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Althaus gegen Erziehungspflicht für Väter beim Elterngeld

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus hat sich dagegen ausgesprochen, die Zahlung des Elterngeldes an Erziehungsleistungen der Väter zu koppeln. Er gehe davon aus, dass das Elterngeld volle zwölf Monate gezahlt wird. Darüber hinaus könnten Anreize geschaffen werden, "um auch die Erziehungsverantwortung beider Elternteile einzufordern", sagte der CDU-Politiker.

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Die Grundidee des Sozialen ist der Mut zur Freiheit. Dieses Wort des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof, gilt es auch für die CDU? Hat sie diesen Mut, wenn sie weniger Staat fordert und gleichzeitig die Familien gängeln will? Taugt die Maxime weniger Staat überhaupt als Allheilmittel für die heutigen Zeiten? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich nun den Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen Dieter Althaus. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender der neuen Programmkommission der CDU, die gestern ihre Arbeit aufgenommen hat. Zunächst mal guten Morgen Herr Althaus!

    Dieter Althaus: Guten Morgen Herr Liminski!

    Liminski: Herr Althaus der Vorsitzende der Kommission, Generalsekretär Ronald Pofalla, meinte gestern, bei der Arbeit der Kommission werde man keine Rücksicht nehmen auf die SPD. Auf wen muss man denn Rücksicht nehmen, wenn es um Grundsätzliches geht?

    Althaus: Wir müssen grundsätzlich auf das Rücksicht nehmen, was die Union prägt. Das heißt Ausgangspunkt ist das christliche Menschenbild und sind die Prägungen und Orientierungen, die wir auch seit Jahrzehnten in Politik umsetzen und für die Politik als Leitlinien haben. Da ist zum Beispiel die Menschenwürde, die Freiheit und die Gerechtigkeit und da sind wichtige Grundprinzipien wie Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl.

    Liminski: Muss man nicht auch auf den berühmten Zeitgeist Rücksicht nehmen, von dem Otto von Habsburg so gern sagte, er sei nie an der Front, immer nur in der Etappe?

    Althaus: Ich denke das wäre eine falsche Orientierung, denn der Zeitgeist ist natürlich auch sehr flüchtig. Er weht häufig ins Gesicht oder auch mal in den Rücken. Ich denke die Grundorientierungen sollten auch dieses Programm prägen, wobei natürlich die Veränderungen in der Zeit beachtet werden müssen. Wir haben heute eine andere Situation. Die Globalisierung ist deutlich vorangeschritten. Die Familiensituation ist eine andere. Wir haben ein anderes persönliches Selbstverständnis, aber das darf nicht Zeitgeist sein und das muss trotzdem orientiert sein an unseren klaren Prägungen, die wir aus unserer Überzeugung nehmen.

    Liminski: Mehr Staat heißt es bei der SPD, weniger Staat bei der CDU. Wenn man die Politik der großen Koalition verfolgt, dann wird das erste eigentlich umgesetzt. Es gibt mehr Staat bei den Steuern. Jedenfalls ist der Arm des Staates in die Taschen der Bürger länger geworden. Es gibt mehr Staat bei der Erziehung. Der Kindergarten soll zur Pflicht werden. Nur bei der Rente zieht sich der Staat zurück. Da sollen die Bürger freiwillig mehr vorsorgen. Man hat den Eindruck, hier wird die Beliebigkeit der Politik programmatisch überhöht. Welche Kriterien bestimmen denn die Grundsatzdebatte?

    Althaus: Die Bundeskanzlerin hat bei ihrer Regierungserklärung gesagt, lassen sie uns mehr Freiheit wagen. Das heißt es geht natürlich genau um die Freiheitsräume, die individuell gestärkt werden müssen und die auch herausgefordert werden müssen. Der Staat ist derzeit dabei umzusteuern. Wir hatten eine zu starke staatliche Entwicklung über viele Jahre. Wir haben ein zu enges Korsett, wenn es um Steuerpolitik geht oder auch wenn es um die Sozialstaatspolitik geht. Das alles kann man nicht mit einem einzigen Schalterhebel verändern, sondern man Muss einen Weg beschreiten. Die Bundeskanzlerin spricht von den kleinen Schritten. Deshalb wird es eine Weile dauern, bis der Umbau des Sozialstaates, der Umbau des Steuerstaates und insgesamt der Umbau des Staates gelingt. Es ist aber dringend notwendig, denn nur mehr Freiheit, das heißt auch weniger Staat und mehr Eigenverantwortung bringen die Dynamik, die wir brauchen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

    Liminski: Aber werden die Freiheitsräume nicht doch mehr eingeengt durch höhere Abgaben?

    Althaus: Wir müssen generell natürlich perspektivisch ein ganz neues Steuerrecht haben, wo auch die Steuern und Abgaben gesenkt werden. Aber im Moment leiden wir auch unter einer sehr, sehr großen Verschuldungslast. Deshalb Muss auch an dieser Stelle ein sehr behutsamer Weg begangen werden, um eben auch gleichzeitig die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern. Aber die Perspektive ist vollkommen klar: weniger Steuern und Abgaben und mehr Eigenverantwortung vom Einzelnen.

    Liminski: Aber zunächst gilt doch, die Handlungsräume zu erweitern, um dann nachher die Freiheitsräume des Bürgers zu vermehren. Ist das so richtig? Ist das die richtige Linie, in der man marschiert?

    Althaus: Ich würde nicht sagen, Handlungsräume des Staates zu verstärken, aber natürlich die Freiheitsräume zu verstärken, das ist sicher richtig. Beim Staat geht es darum, dass er sich befreit von Überreglementierung, von Überlasten, die in den letzten Jahren aufgebaut worden sind, und dass er dies so tut, dass natürlich die Handlungsfähigkeit erhalten bleibt. Das ist ja nun selbstverständlich. Man kann nicht von heute auf morgen die Verschuldungslast beseitigen. Wir müssen die Maastricht-Kriterien erfüllen. Wir müssen aber auch dabei sichern, dass die wichtigen Investitions- und Subventionsbereiche, die notwendig auch in Zukunft sind, erhalten bleiben. Deshalb ist das ein etwas komplizierterer Weg, aber er wird sicherlich sehr erfolgreich von der großen Koalition gegangen. Da bin ich ganz sicher!

    Liminski: Gibt es, Herr Althaus, in der jetzigen Grundsatzdebatte vorrangige Werte für die Union?

    Althaus: Natürlich gelten die Ordnungsprinzipien der Gesellschaft und da ist sicher ein ganz wichtiges Prinzip neben dem Solidaritätsprinzip, die Befähigung des Einzelnen, erfolgreich zu sein, und die Hilfe vor Not, das Subsidiaritätsprinzip. Wer das ernst meint, der muss die untere Ebene stärken, das heißt dort, wo die Sozialbeziehungen wachsen, in der Familie, im Betrieb, in der Kommune. Außerdem geht es auch darum, das Gemeinwohlprinzip zu stärken, denn wir müssen darauf achten, dass die Werte, die uns geprägt haben, uns prägen, uns orientieren, auch in Zukunft erhalten bleiben.

    Liminski: Gemeinwohl und Familie, das möchte ich mal gerne aufgreifen. Hier werden die realen, vor allem die potenziellen Eltern mit einem Vorschlag konfrontiert, der auch ein Zwangselement enthält, und zwar insofern, als das Elterngeld bei Nichtgehorchen gekürzt wird. Das erinnert ein wenig an die Zeiten des Taschengeldes, nur dass diesmal den Vätern das Geld gekürzt wird. Mischt sich hier der Staat nicht zu sehr in die Freiheit der Eltern ein und verstößt er damit nicht auch gegen das von Ihnen eben genannte Subsidiaritätsprinzip?

    Althaus: Für mich und für uns alle sollte gelten, was im Artikel VI des Grundgesetzes fixiert ist. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der gesellschaftlichen Ordnung. Daraus ergibt sich auch, dass wir für diesen Schutz neue Entwicklungen organisieren. Da kann das Elterngeld helfen. Richtig ist aber auch, dass es dann die Autonomie der Familie ist zu entscheiden, wie sie sich intern organisiert. Da steht das Kindeswohl im Mittelpunkt und über das Kindeswohl zu entscheiden, ist nicht die Aufgabe des Staates, sondern die Aufgabe der Eltern.

    Liminski: Aber der Staat mischt sich hier ein, wenn er von den Vätern verlangt, mindestens zwei Monate sozusagen für das Kind zu sorgen. Ansonsten entfallen zwei Monate Elterngeld.

    Althaus: Also noch gibt es ja keine Gesetzesvorlage. Wir werden also dann auch am Gesetzestext diskutieren. Ich gehe davon aus, dass das Elterngeld zwölf Monate gezahlt wird und dass es meinetwegen Anreize gibt, um auch die Erziehungsverantwortung beider Elternteile einzufordern, aber eine einfache Malusregelung halte ich für falsch. Die würde nur bedeuten, dass der Staat zwanghaft Dinge einfordert, die auch am Ende nur dann gelingen können, wenn sie die Familie gemeinsam möchte.

    Liminski: Kommt denn das Elterngeld in seiner jetzigen Form durch den Bundesrat?

    Althaus: Ich kann zur jetzigen Form noch nichts Abschließendes sagen. Die Koalition hat sich noch nicht abschließend zum Konzept entschieden und es gibt auch noch keinen Gesetzesvorschlag. Es gibt Diskussionen, an denen wir uns auch alle beteiligen. Ich hoffe sehr, dass klar wird, die Kinder sind unsere Zukunft. Wir dürfen sie nicht als Bedrohung der Gegenwart, auch nicht als Bedrohung der individuellen Gestaltungsfreiräume sehen, sondern wir müssen alles tun, um die Lebensqualität von uns auch durch die Lebensqualitätssicherung der Kinder zu gewährleisten. Genau darum geht es auch. Da ist die Verantwortung bei den Eltern, bei den Alleinerziehenden, bei Vätern und Müttern wahrzunehmen. Der Staat kann Anreize setzen, er kann Hilfen geben, aber er kann diese Entscheidung nicht abnehmen.

    Liminski: Das Eisen ist also noch heiß, wenn ich Sie recht verstehe. Nicht heiß sind die Maßnahmen der großen Koalition für die Familien. Die haben eine Mehrbelastung geschaffen von mehreren Milliarden Euro, die durch das Elterngeld, wie immer es dann nachher aussieht, bei weitem nicht kompensiert werden. Was können die Länder dort tun? Was machen Sie denn in Thüringen? Haben Sie ein eigenes Konzept?

    Althaus: Ja. Wir haben im letzten Jahr eine Familienoffensive – so ist der Oberbegriff – verabschiedet mit einigen wichtigen Elementen. Wir zahlen Eltern bei Kindern zwischen zwei und drei ein so genanntes Landeserziehungsgeld, um auch die Erziehungsleistung stärker Wert zu schätzen. Wir haben eine Stiftung im Aufbau Familiensinn, um die gesamte Arbeit der Elternschaft zu unterstützen, Anregungen zu geben, Hilfen zu geben. Wir haben zusätzliche Investitionspauschalen entwickelt, die die Kommunen bekommen, um damit auch mehr zu leisten für die so genannte Infrastruktur für Familien und für Kinder. Und wir sind auch dabei, unser ja schon vorhandenes Kindertagesstättennetz nicht nur zu erhalten, sondern zukunftsfähig zu gestalten, Erziehungs- und Inhaltskompetenz zu stärken.

    Liminski: Und wie finanzieren Sie das?

    Althaus: Wir haben die vorhandenen Mittel, die bisher eingesetzt worden sind, bewertet und haben festgestellt, dass hier einige Mittel sehr ineffizient eingesetzt worden sind. Wir stärken im Prinzip die neuen Bereiche durch eine höhere Effizienz in den anderen Bereichen.

    Liminski: Die Familienpolitik entwickelt sich zu einem künftig wo möglich wahlentscheidenden Aktionsfeld, nicht nur in Thüringen, überhaupt in ganz Deutschland. Hat die Union hier ein schlüssiges Konzept und auch ein Familienbild, oder wird das jetzt erst in den Arbeitsgruppen der Programmkommission entwickelt? Man hat da ja ganz unterschiedliche Definitionen gehört, angefangen von "Familie ist da, wo ein Kühlschrank steht" bis hin zu "Familie ist Vater, Mutter, Kind".

    Althaus: Natürlich ist die Fürsorge und Sorge für Kinder entscheidend und das ist vor allen Dingen die Aufgabe in der Familie. Ich habe vorhin schon den Artikel im Grundgesetz betont, wo Ehe und Familie ausdrücklich genannt werden. Das sollte uns auch in Zukunft leiten. Dort ist ja auch genannt, dass die Herausforderung für die Eltern besteht, ihre Kinder zu erziehen und zu prägen. Zweitens gehört Ehe und Familie zum Ordnungsgefüge der Gesellschaft. Deshalb müssen sie auch besonders wertgeschätzt werden. Anders als vor Jahrzehnten ist es aber heute wichtig, den besonderen Wert der Familie und auch der Ehe – das will ich gerne mit nennen – für die Gesellschaftsprägung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu betonen, denn da ist einiges aus dem Blick geraten und da sind auch Wertverschiebungen in den letzten Jahren festzustellen. Deshalb werden wir auch gerade in der Grundsatzprogrammdiskussion der nächsten Monate unsere Vorstellungen, die zum einen traditionell geprägt sind, aber natürlich auch in die Zeit hinein übersetzt werden müssen, neu zu definieren haben, damit klar wird, dass wir diesem Ordnungsgefüge der Gesellschaft Ehe und Familie auch in Zukunft eine besondere Bedeutung beimessen.

    Liminski: Das war Dieter Althaus, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen und Vizevorsitzender der neuen Programmkommission der CDU. Besten Dank für das Gespräch, Herr Althaus!

    Althaus: Ich danke auch!