Doris Simon: Der Bundesarbeitsminister hat seine Meinung zu Hartz IV deutlich gemacht. Franz Müntefering lehnt eine Reform der Reform fürs erste ab. Er möchte nun erst abwarten, wie wirksam die jüngsten Korrekturen sind. In der Union sieht man das anders. In den letzten Tagen hatten immer mehr Politiker eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Reform gefordert. Das große Problem beim Arbeitslosengeld II ist die Entwicklung der Kosten. In den ersten vier Monaten lagen die Ausgaben für dieses ALG II um eine Milliarde höher als die des Vorjahres und nächstes Jahr soll die Lücke noch weiter klaffen.
Am Telefon ist nun Dieter Althaus (CDU), der Ministerpräsident des Landes Thüringen. Guten Morgen!
Dieter Althaus: Guten Morgen Frau Simon!
Simon: Herr Althaus, der Koalitionsausschuss hat sich gestern Abend darauf geeinigt, nur einige kleine Dinge zu ändern. Er hat keine große Reform beschlossen. Reicht das aus Ihrer Sicht?
Althaus: Ich gehe davon aus, dass das nur der erste Schritt sein kann. Es ist sicher richtig, dass man jetzt diese Optimierungsmöglichkeiten nutzt, die auch in der Gesetzesvorlage wohl angesprochen sind, aber wir brauchen dann gerade im Blick auf das gesamte Verwaltungsverfahren und auch auf die Detailüberprüfung der Leistungen bezogen eine generelle Revision. Die muss sich in Ruhe anschließen und muss sicher im Herbst beginnen.
Simon: Wenn Sie von Revision bei den Leistungen sprechen, meinen Sie damit Leistungskürzungen beim Arbeitslosengeld II?
Althaus: Im Detail alles anzuschauen heißt auch, jetzt nicht schon Vorfestlegungen zu treffen. Fakt ist, dass bisher unter der Überschrift "Fördern und Fordern" die Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu wenig gelingt. Das so genannte Aufstockerproblem ist bekannt. Es ist bekannt, dass in einigen Bereichen die Leistungen, die insgesamt über Hartz IV möglich sind, sogar Tarifbereiche überschreiten. Deshalb muss überprüft werden, ob diese Hartz-IV-Reform in der jetzigen Form überhaupt geeignet ist, die Brücke zum ersten Arbeitsmarkt begehbar zu machen. Darum geht es ja.
Simon: Aber wenn jetzt kurz nach der Reform die Politiker wieder von neuen Reform sprechen, sorgt das nicht auch für eine große Verunsicherung bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II, die ja bei weitem nicht alle Missbrauch betreiben?
Althaus: Es ist bei so einem umfassenden Neuansatz sicher wichtig, den Prozess zu begleiten. Da wir deutlich mehr Bedarfsgemeinschaften haben als ursprünglich geschätzt, dass deutlich mehr Ausgaben Monat für Monat zu verzeichnen sind als ursprünglich geschätzt, muss die Politik auffordern. Außerdem haben wir ja selbst auch in den Ländern Erfahrungen, dass zu wenige vermittelt werden, weil das Fördern wohl gelingt, aber das Fordern, das heißt die Vermittlung in den Arbeitsmarkt, auch deshalb nicht gelingt, weil manchmal die Gesamtleistungen höher sind, die sie bei Hartz IV bekommen werden, als die Leistungen, die man in einem niedrigeren Tarif in der freien Wirtschaft bekommt.
Simon: Das heißt also auf gut Deutsch, das Arbeitslosengeld ist zu hoch, so dass manche Leute nicht arbeiten wollen. Aber wie schwer wiegt es denn, dass es oft überhaupt an Arbeitsplätzen insgesamt fehlt, in die vermittelt werden kann?
Althaus: Das ist richtig. Wir brauchen natürlich insgesamt eine wirtschaftliche Erholung, die Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt schafft. Aber es gibt jetzt auch schon Arbeitsplätze. Ich denke an die Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft. Ich denke auch daran, dass in einigen Niedriglohnbereichen jetzt schon durch die Hartz-IV-Zahlungen - sowohl die Leistungen, die direkt gezahlt werden, als auch die Zusatzleistungen - hier die Tarife überstiegen werden. All das muss korrigiert werden, damit wirklich klar wird, so wie es auch Peter Struck gesagt hat: Wer arbeitet muss mehr bekommen und Hartz IV muss auf die wirklich Bedürftigen konzentriert werden.
Simon: Wenn von größerer Kontrolle gesprochen wird, ist das überhaupt zu machen oder werden da jetzt Extragelder bereitgestellt, um wirklich auch mehr Kontrolleure auszuschicken?
Althaus: Nein, es geht um weniger Bürokratie. Deswegen glaube ich auch, wir werden das gesamte Verwaltungsverfahren jetzt nicht so schnell mit überprüfen und reformieren können. Deswegen plädiere ich auch dafür, jetzt erst einmal diesen Optimierungsschritt einzugehen, um dann im Herbst mit einer sehr umfassenden Analyse zu beginnen und das Verwaltungsverfahren, die Leistungsbezüge etc. zu überprüfen und daraus dann auch den zweiten Reformschritt zu entwickeln.
Simon: Der SPD-Vorsitzende Beck hat gestern nach dem Koalitionsausschuss gesagt, man habe zusätzliche Impulse für den Arbeitsmarkt vereinbart. Sehen Sie da Bedarf? Hat bis jetzt die Koalition dort zu wenig getan?
Althaus: Bisher wird zu wenig vermittelt. Das ist richtig. Eigentlich in einem sehr geringfügigen Maße nur. Wie man die Impulse verbessern will weiß ich nicht, aber richtig ist, dass natürlich das Fordern, also den Weg zum Arbeitsmarkt auch zu gehen, auch verpflichtend zu gehen, deutlich gestärkt werden muss. Ob man das jetzt schon durch den Optimierungsschritt erreicht oder ob man nicht gar auch im Verwaltungsverfahren Dinge ändern muss bis hin zu der Frage, welche Zusatzleistungen werden gezahlt, das muss man noch einmal genau anschauen, denn zum Beispiel sind die Zuverdienste zurzeit durchaus eine Blockade für den ersten Arbeitsmarkt.
Simon: Das war Dieter Althaus, der Ministerpräsident des Landes Thüringen. Herr Althaus, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Althaus: Auf Wiederhören!
Am Telefon ist nun Dieter Althaus (CDU), der Ministerpräsident des Landes Thüringen. Guten Morgen!
Dieter Althaus: Guten Morgen Frau Simon!
Simon: Herr Althaus, der Koalitionsausschuss hat sich gestern Abend darauf geeinigt, nur einige kleine Dinge zu ändern. Er hat keine große Reform beschlossen. Reicht das aus Ihrer Sicht?
Althaus: Ich gehe davon aus, dass das nur der erste Schritt sein kann. Es ist sicher richtig, dass man jetzt diese Optimierungsmöglichkeiten nutzt, die auch in der Gesetzesvorlage wohl angesprochen sind, aber wir brauchen dann gerade im Blick auf das gesamte Verwaltungsverfahren und auch auf die Detailüberprüfung der Leistungen bezogen eine generelle Revision. Die muss sich in Ruhe anschließen und muss sicher im Herbst beginnen.
Simon: Wenn Sie von Revision bei den Leistungen sprechen, meinen Sie damit Leistungskürzungen beim Arbeitslosengeld II?
Althaus: Im Detail alles anzuschauen heißt auch, jetzt nicht schon Vorfestlegungen zu treffen. Fakt ist, dass bisher unter der Überschrift "Fördern und Fordern" die Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu wenig gelingt. Das so genannte Aufstockerproblem ist bekannt. Es ist bekannt, dass in einigen Bereichen die Leistungen, die insgesamt über Hartz IV möglich sind, sogar Tarifbereiche überschreiten. Deshalb muss überprüft werden, ob diese Hartz-IV-Reform in der jetzigen Form überhaupt geeignet ist, die Brücke zum ersten Arbeitsmarkt begehbar zu machen. Darum geht es ja.
Simon: Aber wenn jetzt kurz nach der Reform die Politiker wieder von neuen Reform sprechen, sorgt das nicht auch für eine große Verunsicherung bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II, die ja bei weitem nicht alle Missbrauch betreiben?
Althaus: Es ist bei so einem umfassenden Neuansatz sicher wichtig, den Prozess zu begleiten. Da wir deutlich mehr Bedarfsgemeinschaften haben als ursprünglich geschätzt, dass deutlich mehr Ausgaben Monat für Monat zu verzeichnen sind als ursprünglich geschätzt, muss die Politik auffordern. Außerdem haben wir ja selbst auch in den Ländern Erfahrungen, dass zu wenige vermittelt werden, weil das Fördern wohl gelingt, aber das Fordern, das heißt die Vermittlung in den Arbeitsmarkt, auch deshalb nicht gelingt, weil manchmal die Gesamtleistungen höher sind, die sie bei Hartz IV bekommen werden, als die Leistungen, die man in einem niedrigeren Tarif in der freien Wirtschaft bekommt.
Simon: Das heißt also auf gut Deutsch, das Arbeitslosengeld ist zu hoch, so dass manche Leute nicht arbeiten wollen. Aber wie schwer wiegt es denn, dass es oft überhaupt an Arbeitsplätzen insgesamt fehlt, in die vermittelt werden kann?
Althaus: Das ist richtig. Wir brauchen natürlich insgesamt eine wirtschaftliche Erholung, die Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt schafft. Aber es gibt jetzt auch schon Arbeitsplätze. Ich denke an die Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft. Ich denke auch daran, dass in einigen Niedriglohnbereichen jetzt schon durch die Hartz-IV-Zahlungen - sowohl die Leistungen, die direkt gezahlt werden, als auch die Zusatzleistungen - hier die Tarife überstiegen werden. All das muss korrigiert werden, damit wirklich klar wird, so wie es auch Peter Struck gesagt hat: Wer arbeitet muss mehr bekommen und Hartz IV muss auf die wirklich Bedürftigen konzentriert werden.
Simon: Wenn von größerer Kontrolle gesprochen wird, ist das überhaupt zu machen oder werden da jetzt Extragelder bereitgestellt, um wirklich auch mehr Kontrolleure auszuschicken?
Althaus: Nein, es geht um weniger Bürokratie. Deswegen glaube ich auch, wir werden das gesamte Verwaltungsverfahren jetzt nicht so schnell mit überprüfen und reformieren können. Deswegen plädiere ich auch dafür, jetzt erst einmal diesen Optimierungsschritt einzugehen, um dann im Herbst mit einer sehr umfassenden Analyse zu beginnen und das Verwaltungsverfahren, die Leistungsbezüge etc. zu überprüfen und daraus dann auch den zweiten Reformschritt zu entwickeln.
Simon: Der SPD-Vorsitzende Beck hat gestern nach dem Koalitionsausschuss gesagt, man habe zusätzliche Impulse für den Arbeitsmarkt vereinbart. Sehen Sie da Bedarf? Hat bis jetzt die Koalition dort zu wenig getan?
Althaus: Bisher wird zu wenig vermittelt. Das ist richtig. Eigentlich in einem sehr geringfügigen Maße nur. Wie man die Impulse verbessern will weiß ich nicht, aber richtig ist, dass natürlich das Fordern, also den Weg zum Arbeitsmarkt auch zu gehen, auch verpflichtend zu gehen, deutlich gestärkt werden muss. Ob man das jetzt schon durch den Optimierungsschritt erreicht oder ob man nicht gar auch im Verwaltungsverfahren Dinge ändern muss bis hin zu der Frage, welche Zusatzleistungen werden gezahlt, das muss man noch einmal genau anschauen, denn zum Beispiel sind die Zuverdienste zurzeit durchaus eine Blockade für den ersten Arbeitsmarkt.
Simon: Das war Dieter Althaus, der Ministerpräsident des Landes Thüringen. Herr Althaus, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Althaus: Auf Wiederhören!