Sonntag, 28. April 2024

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Alpenschutz
Mehr Sensibilität bei Bauvorhaben

In Bonn treffen sich zurzeit die Umweltminister deutschsprachiger Länder. Der Schutz der Alpen ist dort ein zentrales Thema. Claire Simon, Geschäftsführerin der Alpenschutzorganisation CIPRA sagte im Deutschlandfunk, welche Forderungen sie an die Politiker hat.

Claire Simon im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 28.03.2014
    Ein Segelboot fährt am 11.10.2013 vor Meersburg (Baden-Württemberg) kurz vor Sonnenuntergang auf dem Bodensee, während im Hintergrund die Schweizer Alpen zu sehen sind
    Alpenpanorama am Bodensee: Die CIPRA sorgt sich um den natürlichen Lebensraum im Gebirge. (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    Susanne Kuhlmann: Saubere Luft, Endlagersuche für radioaktive Abfälle in Grenznähe, Klimawandel – bei der Konferenz der vier deutschsprachigen Umweltminister gestern und heute auf dem Petersberg bei Bonn war ein Strauß unterschiedlichster Themen abzuarbeiten. All diese Fragen und Probleme drängen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Dass sie sich zusammen besser lösen lassen, zeigt seit mehr als 60 Jahren die Internationale Alpenschutzkonvention Cipra, denn die Alpen sind ein weiteres wichtiges gemeinsames Thema. Cipra ist eine unabhängige Dachorganisation mit internationaler Geschäftsstelle in Liechtenstein, und am Telefon dort ist Claire Simon, die Geschäftsführerin. Guten Tag.
    Claire Simon: Guten Tag!
    Kuhlmann: Sagen Sie kurz, womit sich Cipra befasst?
    Simon: Das Motto der Cipra ist Leben in den Alpen. Sehr wichtig ist für uns, auf die Lebensqualität für Mensch und Natur zu schauen, damit sie gleich bleibt wie heute oder besser wird, und dies alpenweit in allen Alpenländern. Die Cipra hat einen Überblick, was in den Alpen überhaupt passiert, sowohl die Probleme, aber auch positive Initiativen, die zu einer Nachhaltigkeit beitragen können.
    Kuhlmann: Die Alpen sind ja ein großes Gebiet, teils dicht besiedelt, teils aber auch halb verlassen. Folglich sind die Probleme von Tal zu Tal andere?
    Simon: Ja, ganz genau. Es gibt Täler in Frankreich, Italien, wo die Gemeinden damit zu kämpfen haben, dass die Bevölkerung wegzieht. Es gibt andere Regionen wie hier das Rheintal, wo die Cipra angesiedelt ist, das Alpenrheintal, wo man eher schauen muss, dass es überhaupt noch Platz für die Natur gibt. Gleichzeitig sind verschiedene Situationen auch verbunden und deshalb braucht es eine alpenweite Zusammenarbeit.
    Kuhlmann: Ziel von Cipra ist es, Sie sagten es ja eben, die Alpen als Lebensraum zu erhalten, das Leben in den Alpen, und hier kommt der Begriff Nachhaltigkeit ins Spiel. Was heißt das denn ganz konkret, wenn es um Straßen, Bahnlinien, um neue öffentliche Gebäude oder auch um Großereignisse geht?
    Simon: Zuerst ist es uns wichtig, dass Nachhaltigkeit nicht nebenbei abläuft, neben allen anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Nachhaltigkeit muss im Kern sein und so müssen auch bei jedem Projekt, sei es dem Bauen von einer Bahnlinie oder von einer Schule, ein Großereignis, die Kriterien der Nachhaltigkeit zur Geltung kommen. Ich nehme ein Beispiel, das ich gerade neulich gehört habe. Es gab eine Gemeinde, die einen Eisring bauen wollte. Der ursprüngliche Plan war eine ziemliche Großinfrastruktur für 42 Millionen Franken. Sie haben dieses Vorhaben mit den Kriterien der Nachhaltigkeit geprüft und schlussendlich kam dabei ein Projekt heraus für 12 Millionen Franken mit viel weniger Eingriff in die Natur, und dabei waren die Menschen genauso glücklich wie mit der anderen Lösung.
    "Erneuerbare Energien greifen sehr stark in die Natur und Landschaft ein"
    Kuhlmann: Stellen Sie fest, dass es den politischen Willen in den Ländern gibt, Projekte so zu gestalten, dass sie auch zu einem so empfindlichen Ökosystem passen?
    Simon: Ich würde jetzt ein bisschen provokativ sagen, nein, den Willen gibt es nicht. Es gibt zwar einzelne Bemühungen, aber die reichen nicht. Nachhaltigkeit muss Sache der Exekutive sein, die muss im Zentrum der Politik sein. In den Alpen haben wir ja eine Alpenkonvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zur nachhaltigen Entwicklung der Alpen, aber es reicht nicht, einfach eine Alpenkonvention zu haben, damit Nachhaltigkeit passiert. Es braucht auch Geld und es braucht die passenden Instrumente, und die werden von der Politik nicht zur Verfügung gestellt.
    Kuhlmann: Werfen wir mal einen Blick in die Natur. Wie haben sich denn in der letzten zeit die natürlichen Lebensgemeinschaften entwickelt, die Alpenflora, die Fauna? Wie geht es den Pflanzen und Tieren?
    Simon: Die Tiere und Pflanzen sind in den Alpen ganz klar unter Druck. Sie brauchen viel Platz, auch zum Beispiel zum Migrieren, zum wandern. Das Beispiel Alpenrheintal ist ein sehr wichtiger Migrationsraum, gleichzeitig ein extrem besiedelter Raum, genauso wie viele Großstädte. Wenn die Tiere und Pflanzen von einem Ort zum anderen wandern wollen und auf dem Weg ein Fußballstadion oder ein Industriegebiet finden, können sie es nicht schaffen und können nicht überleben. Es braucht deshalb eine Raumplanung, die Platz für Natur schafft, und dies auch zugunsten der Menschen, die im Rheintal wohnen oder in anderen dicht besiedelten Räumen.
    Kuhlmann: Und ganz kurz noch zum Schluss: Das kollidiert aber unter Umständen mit Plänen, zum Beispiel erneuerbare Energien auszubauen, Wasserspeicher zu bauen und Ähnliches.
    Simon: Ja, erneuerbare Energien greifen sehr stark in die Natur und Landschaft ein. Der steigende Bedarf würde zu einer Energielandschaft führen, wenn man nur auf Produktion setzt. Deshalb denken wir, dass die Wende, die Energiewende eine Wende von der Produktion zum Sparen sein muss. Sparen muss als erste Priorität sein und was noch gebraucht wird, kann dann erneuerbar produziert werden.
    Kuhlmann: Zur Konferenz der deutschsprachigen Umweltminister heute in Bonn ein Gespräch über das verbindende Gebirge. Vielen Dank an Claire Simon von der Internationalen Alpenschutzkonvention Cipra.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.