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Alles andere als umweltfreundlich

Gegenüber anderen Erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne haben Biogasanlagen einen entscheidenden Vorteil: Sie sind grundlastfähig, denn Biogas entsteht rund um die Uhr. Doch wegen Engpässen in den Leitungen werden auch Biogasanlagen immer häufiger abgeschaltet.

Von Matthias Günther | 12.11.2010
    Gestern Mittag im nordfriesischen Niebüll: Der erste Herbststurm ist heraufgezogen. Aus Sicherheitsgründen werden keine leeren Lkw mehr auf den Zug nach Sylt verladen. Die Windräder rund um Niebüll drehen sich kräftig und produzieren viel Strom. Zu viel. Das Netz kann ihn nicht aufnehmen. Etliche Anlagen werden abgeschaltet. Nicht nur Windkraftanlagen, auch Biogasanlagen. Peter Brodersen, Geschäftsführer der Uhlebüll-Biogas, kann auf dem Monitor verfolgen, wie die Stromproduktion heruntergefahren wurde:

    "Wir hatten ab 11 Uhr irgendwann relativ viel Wind – und dann wird halt geschaltet."

    Abgeschaltet! Netzbetreiber e.on hat das Blockheizkraftwerk, in dem aus Biogas Strom entsteht, abgeschaltet. Die Bakterien, die aus Mais, Weizen und Gülle Methan produzieren, arbeiten aber weiter. Das Gas wird in einem Speicher aufgefangen. Doch der ist nach 10 bis 15 Stunden voll, erklärt Peter Brodersen:

    "Dann haben wir keine Möglichkeiten mehr, Gas zu speichern. Dann müssen wir tatsächlich die Notgasfackel anschmeißen."

    Die Notgasfackel der Uhlebüll-Biogas war im windreichen September immer wieder in Betrieb. 10.000 Kubikmeter Gas wurden abgefackelt.

    "Das wiederum entspricht irgendwo einem Hektar Mais, den wir also angebaut haben, den wir groß gezogen haben, den wir dann geerntet haben, den wir hier hergefahren haben, den wir dann in die Anlage hineingefüttert haben, daraus wurde dann Gas, das wir dann am Ende wieder abfackeln durften."

    Das CO², das beim Wachstum der Pflanzen der Atmosphäre entzogen worden war, wird so wieder freigesetzt – ohne die dabei entstehende Energie beispielsweise dafür zu nutzen, klimaschädlich erzeugten Kohlestrom zu ersetzen. Die Betreiber der abgeschalteten Windkraft- oder Biogas-Anlagen bekommen den Ausfall ersetzt. Das wird auf den Strompreis umgelegt. Der Kunde bezahlt also nicht nur den Strom, den er verbraucht, sondern auch den Strom, der gar nicht produziert werden kann. Dass Anlagen aufgrund von Engpässen im Stromnetz abgeschaltet werden müssen, kommt fast ausschließlich in Norddeutschland vor – teilweise in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, vor allem aber in Schleswig-Holstein, besonders in Nordfriesland. Denn hier sind auf den Feldern nicht nur viele Windkraftanlagen entstanden, sondern auch Biogas- und Photovoltaik-Anlagen.

    "Weil wir als Landwirte sehr innovativ sind und dadurch die Photovoltaik entdeckt haben – dass man da noch Geld mit verdienen kann, und die Sonne hier oben im Norden relativ gut scheint und dadurch die Erträge eigentlich ganz gut sind."

    Sagt Hans-Ulrich Martensen, Sprecher des Fachverbandes Biogas in Schleswig-Holstein. Der Gesetzgeber habe den Anreiz dafür mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ja absichtlich geschaffen, so Martensen. Die Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien fordern seit langem, das Stromnetz auszubauen. Das geschieht derzeit auch, räumt Peter Brodersen von der Uhlebüll-Biogas ein:

    "Ich befürchte allerdings, dass das Netz auf Kapazitäten ausgebaut wird, die wir heute haben, aber nicht auf die, die wir bekommen werden."

    Denn das Land Schleswig-Holstein hat gerade zusätzliche Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen, und auch die Zahl der Biogasanlagen wächst rasant. Die Landesregierung will sich dafür einsetzen, dass mit der geplanten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein Anreiz zum Ausbau der Netze geschaffen wird. Peter Brodersen, fordert, in das Gesetz hineinzuschreiben, dass Biogas-Anlagen künftig nicht mehr abgeschaltet werden dürfen:

    "Biogasanlagen produzieren über 8000 Stunden Strom. Wenn Sie bedenken, ein Jahr hat 8760 Stunden, sind wir also grundlastfähige Stromproduzenten und sollten anders behandelt werden als Windkraft und Fotovoltaik."

    Der Naturschutzbund hat noch eine andere Empfehlung für die Betreiber von Biogasanlagen: sie sollten ganz einfach größere Gasspeicher bauen – dann könnten sie Engpässe im Stromnetz besser überstehen.