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Altmaier: Energiewende nicht unkoordiniert vorantreiben

Das Gelingen der Energiewende sei nicht nur eine politische Herausforderung; sondern auch für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland von zentraler Bedeutung, sagt Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Für die Endlagersuche will er einen schnellen parteiübergreifenden Konsens.

Peter Altmaier im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Wenn es um die Energiewende geht, sind alle Bundesländer betroffen. Aber ein Land steht häufig im Mittelpunkt: Niedersachsen. Das gilt für die Atomendlagersuche ebenso wie für den Ausbau von Stromleitungen oder der Windkraft. Regierungschef McAllister von der CDU drängt auf rasche Fortschritte.
    Zugehört hat Peter Altmaier, neuer Bundesumweltminister. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Herr Altmaier, Sie sind erst seit gestern im Amt. Aber wissen Sie schon, was Sie Herrn McAllister in seiner Ungeduld bieten können?

    Altmaier: Nun, ich kenne David McAllister seit vielen Jahren, wir sind auch befreundet, und in meiner bisherigen Tätigkeit habe ich überhaupt mit den allermeisten Ministerpräsidenten zusammenarbeiten müssen. Das ist ein Vorteil jetzt, denn er hat ja in vielem, was er sagt, recht. Wir müssen die Enden zusammenbringen. Die Energiewende darf nicht unkoordiniert vorangetrieben werden, sondern wir müssen sehen, dass der Netzausbau passt zum Ausbau der erneuerbaren Energien, dass Netze dort verlegt werden, wo sie auch gebraucht werden, dass die Finanzmittel dafür zur Verfügung stehen, wir müssen Reibungsverluste vermeiden. Das ist eine Herkules-Aufgabe, aber sie ist leistbar. Für mich ist das Entscheidende am Anfang, dass wir Gesprächsblockaden, dass wir Vorbehalte, dass wir Misstrauen überwinden. Deshalb werde ich in den nächsten Tagen mit allen Beteiligten, bei den Umweltverbänden, aber auch in der Wirtschaft, bei den Ministerpräsidenten, noch mal reden, heute ist es eine erste große Gelegenheit, und ich denke, dass dieser Energiegipfel heute schon ein Zeichen der Zuversicht und der Gemeinsamkeit sein wird.

    Engels: Dann greifen wir zwei Beispiele heraus. Sie haben viel mit den Ministerpräsidenten schon gesprochen. Sehen Sie denn Möglichkeiten, wie man das Problem bei Haftungsfragen rund um Offshore-Windparks und eben bei der Kostenübernahme bei den Anschlüssen dieser Offshore-Windparks an Land regeln könnte? Hilft da der Bund?

    Altmaier: Nun, wir haben schon vor einigen Wochen und Monaten erklärt, dass das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium für diese Frage bis Mitte Juni einen einigungsfähigen Vorschlag vorlegen wollen. Der Teufel steckt wie so oft im Detail, nämlich wie man diese Regelungen im Einzelnen ausgestaltet, wie die Kosten dafür aufgebracht werden. Sie wissen, die öffentlichen Kassen sind auch nicht wesentlich voller als andere Kassen, sie sind sogar sehr leer, wir wollen die Schuldenbremse einhalten. Das heißt, wir brauchen Lösungen, die vernünftig, vertretbar und von allen akzeptabel sind. Und mein Anliegen dabei ist, dass wir uns klar machen, dass die Lösung der Energiewende eben nicht nur die Addition ist von 16 oder 25 Einzelinteressen, sondern dass wir das Ganze im Auge behalten müssen. Zum Beispiel müssen wir sehen, dass der Strom, der in der Nordsee produziert wird, nur dann an den Mann und die Frau gebracht werden kann, wenn wir ihn bis nach Süddeutschland transportieren können. Das alles ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und dieser gesamtstaatlichen Aufgabe müssen wir uns stellen.

    Engels: Herr Altmaier, gehen wir mal auf die anderen hakenden Gebiete der Energiewende. Ihr Vorgänger Norbert Röttgen galt ja als Kenner der Materie und starker Verfechter in der Union der Abkehr von der Atomkraft. Trotzdem ist er in vielen Einzelfragen der Energiewende nicht so schnell vorangekommen, Beispiel Endlagersuche, Beispiel Änderung der Solarförderung, die an den Ländern gescheitert ist. Was können Sie hier besser als Norbert Röttgen?

    Altmaier: Zum einen muss man sehen, die Atomwende, das heißt der Ausstieg aus der Kernenergie, hat alle Beteiligten viel Kraft gekostet. Das hat dann auch die nachfolgenden Prozesse belastet. Und jetzt ist, glaube ich, die Zeit gekommen, dass wir uns alle klar machen, es gibt keinen Weg zurück, wir müssen nach vorne schauen.
    Der zweite Punkt ist, bei der Fotovoltaik sieht man, dass es zu großen Problemen führen kann, für die Netzstabilität, aber auch für die Stromkunden, wenn dieser Ausbau, der wichtig ist, unkontrolliert und in viel zu hohem Tempo vorangeht, sodass der Ausbau der Netze nicht Schritt hält. Deshalb wünsche ich mir, dass wir mit den Bundesländern bis zur Sommerpause zu einem Kompromiss kommen, der dann im Bundesrat auch eine Mehrheit findet. Das ist eine ganz, ganz große Herausforderung, weil es um sehr, sehr viel geht, auch um Arbeitsplätze in der Solarbranche, die allerdings – und auch das ist ein Punkt, den man ansprechen muss – durch Zuschussregelungen alleine nicht gerettet werden können.
    Das Zweite ist die Endlagersuche. Da hat Norbert Röttgen in den vergangenen Wochen wirklich gute Vorarbeit geleistet, auf dieser Vorarbeit will ich aufbauen und ich hoffe, dass das, was Anfang Mai nicht fertig geworden ist, dass wir das jetzt in den nächsten Wochen zügig zustande bringen. Wir brauchen auch hier einen parteiübergreifenden Konsens.

    Engels: Dann können Sie besser als Norbert Röttgen, dass Sie vielleicht Milliarden in die Hand nehmen, um die ostdeutschen Länder, die sich ja beklagen bei den ausfallenden Förderungen für ihre Solarbranche, zu kompensieren?

    Altmaier: Noch einmal: Wir haben die Situation, dass alles, was wir an Geld in die Hand nehmen, irgendwo auch aufgebracht werden muss. Und bei dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist es so, dass die Kosten dann umgelegt werden auf den Strompreis. Das wiederum ist eine Frage, die viele Verbraucherinnen und Verbraucher, auch solche, die sozial schwächer sind, besonders betrifft. Es betrifft aber auch die Wirtschaft in Deutschland und deshalb müssen wir uns über einen vernünftigen Mittelweg verständigen. Ich glaube, dass alle eingesehen haben, auch die ostdeutschen Bundesländer, dass es nicht in ihrem Interesse ist, wenn es zu einem völlig ungeordneten, ungeregelten Ausbau dieser Energieform kommt, weil sie eben sehr teuer ist, und deshalb werden wir mit den ostdeutschen Ländern darüber reden. Im Übrigen, ich habe als Geschäftsführer gelernt: Wenn man sich Gedanken macht über Kompromisse, dann sollte man sie vorher nicht auf dem offenen Markt erörtern, sondern mit den Beteiligten. Dann sind die Erfolgschancen größer.

    Engels: Herr Altmaier, Ihre Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und eben Kompromisse zu finden, wird schon vorab in der CSU und auch in der FDP gelobt. Das hält Ministerpräsident Seehofer aber nicht davon ab, schon bayerische Sonderwege anzukündigen, nämlich zur Not einen eigentlichen staatlichen Energieversorger in Bayern, wenn die Energiewende nicht vorangeht. Was sagen Sie?

    Altmaier: Nun, es ist ja ganz selbstverständlich, dass Bundesländer versuchen, ihre nationalen und ihre regionalen und ihre lokalen Interessen zu definieren. Das ist in Niedersachsen so, das ist in Bayern so, das ist in Thüringen oder in Sachsen-Anhalt so. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Wir müssen nur am Ende zu einer Lösung kommen, die Deutschland insgesamt voranbringt. Ich darf an eines erinnern: Das Gelingen der Energiewende ist nicht nur eine politische Herausforderung; es ist für die Zukunft dieses Wirtschaftsstandortes, für das Ansehen der Marke "Made in Germany" von ganz zentraler Bedeutung. Viele Menschen trauen uns das zu und es ist unsere Aufgabe, dass wir jetzt auch den Nachweis bringen, dass wir das können.

    Engels: Herr Altmaier, der Wechsel, der Sie ins Amt brachte, ist ja reichlich ungewöhnlich, weil ihm kein Rücktritt eines Bundesministers vorausging, sondern eine ausdrückliche Entlassung. Das sorgte auch für Unruhe in der NRW-CDU und auch in der Unions-Fraktion des Bundestages. Denken Sie aber, die Atmosphäre hat sich mittlerweile entspannt?

    Altmaier: Ein Ministerwechsel auch unter solchen Umständen ist immer mit Schwierigkeiten und Problemen verbunden. Norbert Röttgen hat ja auch in wichtigen Bereichen gute Arbeit geleistet. In anderen Bereichen ist es nicht vorangegangen, aufgrund von Umständen, die wir erörtert haben. Und deshalb: Ich setze darauf, dass wir schon sehr bald diese Debatte beenden können, dass wir nach vorne schauen, denn jedermann weiß, wir haben nicht unbegrenzt viel Zeit bei der Energiewende. Es gibt übrigens auch viele andere Umweltthemen, die durch die vielen Debatten über Euro- und Bankenkrise etwas in den Hintergrund geraten sind. Und in dem Maße, in dem es uns gelingt, darüber zu sprechen, werden wir nach vorne schauen. Im Übrigen: Ich bin mit Norbert Röttgen seit vielen, vielen Jahren eng befreundet und wir haben gemeinsam einiges im Bundestag angestoßen. Wir hatten gestern eine sehr würdige und angemessene Amtsübergabe im Bundesumweltministerium und ich glaube, dass auch das vielleicht ein kleiner Beitrag dazu ist, die Wunden zu heilen.

    Engels: Im Bundespräsidialamt wirkte es allerdings so bei der Amtsübergabe, als sei das Klima zwischen Kanzlerin und Ex-Minister ausgesprochen frostig. Haben Sie gefroren?

    Altmaier: Es waren gestern in Berlin über 27 Grad, es schien die Sonne, auch über dem Bundespräsidialamt. Ich glaube, dass es wenig Sinn macht, wenn man an einem solchen Tag irgendwelche Gefühle vielleicht versteckt, die man hat, oder nicht zeigt, sondern es ist so, dass wir mit diesem selbstverständlichen Wechsel in der Demokratie, wie es Joachim Gauck, der Bundespräsident, gesagt hat, versuchen müssen, würdig umzugehen, und da ist es vielleicht auch mal angemessen, wenn man sich nicht verstellt. Das ist vielleicht auch ein Beitrag dazu, dass die Dinge sich dann später entspannen zwischen allen Beteiligten.

    Engels: Peter Altmaier, neuer Umweltminister in Berlin. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Altmaier: Ich danke Ihnen.

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