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"Als Pianist muss man Robert Schumann einfach lieben"

Poet, Musikpädagoge für Kinder, Avantgardist - Robert Schumann war in gewisser Weise seiner Zeit voraus - ein "romantischer Realist", sagt Pianist Tobias Koch, der mit dem Deutschlandfunk die Klaviermusik für die Jugend eingespielt hat.

08.06.2010
    Jasper Barenberg: Heute vor 200 Jahren wurde er in Zwickau geboren – Robert Schumann. Als Inbegriff des romantischen Komponisten gilt er, aber auch als Komponist der Kindheit schlechthin. Seine Klaviermusik für die Jugend ist gerade auf einer CD erschienen, darunter das bekannte "Album für die Jugend", aber auch einige bisher unbekannte Stücke. Eingespielt hat sie der Pianist Tobias Koch, den ich jetzt im Studio begrüße. Einen schönen guten Morgen!

    Tobias Koch: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Koch, Sie beschäftigen sich viel mit der Musik, mit dem Leben von Robert Schumann, haben das getan, tun das weiterhin. Woher diese Leidenschaft ausgerechnet für Robert Schumann und seine Musik?

    Koch: Ach, es ist eigentlich ganz einfach: Als Pianist muss man Robert Schumann einfach lieben. Also, er hat so wunderbare Klaviermusik geschrieben, von Beginn bis zum Ende seines Lebens, also, quasi sein erstes und sein letztes Opus sind beides Klavierstücke, und in dieser Zeitspanne von weit über 30 Jahren liegen so viele Schätze, dass man also als Pianist nur ganz glücklich sein kann. Abgesehen davon bewundere ich ihn natürlich unglaublich, weil er ein wahnsinnig kreativer Mensch gewesen ist, ein Mensch, der überall die Inspiration gesucht hatte, vor allem auch in seinem eigenen Leben, was ich sehr interessant finde, und dabei muss man sagen: Sein Leben war alles andere als einfach.

    Barenberg: Wir leben ja in relativ nüchternen Zeiten, in einem Zeitalter der Ernüchterung, könnte man fast sagen. Es gibt wohl kaum einen größeren Gegensatz zu der Botschaft von Romantik, der Zeit der Romantik. Worin liegt für Sie denn die romantische Botschaft in der Musik von Robert Schumann?

    Koch: Ja, gut, bei der Romantik denkt man natürlich dann immer an die "Träumerei", die man zurückgelehnt im Sessel genießt mit einem Glas Rotwein dabei. Aber eigentlich – ich habe ein bisschen anderes Bild vom Romantiker Robert Schumann: Ich halte ihn nämlich für einen romantischen Realisten, also einen Menschen, der sehr genau nach rechts und links geguckt hat, der wahnsinnig viele Anregungen sich geholt hat, der sich nicht gescheut hat, auch merkantile Aspekte seines Komponistendaseins wirklich in den Vordergrund zu stellen und das alles zusammen, ... ja, Novalis, der Philosoph, hat gesagt, man soll im Endlichen das Unendliche suchen, und, ja, das sind Dinge, denke ich, die man auch auf die heutige Zeit gut anwenden kann. Also, die Frage ist einfach natürlich: Wie viel Romantik verträgt die Gegenwart heute? Und da muss ich eigentlich sagen: Ich bin kein Romantiker, aber die Romantik ist natürlich trotzdem da.

    Barenberg: Der Autor und Philosoph Rüdiger Safranski hat vor einigen Jahren ja ein Buch über die Zeit der Romantik geschrieben und er hat damals den Unterschied zwischen heute und damals so erklärt: Die Romantiker meinten, noch etwas vor sich zu haben, während wir heute glauben, alles schon hinter uns zu haben. Also, ich paraphrasiere jetzt sinngemäß. Trifft das auch auf die Musik von Robert Schumann zu, dass man auf etwas hoffen kann, dass es so eine positive Grundstimmung gibt, in die Zukunft gerichtet?

    Koch: Ja, das glaube ich absolut. Also, Schumanns Musik ist auch wahnsinnig avantgardistisch, also, man muss sie ja aus seiner Zeit sehen, das ist die Zeit 1830, 1840, 1850, wo sehr viel Durchschnittsware auch komponiert wurde. Und Schumann hat sich da unglaublich von abgesetzt, also, er hat wirklich nach vorne geguckt und ich glaube, das ist auch der Grund, warum ihn heute viele Komponisten gerade auch so gerne haben und ihn auch paraphrasieren und immer wieder auf seine Werke zurückkommen. Das ist bei anderen Komponisten ja ganz anders.

    Barenberg: In Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk haben Sie Klaviermusik für die Jugend eingespielt. In dem Begleittext gibt es ein Zitat von Robert Schumann: "Ich wüsste nicht, wann ich mich je in so guter musikalischer Laune befunden hätte, als da ich die Stücke schrieb", und Sie antworten in Ihrem Text darauf, indem Sie sagen, Sie könnten sich nicht entsinnen, wann Sie selbst je in so guter musikalischer Laune gewesen seien als zu der Zeit, als Sie diese Musik eingespielt haben. Wie kommt das? Wie kommt diese gute Laune?

    Koch: Wir haben ja das "Album für die Jugend" eingespielt, und das sind natürlich Werke für Kinder oder für Jüngere, für Erwachsenere dann auch im zweiten Teil. Und es sind alles kleine Meisterwerke, es passiert unglaublich viel auf unglaublich kleinem Rahmen, was ich auch bei Schumann schätze, also, so diese Skizzenhaftigkeit, diese Bruchstückhaftigkeit, die trotzdem immer zu einem wunderbar guten Ende findet mit einer klaren Aussage. Und insofern habe ich mich wirklich sehr, sehr wohl gefühlt, diese Musik aus dem "Album für die Jugend" ist ja in gewisser Weise naive Musik, aber naiv wirklich im allerbesten Sinne, also unverstellt, unvoreingenommen, ganz wunderbare Charakterstücke.

    Barenberg: Aus dem angesprochenen "Album für die Jugend" wollen wir uns ein kurzes Stück anhören. Viele, die einmal Klavierunterricht gehabt haben, mögen sich daran erinnern, werden es kennen, der Titel: "Fröhlicher Landmann".

    Koch: Am "Fröhlichen Landmann" kommt man nicht vorbei, interessanterweise hat es bei mir wirklich bis in mein 41. Lebensjahr gedauert, bis ich dieses quasi mythische, pädagogische Stück studiert habe. Aber was mich vor allem daran fasziniert hat, war die Geschichte, die dahintersteckt. Also, Schumann spricht ja so oft von der Poesie in der Musik, Poesie und Musik gehörten ja für ihn ganz, ganz eng zusammen, er hat ja auch da diese unglaubliche Doppelbegabung, und es gibt im Titelblatt des Erstdrucks dieses "Album für die Jugend" eine wunderbare Illustration zu dem "Fröhlichen Landmann": Da sieht man einen älteren Herrn mit einer Sense geschultert, hält einen Jungen an der Hand und im Hintergrund raucht schon der Schlot des Hauses, also, er kommt wirklich von der Arbeit zurück, so heißt übrigens auch der korrekte Titel, "Der fröhliche Landmann, von der Arbeit zurückkehrend". Und diese Stimmung hat Robert Schumann da sehr kindgerecht eingefangen und zugleich auch so objektiv, dass ich als 41-Jähriger es auch sehr, sehr gut verstehen kann.

    Barenberg: Es scheint ja etwas Besonderes gewesen zu sein, dieses "Album für die Jugend", auch für die damalige Zeit, ein Heft mit Stücken für Lernende, für das Klavierspielen. Nun heißt es über Robert Schumann und Clara Schumann, seine Frau, dass sie mit Argusaugen verfolgt hätten, wie sich ihre acht Kinder entwickeln. Steckt dahinter die Pädagogik, aus kleinen Kindern schon sehr tüchtige Erwachsene, sehr tüchtige Musiker zu machen?

    Koch: Ich denke, es steckt dahinter einfach, den Horizont zu erweitern, die Augen und die Ohren zu öffnen, eigentlich genau das, was ich mir heute auch wünsche, was ich jedem Kind wünsche und vor allem auch jedem Erwachsenen. Clara Schumann war sehr unzufrieden mit der Klavierpädagogik ihrer Zeit, also, es gab da wohl nichts Adäquates, nichts Brauchbares. Das war eher so Durchschnittsware, und daraufhin hat sich Robert Schumann eben anlässlich des siebten Geburtstages seiner ältesten Tochter hingesetzt und hat angefangen, ein Geburtstagsalbum für Marie, also für diese Tochter, zu schreiben. Und daraus ist dann das "Album für die Jugend" entstanden, mit all diesen berühmten Stücken, also "Wilder Reiter", "Fröhlicher Landmann", "Erster Verlust" und so weiter und so fort.

    Barenberg: Der Pianist Tobias Koch über Leben und Werk von Robert Schumann, der heute vor 200 Jahren geboren wurde. Und Tobias Koch können Sie wieder hören im Deutschlandfunk am Klavier und im Gespräch über Robert Schumann heute Abend in unserer Sendung "Musikforum" von 21:05 Uhr bis 22:50 Uhr. Für den Moment: Danke für den Besuch, Tobias Koch!

    Koch: Sehr gerne, auf Wiedersehen!

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