Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Alterskrankheiten
Verjüngungskur mit Bakterien

Im Alter leiden viele Menschen an Alzheimer oder rheumatischer Arthritis. Auch Diabetes wird durch eine Insulinresistenz begünstigt. US-Forscher haben jetzt in Versuchen mit Mäusen und Affen gezeigt, dass sich diese Resistenz mit nützlichen Bakterien auch wieder rückgängig machen lässt.

Von Christine Westerhaus | 15.11.2018
    Eine Labormaus sitzt auf der behandschuhten Hand einer Wissenschaftlerin.
    Im Darm älterer Mäuse sind vermehrt Mikroben bemerkbar. (imago stock&people)
    Je älter wir werden, umso anfälliger werden wir für bestimmte Krankheiten. Der Grund dafür sind Veränderungen im Immunsystem. Und diese machen offenbar auch nützlichen Bakterien das Leben schwer – was sich wiederum negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Arya Biragyn vom National Institute on Ageing in Baltimore und seine Kollegen haben beobachtet, dass sich im Darm älterer Mäuse und Affen vermehrt Mikroben breitmachen, die Entzündungen hervorrufen. Nützliche Bakterien, wie beispielsweise Akkermansia municiphila, verschwinden dagegen.
    "Forscher aus Belgien und andere hatten schon vorher beobachtet, dass dieses nützliche Bakterium Akkermansia wichtig ist, um die Barriere des Darms aufrecht zu erhalten. Außerdem konnten sie zeigen, dass sich die Symptome von Typ II Diabetes verringern, wenn man Mäusen diese Bakterien verabreicht. Wir haben deshalb vermutet, dass das Verschwinden von nützlichen Mikroben wie Akkermansia Schuld daran ist, dass alte Mäuse und auch Makaken Insulin-resistent werden."
    Mikrobielle Verjüngungkur lässt Krankheitssymptome verschwinden
    Um das zu testen, verabreichten die Forscher alten Mäusen Akkermansia-Bakterien. Und das führte tatsächlich dazu, dass die Zellen der Tiere wieder empfindlich für Insulin wurden. Auch bei alten Makaken funktionierte diese mikrobielle Verjüngungskur: Die Symptome des Altersdiabetes verschwanden.
    Beim Menschen macht sich Akkermansia ebenfalls im Alter rar. Gleichzeitig haben Studien gezeigt, dass diese nützlichen Bakterien verhindern, dass die Darmwand für schädliche Stoffe durchlässig wird. Womöglich lässt sich also nicht nur der Altersdiabetes durch eine Mikroben-Kur lindern.
    "Vermutlich würde das auch bei anderen altersbedingten Krankheiten in ähnlicher Weise funktionieren. Die Frage ist aber: Wie wirken sich solche Bakterien-Behandlungen langfristig auf den Organismus aus? Es wird einen Grund geben, warum nützliche Bakterien im Alter verschwinden. Entweder weil das Immunsystem sie vertreibt oder weil die Mikroben im Darm gegeneinander kämpfen. Vielleicht bewirkt eine langfristige Behandlung mit nützlichen Keimen also das Gegenteil."
    Arya Biragyn ist aber überzeugt, dass die Mikroben in unserem Körper auch andere altersbedingte Krankheiten steuern. Verschwinden die nützlichen Bakterien, wird die Darmwand durchlässiger für bestimmte schädliche Stoffe. Und das führt zu Entzündungen im Körper. Entzündungen, wie sie auch für altersbedingte Krankheiten wie Alzheimer oder rheumatische Arthritis typisch sind.
    "In der letzten Zeit haben eine Menge Studien gezeigt, dass körpereigene Bakterien sehr viele Krankheiten beeinflussen. Sogar die Entstehung von Krebs und wir haben beispielsweise gesehen, dass der Erfolg von Tumorbehandlungen davon abhängt, welche Bakterien im Darm leben. Es liegt deshalb auf der Hand, dass die körpereigenen Bakterien besonders für die Gesundheit älterer Menschen eine sehr wichtige Rolle spielen."
    Unklarheiten über die Ursachen der Veränderungen im Darm
    Unklar ist bisher aber noch, ob sich die Zusammensetzung der Darmbakterien ändert, weil das Immunsystem bei älteren Menschen schlechter funktioniert. Oder ob ein veränderter Lebensstil im Alter die Bakteriengemeinschaft verändert und dieseselbst das Immunsystem beeinflusst.
    "Das ist eine schöne Frage nach der Henne und dem Ei. Wir sehen auch bei Mäusen, die exakt das Gleiche essen und in derselben Umgebung leben, dass sich die Zusammensetzung der Mikrobiota ändert, wenn sie älter werden. Und ich glaube auch nicht, dass die nützlichen Bakterien im Alter einfach von alleine verschwinden. Gleichzeitig wissen wir aber, dass manche Menschen sehr alt werden, ohne irgendwelche Krankheiten zu bekommen. Es spielt also sicherlich auch die Ernährung und der Lebensstil eine Rolle."
    So hat eine Studie aus Irland gezeigt, dass bei alten Menschen die Vielfalt der Bakterien im Darm schrumpft, sobald sie in ein Pflegeheim umziehen und nicht mehr selber kochen. Mit einer gesunden Ernährung und dem richtigen Umfeld können wir nützliche Bakterien also womöglich doch daran hindern, den Darm im Alter zu verlassen.