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Althaus: Betreuungsgeld wird kommen

Das in der Koalition umstrittene Betreuungsgeld wird nach Einschätzung des thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus nicht vor 2009 eingeführt. In dieser Legislaturperiode werde nur eine Grundsatzentscheidung fallen, sagte Althaus. Der CDU-Politiker bekräftigte, er halte das Vorhaben für richtig, um die Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung zu gewährleisten.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Sicher, sozial und auffallend grün - die CDU diskutiert ihr neues Grundsatzprogramm. Die Beratungen gehen in den nächsten Wochen in die Schlussrunde. Anfang Dezember sollen die neuen Leitsätze auf dem Parteitag in Hannover beschlossen werden. Der vorliegende Entwurf ist auf fast 80 Seiten ein Spagat zwischen Erneuerung und Bewahrung. Einerseits das Bekenntnis zu traditionell konservativen Werten wie Familie und Patriotismus, andererseits die Betonung neuer Ideale wie Klimaschutz, soziale Sicherheit und Integration. Die Reformeuphorie von Leipzig, als die Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen sollte, ist vorbei, die Parteivorsitzende hat ihre Lehren aus der enttäuschenden Bundestagswahl gezogen. Manchen in der Union geht dies aber zu weit, sie fordern lautstark eine Schärfung des konservativen Profils. Der Zwist um die Einführung des Betreuungsgeldes ist noch lange nicht vom Tisch.

    Vor dieser Sendung habe ich mit dem Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus, CDU, gesprochen. Erste Frage: Ist die CDU konservativ genug?

    Dieter Althaus: Es ist eine Wurzel in der CDU, die zu beachten ist, aber genauso sind wir auch liberal und christlich-sozial, und das muss miteinander verbunden werden. Und genau das wird auch in der Programmdiskussion derzeit nach außen vermittelt. Und der Programmentwurf vermittelt auch alle drei Wurzeln.

    Heinlein: Sie gehören, Herr Althaus, zur Grundsatzprogrammkommission Ihrer Partei. Moderner Patriotismus, aufgeklärter Konservatismus - sind das Begriffe, mit denen Sie etwas anfangen können? Diese Begriffe haben ja vier jüngere Unionspolitiker in die Diskussion in den letzten Wochen beigesteuert.

    Althaus: Ich persönlich denke, auch den Begriff konservativ muss man erklären, muss sagen, was damit konkret verstanden wird, dass wir uns auf Werte beziehen wie Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit, dass wir das christliche Menschenbild als wesentlich für die Union auch in Zukunft erhalten, also immer mit konkreten Inhalten verbinden, damit die Menschen auch wissen, was hinter einem solchen allgemeinen Begriff wie konservativ steht.

    Heinlein: Gefällt es Ihnen, dass nun jüngere Unionspolitiker versuchen, diese Begriffe mit Inhalt zu füllen?

    Althaus: Die Diskussion ist wichtig. Wir haben ja jetzt zurzeit Regionalkonferenzen, wo die Programmdebatte durchgeführt wird. Wir werden den Parteitag in Hannover haben. Bis dahin muss dann die Diskussion auch abgeschlossen sein, und dann wird es interessant sein, ob sich aus der Diskussion auch konkrete Änderungsvorschläge ergeben. Bisher ist das nicht bekannt. Und einige der Mitglieder, die jetzt das Papier vorgelegt haben, sind auch selbst in der Programmdiskussion und Programmkommission gewesen.

    Heinlein: Haben Sie konkrete Änderungsvorschläge in diesen Punkten?

    Althaus: Wir werden aus Thüringer Sicht beim Thema Familie noch einen Änderungsvorschlag einbringen, aber im Grundsatz, da ich mich auch aktiv beteiligt habe, sind wir mit dem Vorschlag einverstanden.

    Heinlein: Ist denn mit Familienministerin Ursula von der Leyen eine Familienpolitik in Ihrem Sinne, in Ihrem konservativen Sinne möglich?

    Althaus: Also sie hat das Thema für die Union und für die Gesellschaft mit Recht vorangebracht. Es gibt in Deutschland inzwischen keine Frage mehr: Wir brauchen Betreuungsplätze, die ausgebaut werden müssen, in den neuen Ländern sind Sie schon vorhanden, in den alten Ländern muss ausgebaut werden. Aber was genauso wichtig ist: Die Wahlfreiheit muss am Ende durch die Eltern wahrgenommen werden oder durch die Alleinerziehenden, das heißt, der Staat hat hier nichts vorzugeben, sondern hat Optionen zu ermöglichen und muss dann am Ende auch mit den Möglichkeiten, die Eltern für sich nutzen, umgehen. Und deshalb bin ich der Meinung, die Union muss sehr darauf achten, dass wir den Grundsatz beherzigen, dass die Familie selbst entscheidet.

    Heinlein: Also notfalls ein Betreuungsgeld auch gegen die Vorbehalte von Ursula von der Leyen?

    Althaus: Sie ist ja nicht gegen das Prinzip, sondern sie sagt, das Betreuungsgeld hat möglicherweise Probleme. Sie ist dann eher dafür, Sachleistungen oder einen Gutschein zu geben. Ich persönlich glaube, wenn wir die Diskussion weiterführen, wird sich ergeben, dass das Betreuungsgeld, das Eltern bekommen, der richtige Weg ist. Sie können dann ihre Verantwortung wahrnehmen, und der Staat sollte Eltern nicht unter den Generalverdacht stellen, sondern sollte ihnen vertrauen und sollte ihnen auch etwas zutrauen.

    Heinlein: Jörg Schönbohm, Ihr Parteifreund aus Brandenburg, bezweifelt dies. Er sagt, mit Ursula von der Leyen gebe es keine Möglichkeit, die Union konservativ aufzustellen. Gibt Ursula von der Leyen Ihrer Partei eine falsche Richtung im Punkt Familienpolitik?

    Althaus: Nein, sie hat ein persönlich stark geprägtes Bild und bringt auch dem Thema entsprechend gesellschaftliche Relevanz. Ich denke, wir müssen in der Partei und in der Gesellschaft dann diskutieren, wenn die Strukturen vorhanden sind, wie wir sie verantwortlich nutzen. Und das bleibt dann auch die Gesellschaftsdiskussion und die persönliche Verantwortung, die sich daraus ergibt. An dieser Stelle sind wir auch mit Ursula von der Leyen vollkommen einverstanden.

    Heinlein: Wie wollen Sie denn das Betreuungsgeld innerhalb der Koalition durchsetzen, wenn diese Forderung nicht einmal unionsintern unumstritten ist?

    Althaus: Ich glaube, dass in dieser Legislaturperiode es zu einer Grundsatzentscheidung kommen wird, aber zu keiner Umsetzung. Und dann muss man in der nächsten Legislaturperiode sehen, wie sich die Umsetzung ergibt. Und da gibt es jetzt die Fachdiskussion, die muss auch stattfinden. Ich persönlich plädiere für ein Betreuungsgeld, andere wollen das durch Gutscheine lösen. Und dann am Ende muss entschieden werden.

    Heinlein: Aus Bayern sind die Töne anders, dort heißt es, alles oder nichts, Krippenausbau nur parallel mit einer Einführung des Betreuungsgeldes.

    Althaus: Ja, wir haben persönlich in Thüringen ja auch mit dem Thüringer Erziehungsgeld einen entsprechenden Ansatz gewählt. Eltern werden direkt unterstützt und können dann ihre Option suchen, sodass ich persönlich diesen Weg, den Bayern vorschlägt, auch unterstütze. Aber ich glaube auch, wir sollten einen Schritt nach dem anderen setzen. Jetzt steht erst einmal der Ausbau im Mittelpunkt, und dann kommt die nächste Entscheidung.

    Heinlein: Könnte Thüringen Vorbild sein für den gesamten Bund in dieser Frage?

    Althaus: Zumindest können wir gutes Beispiel geben und auch zeigen, dass Eltern sehr verantwortlich mit dem Geld umgehen.

    Heinlein: Sie haben nur positive Erfahrungen gemacht? Sie kennen die Vorbehalte gegenüber dem Betreuungsgeld?

    Althaus: Ja, aber zum einen haben wir positive Erfahrungen gemacht, zum anderen hat sich gezeigt, dass die Kindergartenwahl ganz genauso stattfindet. Das heißt, einige Eltern entscheiden für die Erziehung zu Hause, andere für den Kindergartenplatz. Und genau diese Option und diese Wahlfreiheit wollen wir ja auch.

    Treffen von CDU und FDP
    Heinlein: Herr Althaus, Frage zu einem anderen Thema: Heute treffen sich die Generalsekretäre von CDU und FDP zu einem Strategietreffen. Auch andere Politiker der beiden Parteien werden teilnehmen. Was ist das Ziel dieses Treffens? Eine Art Absetzbewegung von der Großen Koalition?

    Althaus: Nein, die Große Koalition gilt in dieser Legislaturperiode, und es gibt ja auch neue inhaltliche Festlegungen, die für die nächsten Monate umgesetzt werden. Aber wir haben immer deutlich gemacht, dass wir im Blick auf 2009 in die Bundestagswahl zu neuen Mehrheiten kommen wollen, und wir haben immer mit der FDP gesprochen. Das gilt auf Länderebene wie auf Bundesebene. Und deshalb ist es auch ein Strategiegespräch, das heißt, wie kann es in den nächsten Jahren inhaltlich zwischen diesen beiden Parteien weitergehen. Und insofern ist das etwas ganz Normales, dass man auch innerhalb einer Legislaturperiode, innerhalb der Großen Koalition ein solches Gespräch führt.

    Heinlein: Sind die Schnittmengen mit den Liberalen immer noch größer als mit den Sozialdemokraten?

    Althaus: Das ist ganz unstreitig, das war vor der letzten Wahl und das ist sicher auch jetzt so. Gerade wenn es um ordnungspolitischen Umbau geht im Blick auf den Sozialstaat oder auch das Steuerrecht, ist das sicher mit den Liberalen anders zu organisieren als mit der SPD. Wobei ich glaube, dass die Inhaltsbereiche, die identifiziert worden sind, eine genügende Schnittmenge für diese Legislaturperiode ausmachen. Und der konjunkturelle Wachstumsprozess ist ja auch in vollem Gange. Wir sollten ihn nur nutzen, in den nächsten Jahren auch durch strukturelle Reformen weiter voranzukommen.

    Heinlein: Aber etwa im Bereich innere Sicherheit, Online-Durchsuchungen gibt es große Differenzen mit der FDP sowohl, als auch mit den Sozialdemokraten in der Großen Koalition?

    Althaus: Ja, aber ich glaube, wir müssen in einer modernen, vernetzten Welt auch der Polizei und denen, die sich um innere und äußere Sicherheit mühen, die Möglichkeit geben, in dieser modernen, vernetzten Welt zu erkennen, wenn sich Terrorismus entfaltet, wenn sich Terrorismus auf Anschläge vorbereitet. Und deshalb denke ich, die Fachdiskussionen werden weiter geführt, und am Ende werden wir zu einem solchen Prinzip kommen, wobei natürlich klare rechtliche Vorgaben gemacht werden und auch richterliche Beschlüsse zur Grundlage gelegt werden.

    Ziel: Ausgeglichener Haushalt

    Heinlein: Blicken wir auf den heutigen Tag, Herr Althaus, es beginnen die Haushaltsberatungen. Peer Steinbrück kann glänzende Zahlen vorlegen, dennoch, er will seinen Sparkurs nicht verlassen. Wird es Zeit, für stärkere Entlastungen der Bürger - Michael Glos, der Wirtschaftsminister, fordert ja diese Entlastung der Bürger.

    Althaus: Jetzt war erst mal wichtig, die Unternehmenssteuerreform voranzubringen. Wir diskutieren jetzt noch über die Erbschaftssteuer. Und ansonsten glaube ich, auch die Schwerpunktsetzung ist richtig, dass wir investieren. Es gibt einige Programme, die umgesetzt worden sind, dass wir reformieren, es gibt einige Gesetze, die dafür stehen, aber auch, dass wir konsolidieren, sanieren. Denn es ist ganz klar, und das gilt für Länder wie für den Bund, muss in den nächsten Jahren dazu kommen, zu ausgeglichenen Haushalten einen Weg zu beschreiten, denn dauerhaft ist die Staatsverschuldung ein riesengroßes Gestaltungsproblem.

    Heinlein: Also ein ausgeglichener Haushalt ist wichtiger als die Entlastung der Bürger?

    Althaus: Am Ende ist sicher beides wichtig, aber wenn ich die Reihenfolge beschreibe, dann glaube ich, ist es jetzt erst einmal wichtig, in den nächsten Jahren zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk der Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus. Wir haben das Gespräch hier in unserem Kölner Funkhaus aufgezeichnet.