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Alternativentwurf zur Organspende
Spendenbereitschaft verbessern, "Widerspruchslösung" verhindern

Eine bewusste Entscheidung zur Organspende statt der Widerspruchslösung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Die Unterstützerinnen des Gegenentwurfs zu Spahns Vorschlag wollen, dass etwa bei Ausweisausstellungen nach der Spendenbereitschaft gefragt wird. Entscheiden müsste man sich dann aber nicht.

Von Gudula Geuther | 06.05.2019
Organspendeausweis in einem Portemonnaie mit Bundesadler
Hoch umstritten: Organspende nur mit Organspendeausweis? (dpa/picture alliance/Bildagentur-online)
Um eine bewusste und freiwillige Entscheidung jedes einzelnen geht es den Befürworterinnen des zweiten Entwurfs zur Organspende. Angesichts von 10.000 Menschen, die in Deutschland auf ein Spenderorgan warten, will auch dieser Entwurf die Spendenbereitschaft verbessern. Gleichzeitig sagt die Linken-Vorsitzende Katja Kipping ganz offen: Sinn des Entwurfes ist es auch zu verhindern, dass der andere Vorschlag Gesetz wird." Der stammt unter anderem vom CDU-Abgeordneten Jens Spahn, der auch Gesundheitsminister ist und sieht eine so genannte doppelte Widerspruchslösung vor.
Katja Kipping fasst den Unterschied so zusammen: "Wir wollen, dass sich möglichst viele Menschen bewusst für ein Ja zur Organspende entscheiden. Jens Spahn möchte, dass sich möglichst wenige bewusst für ein Nein entscheiden und will Schweigen als Zustimmung werten. Und damit möglichst viele Schweigen, errichtet der Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn auch entsprechende Hürden für ein bewusstes Nein."
Schweigen als Willenserklärung?
Die Ablehnung des Spahn-Vorschlages eint die Politikerinnen über Parteigrenzen hinweg. Auch die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus zeigt sich empört: "Bei der Datenschutz-Grundverordnung müssen Sie für jedes heruntergeladene Bild eine Unterschrift haben, und müssen bestätigen, dass man das darf. Und bei den eigenen Organen, da wird Schweigen als Willenserklärung gewertet – also das ist nicht das Menschenbild, das wir haben."
Spahn selbst rechtfertigt seinen Vorschlag so: "Wenn man begründungsfrei widersprechen kann, ist das keine Pflicht. Aber es ist eine Pflicht, sich damit zu beschäftigen." Das allerdings wollen auch die Frauen, die hinter dem neuen Entwurf stehen. Der sieht vor, dass immer, wenn ein Pass oder Personalausweis ausgestellt oder verlängert wird, nach der Spendenbereitschaft gefragt wird. Entscheiden muss sich der Gefragte aber nicht. Alle zwei Jahre soll der Hausarzt das Thema Organspende ansprechen. Wer will, kann seine Entscheidung jederzeit in ein online-Register eintragen.
Bewusstsein schaffen
Es gehe darum, das Thema im Bewusstsein zu halten, so die SPD-Politikerin Hilde Mattheis: "Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll Informationsmaterial entwickeln und es wird bei jeder Ausweisstelle, auch bei jeder Ausländerbehörde mehrsprachig aufgelegt. Der Hausarzt ist der nächste Baustein. Und das Info-Telefon, das es ja auch jetzt schon gibt bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der nächste Baustein." Die Voraussetzungen, auf diese Weise die Spendenbereitschaft zu erhöhen, halten die Befürworterinnen dieses Entwurfs für gut.
84 Prozent der Menschen in Deutschland sprächen sich für die Spende aus. Nur 36 Prozent hätten aber den Organspendeausweis, so die Grünen-Chefin Annalena Baerbock: "Das heißt, es mangelt in der Bevölkerung nicht an Solidarität, es mangelt auch nicht an Bereitschaft zu spenden. Sondern es mangelt daran, dass es wirklich einfach für die Menschen ist, als Organspenderin oder Organspender registriert zu werden." Noch vor der Sommerpause, so glauben die Befürworterinnen, würden beide Entwürfe im Bundestag eingebracht sein. Entscheiden sollen sich die Abgeordneten dann im Herbst – ohne Fraktionszwang.