und schneller zu machen statt klimafreundlicher?
Verheugen: Nein, darüber ärgere ich mich nicht, weil es einfach nicht stimmt. Sie haben eine falsche Werbung gemacht und sich vielleicht in der Öffentlichkeit falsch positioniert, aber in Wahrheit ist die Automobilindustrie in Europa die Industrie, die die Kyoto-Ziele am stärksten erfüllt hat.
Spengler: Sie sind als Industriekommissar für die Gesetze zur Spielzeugsicherheit zuständig, ein zweites Thema. Heute Morgen wird gemeldet, dass China künftig keine bleihaltige Farbe mehr bei Herstellung von Spielzeug für die USA verwendet. Das hätten USA und China ausgehandelt. Wann wird so etwas für Europa ausgehandelt?
Verheugen: Wir haben solche Regeln längst.
Spengler: Warum kommen dann solche Spielzeuge auf den Markt?
Verheugen: Mir ist nicht bewusst, dass nach Europa aus China Spielzeuge importiert worden sind, die Farben enthalten, die in Europa verboten wären.
Spengler: Doch, von Mattel, die vielen bleihaltigen Barbies, und Polly Pocket sind ja eben deswegen vom Hersteller zurückgenommen worden.
Verheugen: Aber die entsprechen doch nicht den europäischen Regeln, das war das Problem. Also, die Lage ist so bei Spielzeugen, dass ich bei meinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren eine Richtlinie vorgefunden habe, die veraltet war. Die stammte aus dem Jahre 1988 und der Spielzeugmarkt hat sich seitdem ja dramatisch verändert. Seitdem kommt das Spielzeug aus China, ist billig, aber eben auch in manchen Fällen den europäischen Standards nicht entsprechend. Eine neue Richtlinie ist in Arbeit, und sie wird noch in diesem Jahr vorgelegt werden, und sie wird außerordentlich scharfe Bestimmungen enthalten, insbesondere was die Verwendung von chemischen Substanzen bei der Herstellungen von Spielzeugen betrifft.
Spengler: Warum dauert das so lange, drei Jahre fast?
Verheugen: Das ist sogar ziemlich schnell. Wir reden hier über einen riesigen Markt. Es müssen die Standards entwickelt werden, das bedarf umfangreicher, gründlicher, wissenschaftlicher Arbeiten, einen solchen Standard können Sie nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Dafür gibt es Organisationen, die das machen, und das Verfahren ist schon so beschleunigt, wie es beschleunigt werden konnte.
Spengler: Wenn das Problem nicht war, dass die Spielzeuge gegen europäische Richtlinien verstoßen haben, aber dennoch auf den Markt gekommen sind, dann muss man sich doch fragen, wieso kommt so etwas auf den Markt?
Verheugen: Das habe ich nicht gesagt, dass das Spielzeug nicht gegen europäische Richtlinien verstoßen hat. Das Problem in diesem Fall war doch ganz offensichtlich die Marktüberwachung.
Spengler: Ja. Was kann die EU daran ...
Verheugen: Das ist aber Angelegenheit der Mitliedsstaaten, da dürfen Sie mich nicht fragen.
Spengler: Müsste das trotzdem nicht auf europäischer Ebene geregelt werden, die Überwachung?
Verheugen: Ja, selbstverständlich gibt es europäische Regeln, in denen festgelegt wird, was die Mitgliedsländer zu tun haben, um sicherzustellen, dass eingeführte Güter den europäischen Regeln auch entsprechen. Es wird aber, wie wir festgestellt haben, durchaus unterschiedlich gehandhabt von Land zu Land. In Deutschland sind dafür meistens die Landesbehörden zuständig. Und wir verlangen schon von den Mitgliedsländern, dass sie aufgrund dieser Vorkommnisse ihre eigenen Marktüberwachungssysteme deutlich verbessern.
Spengler: Da gibt es also Nachholbedarf.
Verheugen: Ich will das nicht ausschließen. Aber ich kann Ihnen darüber keine wirkliche Auskunft geben, weil, wie gesagt, die Verantwortung für die Marktüberwachung bei den Mitgliedsländern liegt, nicht bei der Kommission.
Spengler: Herr Verheugen, ganz kurz zum Schluss. Wieso werden nicht zumindest die Prototypen eines jeden Produkts von einer EU-Behörde oder einer Art TÜV überprüft?
Verheugen: Das ist bei den meisten Produkten auch der Fall. Es ist bei allen Produkten der Fall, von denen eine Gefährdung ausgehen könnte.
Spengler: Man war aber nicht davon ausgegangen, dass von Spielzeug eine Gefährdung ausgeht.
Verheugen: Man war nicht davon ausgegangen, dass in Spielzeugen unzureichend befestigte Magneten enthalten sind, das ist richtig. Nun, diese Frage, ob man bei Spielzeug ein jedes Produkt, das eingeführt wird, vorher zertifizieren muss, diese Frage wird zur Zeit geprüft, ich habe meine Behörden beauftragt, sich mit dieser Frage zu befassen. Ich bin an der Stelle vollkommen offen, weil ich der Meinung bin, dass man Spielzeug nicht behandeln kann wie irgendwelche anderen Verbrauchsgegenstände. Es geht um die Verbrauchergruppe, die am verwundbarsten ist und die am wenigsten selber helfen kann. Wenn es nötig ist, wird man so etwas machen müssen, ich weise aber darauf hin, dass wird zu erheblichen Preissteigerungen bei Spielzeug führen, wie überhaupt man wissen muss: Billiges Spielzeug hat seinen Preis, und was wir hier im Augenblick erleben, ist eine Konsequenz einer Verbraucherphilosophie, die in Deutschland verbreitet wird und die auf den Namen hört "Geiz ist Geil".
Spengler: Danke schön. Das war der Industriekommissar der EU Günter Verheugen, vielen Dank für das Gespräch, Herr Verheugen.