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Alles hat sich "abgespielt im Lichte der Öffentlichkeit"

Wer in guten Zeiten im Rampenlicht stehen möchte, kann, wenn er als Lügner da steht, nicht die Öffentlichkeit aussperren wollen, meint Butz Peters. Von der Causa Guttenberg gehe ein öffentliches Interesse aus, daher müsse der Guttenberg-Bericht veröffentlicht werden.

Butz Peters im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 13.04.2011
    Tobias Armbrüster: Sechs Wochen sind vergangen, seitdem einer der beliebtesten deutschen Politiker der letzten Jahre seinen Hut genommen hat, Karl-Theodor zu Guttenberg, und man hat tatsächlich seitdem nicht viel von ihm gehört. In den vergangenen Tagen wurde allerdings bekannt, dass der ehemalige Verteidigungsminister weiter versucht, seinen Ruf zu retten. Nach der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit will er jetzt mithilfe seines Anwalts versuchen, den Untersuchungsbericht der Universität Bayreuth unter Verschluss zu halten. – Am Telefon ist der Medienrechtler und Publizist Butz Peters. Schönen guten Morgen!

    Butz Peters: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Peters, können Sie verstehen, warum Herr zu Guttenberg den Bericht geheim halten möchte?

    Peters: Also wenn man sieht, was in der Zwischenzeit herausgekommen ist, die "FAZ" hat geschrieben, dass er auf über 70 Prozent der Seiten abgekupfert hätte, oder in den Guttenplag reinguckt, wo gemeldet werden kann, wenn man den Verdacht hat, was dort abgeschrieben werden kann, da sind jetzt ausgemacht worden 1218 Plagiatsfragmente aus 135 Quellen auf insgesamt 393 Seiten, also wenn man dieses sieht, bewiesen ist das ja noch nicht richtig hart, aber der Bericht der Uni wäre der Beweis wohl dafür, in welchem Umfang er dort sich am fremden Eigentum anderer Menschen bedient hat, ohne das auszuweisen, also nicht nur unwissenschaftlich, sondern man kann auch sagen unseriös, hochgradig unseriös gearbeitet hat. Ich denke, um es bildhaft auszudrücken, es wäre oder es ist der Beleg dafür, dass ein Hochseilartist sich übernommen hat und vom Seil in die Manege gestürzt ist und am Boden liegt und man nur fragen kann, wieso, wieso bitte hat er dies getan, der einstige politische Hoffnungsträger, warum.

    Armbrüster: Hat er denn ein Recht darauf, dass der Bericht geheim bleibt?

    Peters: Da kann man im Einzelfall immer drüber streiten. Wir haben ja auf der einen Seite das Persönlichkeitsrecht, sein Persönlichkeitsrecht, das sich aus der Verfassung wie bei jedem anderen Menschen auch ergibt, und auf der anderen Seite das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das legitime, und da wägen die Persönlichkeitsrechtler, auch die ganzen Presserechtler immer ab: auf der einen Seite das Interesse an der Geheimhaltung, auf der anderen Seite das Interesse der Öffentlichkeit. Und da kann man als ganz grobe Richtschnur sagen: Wenn jemand im Lichte der Öffentlichkeit, im Lichte der Scheinwerfer wie im Fall Guttenberg vor einem Millionenpublikum etwas erklärt, nämlich dass er unschuldig sei, und anschließend der Beweis geführt wird, oder ziemlich deutlich jedenfalls dieses widerlegt wird, dass es dann natürlich ein öffentliches Interesse daran gibt, denn man kann, ganz einfach gesprochen, nicht sagen, in guten Zeiten möchte ich gerne im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehen, im Rampenlicht, und anschließend, wenn es mir schlecht geht, oder wenn aufgezeigt wird, dass ich gelogen habe, dann bitte keine Öffentlichkeit mehr. Und ich darf daran erinnern: Am Tag eins sozusagen, das war der 16. Februar, da hatte ja die "Süddeutsche Zeitung" zum ersten Mal davon berichtet, sagte Karl-Theodor Graf zu Guttenberg, Freiherr zu Guttenberg, der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus und er wäre gerne bereit, auch bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten, dass vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten, und würde dies bei einer Auflage berücksichtigen. Und nun scheint es, wie man hört, den Beweis der Uni zu geben, dass es nicht um einzelne Fußnoten geht, sondern um große Flächen, dass er also großflächig sich an fremden Federn vergriffen hat und damit geschmückt hat.

    Armbrüster: Herr Peters, wer wird denn letztendlich darüber entscheiden, ob dieser Bericht öffentlich gemacht wird oder nicht?

    Peters: Das wird, denke ich, die Universität entscheiden. Es gibt ja Zeichen aus Bayreuth, dass man auf jeden Fall veröffentlichen will.

    Armbrüster: Und dagegen könnte zu Guttenberg aber klagen?

    Peters: Es ist denkbar, dass er beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung beantragt. In einer Eilsache würden die Richter das dann prüfen. Wie das ausgeht, vermag ich nicht zu prognostizieren, das wäre Kaffeesatzleserei. Aber es könnte sehr gut sein, dass aufgrund der Rechtsgrundsätze, die ich eben geschildert habe, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland, also vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesverwaltungsgericht entsprechend, dass das Gericht sagt, nein, ein solcher Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg, und dass man dann sagt, nein, wir weisen den Antrag zurück, dass veröffentlicht werden kann, denn es wäre ja grotesk, wenn die Wahrheit ans Tageslicht käme und dann auch noch verhindert werden kann bei einer solch Aufsehen erregenden Angelegenheit, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Und der entscheidende Punkt – und das macht die Plagiate von Herrn Guttenberg, macht bei denen einen riesengroßen Unterschied zu vielen anderen kleinen Plagiaten, die stattgefunden haben -, bei ihm hat sich ja alles abgespielt im Lichte der Öffentlichkeit. Ich darf daran erinnern, dass er am 18. Februar, also am Tag drei, nachdem die "Süddeutsche" berichtet hatte, was dort wohl passiert ist in seiner Doktorarbeit, im Bendlerblock, also im Berliner Sitz des Bundesverteidigungsministeriums, vor die Presse getreten ist und dort mit dem ganzen Apparat auch des Verteidigungsministeriums als Bundesverteidigungsminister diese Erklärung abgegeben hat. Also das kann man nicht damit vergleichen, als wenn – lassen Sie es mich bildhaft ausdrücken – ein kleiner Archivar, weil er nicht akademisch da hingekommen ist, wo er hinkommen wollte, sich einen Doktortitel erschwindelt hat und diesen in seinem Archiv neben seinen Regalen geführt hat.

    Armbrüster: Wir bekommen jetzt seit gestern Informationen darüber, mehrere Zeitungen und Internetportale schreiben das, dass einer oder auch mehrere Geschädigte, also Leute, von denen Herr zu Guttenberg kopiert hat, Anzeige gegen ihn erstatten, oder möglicherweise auch schon eine Anzeige erstattet haben bei der Polizei, oder eine Anzeige vorbereiten. Wie würde sich durch eine solche Anzeige gegen Karl-Theodor zu Guttenberg seine Lage ändern?

    Peters: Das ist natürlich ein grundlegender Wandel, denn es ist so: Es handelt sich um ein sogenanntes Antragsdelikt bei der Verletzung von Urheberrechten. Das ist der § 106 des Urhebergesetzes. Das heißt, entweder erstattet eines der Opfer Anzeige – Anzeige ist untechnisch gesprochen, genau genommen ist es ein Strafantrag, also man sagt, ich möchte, dass dieses Handeln als Straftat verfolgt wird -, oder aber der Staatsanwalt betont ein – und das ist jetzt wichtig – besonderes öffentliches Interesse, ein besonderes öffentliches Interesse, also nicht das normale öffentliche Interesse, und da ist die Staatsanwaltschaft wohl sehr zögerlich, sie prüft seit vielen, vielen Wochen und der Spiegel hat ja jetzt in der neuen Ausgabe berichtet, dass man darüber noch keine Entscheidung getroffen hätte, ob das besondere öffentliche Interesse vorliegt. Und wenn es nicht vorliegen würde, müsste die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einführen. Aber dann muss man sehen, da gibt es ja Regularien für das Handeln der Staatsanwaltschaft. Das sind die sogenannten RistBV, die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren der deutschen Justizminister. Das sind so Verwaltungsvorschriften, damit nicht die Staatsanwaltschaft A Hü sagt und die Staatsanwaltschaft B Hott, also vereinheitlicht, und da heißt es, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bei der Verletzung des geistigen Eigentums – und darum geht es bei dem Straftatbestand der unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke -, also dass bei der Verletzung des geistigen Eigentums in der Regel das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen sein wird, wenn eine nicht nur geringfügige Schutzrechtsverletzung vorliegt. Und wenn man sich jetzt anguckt, in welchem großen Umfang Teile aus der Arbeit von zu Guttenberg aus anderen Werken stammen – man muss nur die Texte nebeneinanderlegen -, dann kann man nicht sagen, dass dort eine geringfügige Schutzrechtsverletzung vorliegt, das ist auch kein Singular, sondern das ist ein Plural, es gibt hier eine Fülle von Schutzrechtsverletzungen, mit Sicherheit ist der Verdacht begründet, so wie sich im Augenblick der Sachverhalt darstellt, dass es weit über ein Dutzend derartiger Schutzrechtsverletzungen gibt.

    Armbrüster: Herr Peters, ich muss ein bisschen auf die Uhr gucken. Ganz kurz zum Schluss. Mit welchen weiteren juristischen Konsequenzen muss Herr zu Guttenberg möglicherweise rechnen?

    Peters: Der Doktortitel ist weg. Das heißt, die Uni wird jetzt den Bericht vorlegen. Dort wird man sehen, in welchem Umfang er abgeschrieben hat. Das wird keine weiteren juristischen Konsequenzen haben, so wie sich das darstellt. Und dann muss der Staatsanwalt halt entscheiden, wie er in diesem Fall vorgeht. Sollte er das besondere öffentliche Interesse verneinen, wäre es natürlich furchtbar schrecklich für den Wissenschaftsstandort Deutschland, denn wie will man noch junge Menschen, die jungen Akademiker in einer Zeit des Internets, wo man Copy & Paste ohne Ende machen kann, wie will man die zum ordentlichen Arbeiten erziehen, wenn sie immer sagen können, selbst der Bundesverteidigungsminister hat im großen Stil abgekupfert und der Staatsanwalt hat gesagt, daran gibt es kein besonderes öffentliches Interesse der Gesellschaft, dass so jemand zur Verantwortung gezogen wird.

    Armbrüster: Hier bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der Medienrechtler und Publizist Butz Peters zur Sache, zur Gerichtssache oder zur weitergehenden Plagiatsaffäre rund um Karl-Theodor zu Guttenberg. Besten Dank, Herr Peters, für das Gespräch.

    Peters: Gerne, Herr Armbrüster.