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Altmaier kommt mit neuem Stil zur Lösung alter Probleme

Peter Altmaier legt seit drei Monaten ein spürbar anderes Auftreten an den Tag als sein Vorgänger Norbert Röttgen. Der Bundesumweltminister soll für die Bundesregierung eine Kehrtwende in der Energiewende hinlegen. Und aus dem Bauchschmerzthema eine Erfolgsstory machen.

Von Christel Blanke | 29.08.2012
    "Waren meine Vorgänger auch alle hier? Herr Röttgen und Herr Gabriel?
    "Nein, Sie sind der Erste."
    "Bin ich der erste, der hier ist?"
    "Sie sind wirklich der erste Bundesumweltminister ..."
    "Mensch ..."
    Der erste Bundesumweltminister zu Besuch in Feldheim, einem energieautarken im brandenburgischen Fläming. Seit 100 Tagen ist Peter Altmaier nun im Amt und man hat den Eindruck: Er ist überall. Altmaier an der Seehundwaage, Altmaier mit aufgekrempelten Hosenbeinen im Watt, Altmaier im Osten, im Westen, in Nord und Süd und dann twittert er auch noch. Der 54-jährige CDU-Politiker geht auf in seinem neuen Job. Viel Zeit zum Überlegen, ob er ihn überhaupt will, blieb ihm nicht. Nur wenige Stunden nach dem Rausschmiss seines Vorgängers Norbert Röttgen, tritt der parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsbundestagsfraktion Peter Altmaier als designierter Bundesumweltminister vor die Mikrofone:

    "Ich habe mich immer mit ganzer Kraft für meine jeweilige Aufgabe eingesetzt. Das gilt erst recht für die neue Arbeit als Bundesumweltminister. "

    Peter Altmaier legt sofort los. Schon wenige Tage später wagt er sich auf ein Minenfeld, auf das sich sein Vorgänger erst nach zweieinhalb Jahren traute: Altmaier fährt ein ins marode Atommüllendlager Asse:

    "Glück auf! Glück auf!"

    Und diskutiert mit Bürgern vor Ort:

    "Es kommt mir sehr darauf an, bevor ich Entscheidungen treffe, dass ich mit den Betroffenen rede, weil ich weiß, dass dieses Thema für meine Arbeit in den nächsten Monaten eins der wichtigsten überhaupt ist."

    Bürger:

    "Er macht für meine Begriffe einen wesentlich besseren Eindruck als sein Vorgänger."

    "Wir haben ja schon viele Bundesumweltminister gehabt und im Grunde genommen ist nichts passiert. Insofern warte ich da erstmal ganz relaxed ab."

    Aus der niedersächsischen Provinz geht es dann fast direkt auf die internationale Bühne. Eine ganze Woche nimmt sich der neue Umweltminister Zeit, um beim Nachhaltigkeitsgipfel in Rio das zu machen, was er am liebsten tut: Menschen kennenlernen, zuhören, herausfinden, was geht und was nicht. Altmaier sucht den kleinen Kreis, bevor er in großer Runde verhandelt. Mit diesem Rezept macht er schon lange Politik. Und eine große Rolle spielt dabei seine Altbauwohnung in Berlin. Wenn es besonders knifflig wird, lädt er gern zu sich nach Hause ein und bekocht politische Freunde wie Gegner. Auch Robert Habeck, grüner Energiewendeminister in Schleswig-Holstein, war kürzlich dabei in der Wohnung, die er imposant nennt:

    "Er geht auf die Probleme, konzentriert sich auf die Lösung der Probleme und nicht so sehr auf den großen Gesamtplan, zu dem man dann aber von unten kommt."

    So hat Altmaier in den ersten 100 Tagen einiges erreicht. Den Streit um Kürzungen bei der Solarförderung gelöst, ebenso den um die Speicherung von Kohlendioxid unter der Erde. Doch seither geht es nicht mehr so recht voran. Die Sorge um steigende Stromkosten, die vor allem die privaten Haushalte belasten, beherrscht die Schlagzeilen. Dass Altmaier vor allem auf Energiesparberatung setzt, nennt Grünen-Fraktionschefin Renate Künast "putzig":

    "Für seine Energieberatung hat er auch nicht gesagt, wie er die am Ende eigentlich bezahlen will."

    Zweifel werden laut, ob Altmaier sich wirklich durchsetzen kann und will. Eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die viele für notwendig halten, schiebt er auf die lange Bank:

    "Ich halte nichts von Schnellschüssen. Und deshalb möchte ich, dass wir die Zeit bis zur Bundestagswahl nutzen, darüber eine fundierte Debatte zu führen, damit dann, wer auch immer nach der Bundestagswahl in diesem schönen Bundesumweltministerium sitzen wird, die Möglichkeit hat, relativ schnell einen Vorschlag vorzulegen."

    Vieles wollte der neue Umweltminister bis zur Sommerpause erledigt haben. Wollte zuhören, verhandeln, Kompromisse schließen. Auch beim Neustart für die Suche nach einem Atommüllendlager. Doch dabei funktioniert sein Rezept nicht. Eine Dreierrunde in Altmaiers Altbauwohnung mit seinen Vorgängern Sigmar Gabriel, SPD, und Jürgen Trittin, Bündnisgrüne, hat vor allem zu sehr viel Unmut geführt. Gekungelt werde da, statt transparent zu verhandeln.

    Es bleibt also viel zu tun für Peter Altmaier, der vor wenigen Tagen sein Arbeitsprogramm bis zum nächsten Sommer vorgestellt hat und der sagt:

    "Wenn wir es schaffen 50 Prozent umzusetzen, dann haben wir am Ende gute Arbeit gemacht."

    Ein gutes Jahr Zeit bleibt ihm dafür.