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Alt ohne Altern
Das Drehen an der Lebensuhr hat begonnen

Wissenschaftler haben dem Altern den Kampf angesagt. In Kalifornien wurden neun Männer angeblich verjüngt: Nach einem Jahr Behandlung hatte sich ihre Lebensuhr um 1,5 Jahre zurückgedreht. Immer mehr Therapien aus der Alternsforschung versprechen Jugend auf Rezept. Ist das der Durchbruch?

Von Michael Lange und Lennart Pyritz | 01.01.2020
Eine Sanduhr. Das obere Glas ist noch halb voll.
Eine Sanduhr lässt sich leicht auf den Kopf stellen. Der Prozess des biologischen Alterns auch? (picture alliance / dpa )
Biologisches Altern ist mehr als nur Verschleiß von Zellen und Geweben. Anders als bei einem Auto oder einer Maschine tickt im Innern jedes menschlichen Körpers unbarmherzig eine Altersuhr, die irgendwann sagt: Jetzt ist Schluss. Wissenschaftler haben herausgefunden, wie sich diese Altersuhr ablesen lässt, jetzt wollen sie daran drehen.
Der deutschstämmige Genetiker und Bioinformatiker Steve Horvath von der Universität von Kalifornien in Los Angeles hat 2013 entdeckt, wie sich die Erbsubstanz DNA mit dem Alter verändert. So lässt sich das biologische Alter des Menschen auf drei bis fünf Jahr genau bestimmen.
Horvath-Uhr zeigt das biologische Alter an
Diese Horvath-Uhr ist für die Alternsforschung eine kleine Revolution. Was auch immer Wissenschaftler testen an Methoden und Substanzen: Sie müssen nicht mehr warten, bis Versuchspersonen altern oder sterben. Sie können schon nach kurzer Zeit mit der Horvath-Uhr ablesen, in welche Richtung die "Zeiger" gewandert sind. So geschehen in Kalifornien, wo neun Männer mit einem Hormon-Metformin-Cocktail behandelt wurden. Tatsächlich lief ihre Lebensuhr rückwärts. Angeblich berichteten die Männer auch von anderen Zeichen einer Verjüngung: mehr Kraft, weniger graue Haare. In der Publikation ist davon allerdings nicht die Rede.
"Verjüngungs-Cocktail" - Studie von 2019

Im September 2019 veröffentlichte ein Team um Steve Horvath eine Studie, der zufolge neun ältere Männer innerhalb eines Jahres um durchschnittlich 1,5 Jahre jünger geworden sind. Sie hatten einen Wirkstoffcocktail aus drei Substanzen erhalten: das Wachstumshormon hGH, das Hormon DHEA und das Diabetesmedikament Metformin.
In vielen Laboren experimentieren Forscher mit Wirkstoffen, die in das Räderwerk der Lebensuhr eingreifen und somit das Altern an der Wurzel packen sollen. Verschiedene Substanzen verlangsamen den natürlichen Alterungsprozess und versprechen nicht nur ein längeres Leben, sondern auch bessere Gesundheit im Alter. Die ersten klinischen Studien haben begonnen, und – wen wundert’s – die Nachfrage nach dem Jungbrunnen auf Rezept ist groß.
Blut als Jungbrunnen? Therapieversuche seit 2017
2017 wurden in Kalifornien 18 Personen mit Alzheimer-Symptomen mit einer Bluttransfusion behandelt. Sie erhielten Blut von jungen Freiwilligen. Daraufhin verbesserte sich der Gesundheitszustand einiger Patienten. 2019 startete eine Phase II-Studie, bei der die Wirksamkeit der Therapie überprüft werden soll. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Aber nicht alles, was Mäuse verjüngt, funktioniert auch beim Menschen. Der Kölner Alternsforscher Björn Schumacher warnt davor, jede Idee möglichst schnell in die klinische Praxis zu übertragen. Wichtig sei es, die Grundlagen des Alterns besser zu verstehen. Zahlreiche Risiken und Langzeitfolgen lassen sich heute noch nicht abschätzen. Hoffnungen setzt er in eine Phase III-Studie mit einem Diabetesmedikament, deren Ergebnisse ebenfalls noch ausstehen.
Eine Person hält eine Pille des Medikaments Metformin in der Hand
Ob das Diabetesmedikament Metformin auch als Anti-Aging-Mittel taugt, wird derzeit intensiv erforscht (imago images / Dean Pictures)
Kann Metformin das Altern bremsen?

Derzeit läuft eine große klinische Studie mit dem Namen TAME (Targeting Ageing with Metformin). Metformin ist ein weit verbreitetes Diabetesmedikament mit wenigen Nebenwirkungen – aber unklarer Wirkungsweise. In der laufenden Studie wird an mehr als 3.000 Probanden getestet, ob diese Substanz gegen das Altern wirkt.
Aktiv und optimistisch bleiben hält jung
Verjüngung ist auch ohne Medikamente möglich. Gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung verlangsamen den natürlichen Alterungsprozess. Auch die innere Einstellung eines Menschen spielt eine Rolle, sagt die Psychologin Susanne Wurm, die an der Universität Greifwald erforscht, wie sich persönliche Altersbilder auf die Gesundheit auswirken. Wer positiv aufs Altern blickt, so das Ergebnis einer Studie, bleibt messbar länger gesund und wird älter.