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Allgemeinmediziner
Hausarzt - vielfältiger als vermutet

Der Hausarztberuf, also die Spezialisierung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, ist bei vielen Studenten unbeliebt. Dabei entsprechen einige Kritikpunkte gar nicht der Realität. Im Gegenteil: Der Hausarztberuf hat gegenüber anderen Fachärzten Vorteile.

Von Christina Sartori | 21.07.2015
    Ein Hausarzt sitzt in seinem Beratungszimmer vor einem Computer
    Der Beruf des Hausarztes bietet unter anderem eine engere Patientenbindung sowie eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf. (dpa / picture alliance / Klaus Rose)
    Doktor Wolfgang Kreischer ist Hausarzt in Berlin, seit über 30 Jahren. Würde er einem Medizinstudenten heute dazu raten, Hausarzt zu werden?
    "Unbedingt! Ich denke, es ist der Beruf oder die Fachrichtung mit dem größten Spektrum und ich hab das Gefühl, dass ich manchmal Teil der Familien bin, weil: Ich kenn die Familien sehr lange, ich kenn die Kinder, ich kenn die Enkelkinder und ich werd praktisch bei jeder Frage, die sich auftut, konsultiert. Gerade auch so die Fragen in Richtung Psychosomatik und allgemeine Lebensführung."
    Keinesfalls langweilige Routine
    Trotzdem haben nur wenige Medizinstudenten das Ziel, sich später als Hausarzt niederzulassen. Sie verbinden mit dem Beruf des Hausarztes Husten, Schnupfen und andere Zipperlein, tagein tagaus - langweilige Routine, keine medizinischen Herausforderungen. Ein Vorurteil, findet Wolfgang Kreischer:
    "Naja, das ist ein bisschen arrogant bzw. zeugt von Unkenntnis. Natürlich gibt es Patienten mit Schnupfen und mit Husten in der Praxis, aber es gibt auch ganz exotische Fälle, die sonst ein Arzt nicht sieht."
    Genauso sehen es auch die Hausärzte, die Professor Wolfgang Himmel von der Universität Göttingen befragt hat. Sie alle arbeiten auf dem Land – auch das ein eher unbeliebtes Berufsmerkmal bei Studierenden. Dabei ist gerade hier die Vielseitigkeit des Hausarztes gefordert. Wolfgang Himmel zitiert einen Landarzt:
    "Gerade hier auf dem Dorf in der Praxis siehst du alles, die kommen selbst mit abgeschnittenen fingern hier rein und sagen: Erst mal gucken wir hier, ne? Lass´ dir mal was einfallen. Und das ist eigentlich das, was es spannend macht. In der Stadt siehst du das vielleicht nicht so häufig. Aber hier auf dem Dorf: Da siehst du alles."
    Vorteile des Landarztlebens
    Wolfgang Himmel ist überrascht, wie positiv die Landärzte ihren Beruf sehen. Denn unter Medizinstudenten ist er nicht sehr beliebt. Auch, weil sie damit ständige Einsatzbereitschaft und wenig Freizeit verbinden. Zu Unrecht, wie die Befragten berichten:
    "Fast alle haben mehr oder minder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Tätigkeit als niedergelassener Hausarzt auf dem Land recht gut sich mit Familienleben, mit Privatleben verbinden lässt. Ja es war sogar so, dass man das Gefühl hatte, es ist ein deutlich entspannteres Leben mit den Kindern auf dem Land möglich."
    Das mag daran liegen, dass sich die Strukturen für selbstständige Ärzte geändert haben in den vergangenen Jahren, erklärt Hausarzt Wolfgang Kreischer:
    "Wir haben heute viel mehr Kooperationsformen wie früher. Es wird auch, hoffentlich, diese hausärztlichen Versorgungszentren geben, es werden mehr Ärzte in die Anstellung wollen, besonders die Ärztinnen. Ich denke, dass durch diese neuen Modelle: Gemeinschaftspraxis, Berufsausübungsgemeinschaft und medizinische Versorgungszentren, dass da die kollegiale Zusammenarbeit gefördert wird und man eine gute Balance zwischen Arbeitswelt und Privatleben finden kann."
    Mehr Präsenz an den Unis gefordert
    Auch mit der finanziellen Situation sind die befragten Landärzte prinzipiell zufrieden. Wie kommt es dann, dass unter Medizinstudenten der Hausarzt, erst recht der Hausarzt auf dem Land, so einen schlechten Ruf hat? Durch die Unwissenheit, meint Wolfgang Kreischer, der auch Vorsitzender des deutschen Hausärzteverbandes Berlin –Brandenburg ist.
    "Die Allgemeinmedizin müsste natürlich in der Lehre und in der Forschung auch an der Uni mehr präsent sein. Also, wir bräuchten definitiv in jedem Bundesland Lehrstühle für Allgemeinmedizin."
    Damit Studenten aus erster Hand erfahren, wie der Alltag eines Allgemeinmediziners, eines Hausarztes, wirklich aussieht. Denn anscheinend gilt auch bezüglich des Haus und Landarztes: Vorurteile entstehen dort, wo es wenig Erfahrung gibt.