Scholz: Guten Morgen!
Zagatta: Herr Scholz, sind denn damit jetzt alle geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen auf dem Tisch oder geht das in den nächsten Wochen noch so weiter?
Scholz: Nein, es ist sowieso von vorneherein alles auf dem Tisch gewesen. Wir haben uns sehr sorgfältig besprochen im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen und haben gesagt, wir sind in einer schwierigen Zeit, und deshalb müssen wir mit großer Präzision den Weg weiter gehen, den wir schon mit den Steuerreformbeschlüssen im Rahmen der letzten Legislaturperiode angefangen haben. Absenken der Steuersätze, ich will noch einmal daran erinnern 2004 und 2005 sinken die Steuern noch einmal.
Zagatta: Dabei bleibt es? Das ist ja am Wochenende aus Ihrer Partei auch in Frage gestellt worden.
Scholz: Wir sind eine große Partei mit 700.000 Mitgliedern. Es ist insgesamt so, dass wir uns dazu durchgerungen haben zu sagen: Es bleibt bei den Steuersenkungen. Darauf sind wir nämlich sehr stolz. Es wird so sein, dass der Eingangssteuersatz von 25,8 Prozent bei Helmut Kohl auf 15 Prozent sinkt und sogar der Steuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent. Aber wir müssen Steuerschlupflöcher und Subventionen streichen. Sachen, die anderswo auf der Welt besteuert werden, können nicht hier einfach außen vor bleiben. Und in diesem Rahmen haben wir also dafür gesorgt, dass das so präzise organisiert wird.
Zagatta: Aber Sie haben ja im Wahlkampf auch gesagt, Steuererhöhungen soll es nicht geben. Aber wenn künftig die 15 Prozent Steuern auf Gewinn auf Aktien zu zahlen sind und auf Immobilienverkäufe, dann ist das doch eine neue Steuer.
Scholz: Das ist die Besteuerung eines Vorganges, der unverständlicherweise in Deutschland anders als in den USA, anders als in Großbritannien, anders als in praktisch jedem europäischen Land nicht besteuert wird.
Zagatta: Aber eine neue Steuer.
Scholz: Das sind Steuerschlupflöcher und Subventionen, die bisher existiert haben, wobei ich ausdrücklich darauf hinweisen will, dass es hier um gewerblich genutzte Immobilien geht, also Bürohäuser und Mietshäuser, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes besitzen. Es geht nicht um das selbstgenutzte Wohneigentum.
Zagatta: Aber Sie haben die Rentenbeiträge erhöht, die Krankenkassen werden teurer, die Lohnnebenkosten steigen. Trotz der Ökosteuer: Heizen wird teurer. Was kommt denn jetzt noch?
Scholz: In der Operation wurde am Freitag vom deutschen Bundestag beschlossen, dass der Rentenbeitragsanstieg begrenzt wird. Der wäre ja sonst größer ausgefallen, auf 19,9 Prozent. Jetzt sind wir bei 19,5. Das ist immer noch weniger als die 20,3 Prozent, die wir 1998 gezahlt hätten, und noch viel weniger als die mehr als 21 Prozent, die wir hätten zahlen müssen, wenn wir nicht in der letzten Legislaturperiode all die wichtigen Maßnahmen ergriffen hätten, die wir in der Zeit ergriffen haben
Zagatta: Aber die Ökosteuer kommt ja auch noch dazu.
Scholz: Die Ökosteuer ist in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden. Und auch dort haben wir lediglich Ausnahmetatbestände reduziert, aber an der Besteuerung in ihren Grundsätzen überhaupt nichts geändert.
Zagatta: Aber der Steuersatz geht auch am ersten Januar wieder höher. Herr Scholz, was ist denn mit Überlegungen, die Riesterrente notfalls zur Pflicht zu machen, so wie das die Sozialministerin Schmidt gestern geäußert hat. Ist das ein Witz oder ist das ernst gemeint?
Scholz: Sie hat über das referiert, was in den gesetzlichen Bestimmungen steht, dass in einer gewissen Übergangszeit geprüft werden soll, ob es aus sozialen Gründen wichtig ist, dafür zu sorgen, dass möglichst viele teilnehmen. Aber im Augenblick läuft der Trend ja sehr richtig. Wir haben zwar nur etwa 2 Millionen Einzelverträge, die aufgrund der vielen Anzeigen unserer Versicherungsunternehmen verkauft worden sind, aber es gibt fast 16 Millionen Menschen, die erfasst worden sind von betrieblichen, tariflichen Altersvorsorgemodellen, das alles ist zustande gekommen aufgrund dieser Regelungen. Ich glaube, dass es nicht erforderlich sein wird und dann auch nicht richtig wäre, so etwas verpflichtend zu machen.
Zagatta: Also, Sie relativieren das.
Scholz: Es geht ja jetzt um eine Diskussion für dieses und das nächste und das übernächste Jahr, und da ist das alles nicht angesagt. Und ich glaube auch, dass es guten Sinn macht, wenn die Menschen sich im Wesentlichen frei entscheiden, wie das jetzt ja auch der Fall ist, dafür zu sorgen, dass das bei einer freiwilligen Entscheidung bleibt. Unsere gesetzliche Rente ist ja durchaus sehr ordentlich und wird es auch bleiben. Und wenn das so ist, dann macht es keinen Sinn, die Menschen gewissermaßen aus der Verantwortung zu entlassen, dafür selber gerade zu stehen, ob sie für ihr Alter noch zusätzlich vorsorgen wollen oder nicht.
Zagatta: Aber das ist doch ein ziemliches Durcheinander bei Ihnen. Da schlägt die Ministerin gestern etwas vor und Sie lehnen es heute ab.
Scholz: Ich lehne gar nichts ab und die Ministerin hat gar nichts vorgeschlagen.
Zagatta: Was sagen Sie denn zu den jüngsten Prognosen aus der deutschen Wirtschaft, die für das nächste Jahr viereinhalb oder sogar bis zu fünf Millionen Arbeitslose voraussagt?
Scholz: Das sind Prognosen, die ausnahmsweise mal von niemandem erforscht worden sind, sondern dahingesagt worden sind. Die könnten wir uns auch gemeinsam ausdenken. Wir haben eine schwierige konjunkturelle Situation in unserem Lande. Wir erleben ja nun seit mehr als zwei Jahren die Situation, dass uns sämtliche Wirtschaftsforschungsinstitute im Halbjahrestakt neue Prognosen vorlegen, die jeweils schlechter ausfallen als die vorherigen. Das ist sehr bitter, weil es ja letztlich auch darum geht, dass mit der nicht richtig anspringenden Konjunktur all die Probleme verbunden sind, die jetzt auch dazu führen, dass wir sehr ernsthaft reagieren müssen. Es ist ja nicht so, dass in der Regierung lauter Leute sitzen, die sich tagsüber ausdenken, was sie alles an Regelungen erfinden könnten, sondern wir müssen dafür sorgen, dass wir unsere Verpflichtung, die wir gegenüber den Menschen in diesem Lande haben, einhalten können und dass der Staat nicht hoffnungslos verschuldet wird. Das ist das, was jetzt Reaktion erfordert. Aber wenn sich unsere Konjunktur wie jetzt prognostiziert im nächsten Jahr vernünftig entwickelt, dann werden wir sowohl die Einnahmeprobleme von Staat und Sozialversicherungen vernünftig im Griff haben als auch eine verbesserte Entwicklung bei der Arbeitslosigkeit. Da bin ich ohnehin sehr optimistisch, weil wir mit dem gewaltigen Reformschritt, der jetzt mit der Umsetzung der Hartz-Kommission-Vorschläge verbunden ist, die Arbeitslosigkeit reduzieren.
Zagatta: Herr Scholz, den Eindruck, dass Sie sich da jeden Tag etwas Neues ausdenken, den haben ja viele. Wie erklären Sie sich den?
Scholz: Wir denken uns nicht jeden Tag etwas Neues aus, sondern wir haben eine Regierung gebildet, einen Koalitionsvertrag geschlossen. Der wird jetzt umgesetzt, und der besteht nicht aus zwei, drei Sachen, sondern darin, dass wir ein sehr umfassendes Reformkonzept haben.
Zagatta: Aber wie erklären Sie sich dann, dass sich Umfragen zufolge schon fast 70 Prozent der Wahlberechtigten von der rot-grünen Regierung betrogen fühlen?
Scholz: Ich glaube, dass das eine schwierige Zeit ist, in der wir sind, und dass schwierige Zeiten auch schwierige Maßnahmen erfordern, und dass die in keinem Falle auf Beifall stoßen. Da muss man als Politiker dann auch darauf vertrauen, dass die Maßnahmen, die wir ergreifen richtig sind, und dass sich das, wenn sie denn Stück für Stück greifen, auch herumsprechen wird und die Menschen überzeugt werden durch die Tat.
Zagatta: Aber wenn der CDU-Politiker Friedrich Merz Finanzminister Hans Eichel jetzt schon einen Lügner nennt, so wie er das jetzt tut, dann spricht er doch aus, was mittlerweile viele denken, auch viele, die SPD gewählt haben. Gibt Ihnen das nicht zu denken?
Scholz: Herr Merz hat ja etwas ganz Charmantes gemacht in seinem Interview, das er am Wochenende gegeben hat. Er hat erstmal bösartig den Finanzminister beschimpft, und dann hat er ganz leise und trocken sämtliche Wahlaussagen der CDU kassiert. Da war nämlich drin, dass der Spitzensteuersatz noch mal sinken soll auf 40 Prozent. Allein das hätte Steuerausfälle produziert, die größer sind als diejenigen, die wir jetzt konjunkturbedingt zu verkraften haben, mit denen wir jetzt auch durch unsere Maßnahmen umgehen müssen. Und er hat im Übrigen ganz unerwähnt gelassen, dass er und sein Kanzlerkandidat es völlig normal fanden zu versprechen, dass wir 70 Milliarden Euro zusätzliche Geschenke an die Bürgerinnen und Bürger verteilen. Das hat ihm im Wahlkampf keiner geglaubt, aber jetzt denkt er, er kommt mit zwei halben Sätzen davon und einer sehr martialischen Beschimpfung des Finanzministers. Nein, ich erinnere mich noch sehr genau. Im Wahlkampf ist es so gewesen, dass Sie in Ihren Sendungen, alle anderen Rundfunksender, alle Fernsehsender, fast jeder politische Kommentator in einer Zeitung schon mal geschrieben hatte: Ob das wohl hinhaut mit der Hoffnung der SPD, dass der von allen Forschungsinstituten prognostizierte Wirtschaftsaufschwung noch vor der Wahl einsetzt und ob wir davon noch etwas bekommen für das Wahlergebnis? Da sollte sich jeder mal so ein bisschen in sein eigenes, ganz persönliches Pressearchiv zurück begeben, dann würde er feststellen, dass er mit zu den Leuten zählte, die gemeinsam mit den Wirtschaftsforschungsinstituten über eins sicher war: Der Aufschwung kommt in der zweiten Jahreshälfte, sicher ist nur nicht wann. Leider ist das nicht wahr geworden weder für die Journalisten noch für die Politiker noch, viel wichtiger, für die reale Wirtschaft unseres Landes.
Zagatta: Olaf Scholz, der SPD-Generalsekretär. Herr Scholz, ich bedanke mich für das Gespräch.
Scholz: Tschüß.
Link: Interview als RealAudio
Zagatta: Herr Scholz, sind denn damit jetzt alle geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen auf dem Tisch oder geht das in den nächsten Wochen noch so weiter?
Scholz: Nein, es ist sowieso von vorneherein alles auf dem Tisch gewesen. Wir haben uns sehr sorgfältig besprochen im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen und haben gesagt, wir sind in einer schwierigen Zeit, und deshalb müssen wir mit großer Präzision den Weg weiter gehen, den wir schon mit den Steuerreformbeschlüssen im Rahmen der letzten Legislaturperiode angefangen haben. Absenken der Steuersätze, ich will noch einmal daran erinnern 2004 und 2005 sinken die Steuern noch einmal.
Zagatta: Dabei bleibt es? Das ist ja am Wochenende aus Ihrer Partei auch in Frage gestellt worden.
Scholz: Wir sind eine große Partei mit 700.000 Mitgliedern. Es ist insgesamt so, dass wir uns dazu durchgerungen haben zu sagen: Es bleibt bei den Steuersenkungen. Darauf sind wir nämlich sehr stolz. Es wird so sein, dass der Eingangssteuersatz von 25,8 Prozent bei Helmut Kohl auf 15 Prozent sinkt und sogar der Steuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent. Aber wir müssen Steuerschlupflöcher und Subventionen streichen. Sachen, die anderswo auf der Welt besteuert werden, können nicht hier einfach außen vor bleiben. Und in diesem Rahmen haben wir also dafür gesorgt, dass das so präzise organisiert wird.
Zagatta: Aber Sie haben ja im Wahlkampf auch gesagt, Steuererhöhungen soll es nicht geben. Aber wenn künftig die 15 Prozent Steuern auf Gewinn auf Aktien zu zahlen sind und auf Immobilienverkäufe, dann ist das doch eine neue Steuer.
Scholz: Das ist die Besteuerung eines Vorganges, der unverständlicherweise in Deutschland anders als in den USA, anders als in Großbritannien, anders als in praktisch jedem europäischen Land nicht besteuert wird.
Zagatta: Aber eine neue Steuer.
Scholz: Das sind Steuerschlupflöcher und Subventionen, die bisher existiert haben, wobei ich ausdrücklich darauf hinweisen will, dass es hier um gewerblich genutzte Immobilien geht, also Bürohäuser und Mietshäuser, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes besitzen. Es geht nicht um das selbstgenutzte Wohneigentum.
Zagatta: Aber Sie haben die Rentenbeiträge erhöht, die Krankenkassen werden teurer, die Lohnnebenkosten steigen. Trotz der Ökosteuer: Heizen wird teurer. Was kommt denn jetzt noch?
Scholz: In der Operation wurde am Freitag vom deutschen Bundestag beschlossen, dass der Rentenbeitragsanstieg begrenzt wird. Der wäre ja sonst größer ausgefallen, auf 19,9 Prozent. Jetzt sind wir bei 19,5. Das ist immer noch weniger als die 20,3 Prozent, die wir 1998 gezahlt hätten, und noch viel weniger als die mehr als 21 Prozent, die wir hätten zahlen müssen, wenn wir nicht in der letzten Legislaturperiode all die wichtigen Maßnahmen ergriffen hätten, die wir in der Zeit ergriffen haben
Zagatta: Aber die Ökosteuer kommt ja auch noch dazu.
Scholz: Die Ökosteuer ist in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden. Und auch dort haben wir lediglich Ausnahmetatbestände reduziert, aber an der Besteuerung in ihren Grundsätzen überhaupt nichts geändert.
Zagatta: Aber der Steuersatz geht auch am ersten Januar wieder höher. Herr Scholz, was ist denn mit Überlegungen, die Riesterrente notfalls zur Pflicht zu machen, so wie das die Sozialministerin Schmidt gestern geäußert hat. Ist das ein Witz oder ist das ernst gemeint?
Scholz: Sie hat über das referiert, was in den gesetzlichen Bestimmungen steht, dass in einer gewissen Übergangszeit geprüft werden soll, ob es aus sozialen Gründen wichtig ist, dafür zu sorgen, dass möglichst viele teilnehmen. Aber im Augenblick läuft der Trend ja sehr richtig. Wir haben zwar nur etwa 2 Millionen Einzelverträge, die aufgrund der vielen Anzeigen unserer Versicherungsunternehmen verkauft worden sind, aber es gibt fast 16 Millionen Menschen, die erfasst worden sind von betrieblichen, tariflichen Altersvorsorgemodellen, das alles ist zustande gekommen aufgrund dieser Regelungen. Ich glaube, dass es nicht erforderlich sein wird und dann auch nicht richtig wäre, so etwas verpflichtend zu machen.
Zagatta: Also, Sie relativieren das.
Scholz: Es geht ja jetzt um eine Diskussion für dieses und das nächste und das übernächste Jahr, und da ist das alles nicht angesagt. Und ich glaube auch, dass es guten Sinn macht, wenn die Menschen sich im Wesentlichen frei entscheiden, wie das jetzt ja auch der Fall ist, dafür zu sorgen, dass das bei einer freiwilligen Entscheidung bleibt. Unsere gesetzliche Rente ist ja durchaus sehr ordentlich und wird es auch bleiben. Und wenn das so ist, dann macht es keinen Sinn, die Menschen gewissermaßen aus der Verantwortung zu entlassen, dafür selber gerade zu stehen, ob sie für ihr Alter noch zusätzlich vorsorgen wollen oder nicht.
Zagatta: Aber das ist doch ein ziemliches Durcheinander bei Ihnen. Da schlägt die Ministerin gestern etwas vor und Sie lehnen es heute ab.
Scholz: Ich lehne gar nichts ab und die Ministerin hat gar nichts vorgeschlagen.
Zagatta: Was sagen Sie denn zu den jüngsten Prognosen aus der deutschen Wirtschaft, die für das nächste Jahr viereinhalb oder sogar bis zu fünf Millionen Arbeitslose voraussagt?
Scholz: Das sind Prognosen, die ausnahmsweise mal von niemandem erforscht worden sind, sondern dahingesagt worden sind. Die könnten wir uns auch gemeinsam ausdenken. Wir haben eine schwierige konjunkturelle Situation in unserem Lande. Wir erleben ja nun seit mehr als zwei Jahren die Situation, dass uns sämtliche Wirtschaftsforschungsinstitute im Halbjahrestakt neue Prognosen vorlegen, die jeweils schlechter ausfallen als die vorherigen. Das ist sehr bitter, weil es ja letztlich auch darum geht, dass mit der nicht richtig anspringenden Konjunktur all die Probleme verbunden sind, die jetzt auch dazu führen, dass wir sehr ernsthaft reagieren müssen. Es ist ja nicht so, dass in der Regierung lauter Leute sitzen, die sich tagsüber ausdenken, was sie alles an Regelungen erfinden könnten, sondern wir müssen dafür sorgen, dass wir unsere Verpflichtung, die wir gegenüber den Menschen in diesem Lande haben, einhalten können und dass der Staat nicht hoffnungslos verschuldet wird. Das ist das, was jetzt Reaktion erfordert. Aber wenn sich unsere Konjunktur wie jetzt prognostiziert im nächsten Jahr vernünftig entwickelt, dann werden wir sowohl die Einnahmeprobleme von Staat und Sozialversicherungen vernünftig im Griff haben als auch eine verbesserte Entwicklung bei der Arbeitslosigkeit. Da bin ich ohnehin sehr optimistisch, weil wir mit dem gewaltigen Reformschritt, der jetzt mit der Umsetzung der Hartz-Kommission-Vorschläge verbunden ist, die Arbeitslosigkeit reduzieren.
Zagatta: Herr Scholz, den Eindruck, dass Sie sich da jeden Tag etwas Neues ausdenken, den haben ja viele. Wie erklären Sie sich den?
Scholz: Wir denken uns nicht jeden Tag etwas Neues aus, sondern wir haben eine Regierung gebildet, einen Koalitionsvertrag geschlossen. Der wird jetzt umgesetzt, und der besteht nicht aus zwei, drei Sachen, sondern darin, dass wir ein sehr umfassendes Reformkonzept haben.
Zagatta: Aber wie erklären Sie sich dann, dass sich Umfragen zufolge schon fast 70 Prozent der Wahlberechtigten von der rot-grünen Regierung betrogen fühlen?
Scholz: Ich glaube, dass das eine schwierige Zeit ist, in der wir sind, und dass schwierige Zeiten auch schwierige Maßnahmen erfordern, und dass die in keinem Falle auf Beifall stoßen. Da muss man als Politiker dann auch darauf vertrauen, dass die Maßnahmen, die wir ergreifen richtig sind, und dass sich das, wenn sie denn Stück für Stück greifen, auch herumsprechen wird und die Menschen überzeugt werden durch die Tat.
Zagatta: Aber wenn der CDU-Politiker Friedrich Merz Finanzminister Hans Eichel jetzt schon einen Lügner nennt, so wie er das jetzt tut, dann spricht er doch aus, was mittlerweile viele denken, auch viele, die SPD gewählt haben. Gibt Ihnen das nicht zu denken?
Scholz: Herr Merz hat ja etwas ganz Charmantes gemacht in seinem Interview, das er am Wochenende gegeben hat. Er hat erstmal bösartig den Finanzminister beschimpft, und dann hat er ganz leise und trocken sämtliche Wahlaussagen der CDU kassiert. Da war nämlich drin, dass der Spitzensteuersatz noch mal sinken soll auf 40 Prozent. Allein das hätte Steuerausfälle produziert, die größer sind als diejenigen, die wir jetzt konjunkturbedingt zu verkraften haben, mit denen wir jetzt auch durch unsere Maßnahmen umgehen müssen. Und er hat im Übrigen ganz unerwähnt gelassen, dass er und sein Kanzlerkandidat es völlig normal fanden zu versprechen, dass wir 70 Milliarden Euro zusätzliche Geschenke an die Bürgerinnen und Bürger verteilen. Das hat ihm im Wahlkampf keiner geglaubt, aber jetzt denkt er, er kommt mit zwei halben Sätzen davon und einer sehr martialischen Beschimpfung des Finanzministers. Nein, ich erinnere mich noch sehr genau. Im Wahlkampf ist es so gewesen, dass Sie in Ihren Sendungen, alle anderen Rundfunksender, alle Fernsehsender, fast jeder politische Kommentator in einer Zeitung schon mal geschrieben hatte: Ob das wohl hinhaut mit der Hoffnung der SPD, dass der von allen Forschungsinstituten prognostizierte Wirtschaftsaufschwung noch vor der Wahl einsetzt und ob wir davon noch etwas bekommen für das Wahlergebnis? Da sollte sich jeder mal so ein bisschen in sein eigenes, ganz persönliches Pressearchiv zurück begeben, dann würde er feststellen, dass er mit zu den Leuten zählte, die gemeinsam mit den Wirtschaftsforschungsinstituten über eins sicher war: Der Aufschwung kommt in der zweiten Jahreshälfte, sicher ist nur nicht wann. Leider ist das nicht wahr geworden weder für die Journalisten noch für die Politiker noch, viel wichtiger, für die reale Wirtschaft unseres Landes.
Zagatta: Olaf Scholz, der SPD-Generalsekretär. Herr Scholz, ich bedanke mich für das Gespräch.
Scholz: Tschüß.
Link: Interview als RealAudio