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Altmaiers Industriestrategie
"Was sollen wir noch leisten, um diesen Staat zu alimentieren?"

Der Präsident der Familienunternehmer hat die "Industriestrategie 2030" von Wirtschaftsminister Peter Altmaier scharf kritisiert. Es sei nicht der Wettbewerb, der die Wirtschaft in die Knie gehen lasse, sondern überbordende Staatslasten und die Regulierung, sagte Reinhold von Eben-Worlée im Dlf.

Reinhold von Eben-Worlée im Gespräch mit Jasper Barenberg | 06.02.2019
    Ein Arbeiter der Belloli AG in der Werkstatt, am Freitag, 14. Dezember 2018, in Grono. Das seit ueber 100 Jahren bestehende Familienunternehmen ist spezialisiert auf die Lieferung von Maschinen und Material fuer Tunnelbau und Bauwesen im allgemeinen.
    Ein Arbeiter der Belloli AG in der Werkstatt, am Freitag, 14. Dezember 2018, in Grono. Das seit ueber 100 Jahren bestehende Familienunternehmen ist spezialisiert auf die Lieferung von Maschinen und Material fuer Tunnelbau und Bauwesen im allgemeinen (dpa / KEYSTONE/TI-PRESS / Samuel Golay)
    Jasper Barenberg: Am Telefon ist jetzt Reinhold von Eben-Worlée, der Präsident der Familienunternehmer. Der Verband vertritt die Interessen von 6.000 Familienunternehmen mit insgesamt acht Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Schönen guten Morgen!
    Reinhold von Eben-Worlée: Guten Morgen, Herr Barenberg!
    Barenberg: Sie haben auf die Vorschläge des Wirtschaftsministers reagiert, indem Sie dem Wirtschaftsminister industriepolitische Hybris vorgeworfen haben und ihn mit Günter Mittag vergleichen, der im Politbüro der DDR für Planwirtschaft verantwortlich war. Wieso fahren Sie so große Geschütze auf?
    von Eben-Worlée: Es ist leider so, dass Deutschland sehr stark fokussiert ist auf das Wohlergehen der großen Unternehmen, der Konzerne, die international diversifiziert sind, und weniger das Augenmerk auf die hat, die 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Deutschland stellen. Das sind die Familienunternehmer. Wir stellen 90 Prozent aller Ausbildungsplätze in Deutschland und werden ständig durch neue Steuern und Abgaben belastet.
    Die jüngste Forderung in dieser Hinsicht kam gerade, jüngst diese Woche, aus dem Finanzministerium, dass man sagte, man will die Spitzensteuersätze hochsetzen. Da trifft man besonders die Familienunternehmen, die besonders in Personengesellschaften ihr ganzes Vermögen immer wieder in die Firmen reinstecken. Und wenn das die Steuer wegnimmt, dann ist das kontraproduktiv. Im Übrigen haben die großen Unternehmen ohnehin schon erhebliche Vorteile, sowohl, was ihre Finanzierung angeht als auch bei der Besteuerung.
    Champions nicht durch staatliche Subvention, sondern durch Leistung
    Barenberg: Also es geht, wenn wir über die wirtschaftliche Zukunft in Deutschland, über die Wertschöpfung reden, dann geht es auch ohne große Champions, wie sich das Peter Altmaier vorstellt?
    von Eben-Worlée: Große Champions sind wichtig. Aber Champions werden immer durch Leistung Champions, und nicht durch staatliche Subvention. Das heißt, sie müssen sehen, wie sie an den Weltmärkten zurechtkommen. Es hat auch viel mit staatlichen Bedingungen, Umgebungsbedingungen zu tun. Wenn man zum Beispiel die höchsten Steuern in Europa zahlt, wenn man die höchsten Energieabgaben in Europa zahlt, wenn man die höchsten Löhne in Europa zahlt, dann darf man sich nicht wundern, dass man keine Champions, sondern überfettete Unternehmen hat.
    Weil uns fehlt dann einfach die Leistungsfähigkeit und das Geld, um uns zu nationalen Champions zu entwickeln. Hinzu kommt eine überbordende Bürokratie, mit der wir es besonders in Deutschland zu tun haben. Wir sind Nummer eins, wenn es um die Umsetzung von europäischen Gesetzen geht, und satteln immer noch selbst drauf. Und dann wundert man sich, wenn wir keine internationalen Champions bilden, indem man uns immer noch mehr Bleigewichte um die Schultern hängt. Das kann nicht funktionieren.
    Reinhold von Eben-Worlée, der Präsident der Familienunternehmer.
    Reinhold von Eben-Worlée, der Präsident der Familienunternehmer. (E.H. Worlée & Co. GmbH & Co. KG / Anne Großmann Fotografie)
    Barenberg: Was die Preise angeht, die Strompreise, die Abgaben und die Steuern, da hat ja der Wirtschaftsminister durchaus angemerkt und zu erkennen gegeben, dass er weiß, dass da das Ende der Fahnenstange gewissermaßen erreicht ist, und dass er sich drum kümmern will, dass es nicht noch mehr wird. Das reicht ihnen nicht als Zusage?
    von Eben-Worlée: Solche Ankündigungen habe ich schon einige von dem Wirtschaftsministerium gehört. Dann kommt immer ganz automatisch die Antwort aus dem Finanzministerium, können wir uns leider nicht leisten. Im Übrigen wurde ja auch gerade wieder kolportiert, dass die Wirtschaft runter geht, dass wir ein Steuerloch haben. Das ist ein Witz, nachdem wir die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten hier errichtet haben.
    Wenn wir jetzt mal kurz den Gürtel enger schnallen müssen, muss man nicht gleich mit dem Hammer auf die Industrie einhauen und Steuererhöhungen fordern. Insofern sollte die Bundesregierung als Gänze eine Strategie entwickeln. In dieser Hinsicht kann das Papier von Altmaier hilfreich sein. Aber es kann nicht sein, dass das Wirtschaftsministerium Erleichterungen fordert, und das Finanzministerium eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Das ist keine Bundesregierung aus einem Guss.
    "Wir brauchen Erleichterungen, gerade für Start-up-Unternehmen"
    Barenberg: Wenn Sie sich an dieser Debatte also beteiligen wollen - Peter Altmaier hat ja gewissermaßen zu einer Diskussion eingeladen -, dann heißt das, Sie teilen auch die Sorge, dass es am Horizont sozusagen Gefahren für die Zukunftsfähigkeit, für die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gibt?
    von Eben-Worlée: Es gibt immer zu jedem Zeitpunkt für die deutsche Wirtschaft, jede Branche. Es sind schon viele Branchen aus Deutschland weggegangen, und es werden auch in Zukunft Branchen aus Deutschland verschwinden. Wichtig ist natürlich, dass sich neue Branchen herausbilden, und dafür brauchen wir Erleichterungen, gerade für Start-up-Unternehmen. Wir brauchen Erleichterungen für die vielen mittelständischen Unternehmen, die Forschungsleistungen hier erbringen. Wir reden seit über zehn Jahren über die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung. Nichts ist bisher passiert. Wir setzen eine soziale Erschwernis, zum Beispiel paritätische Krankenversicherung, nach der anderen für die Unternehmer um, aber es gibt keinerlei Erleichterung.
    Es wird immer nur draufgesattelt, und wir fragen uns allmählich, was sollen wir noch alles leisten, um diesen fetten Staat zu alimentieren. Wir zahlen wirklich gern Steuern. Wir sind auch davon überzeugt, dass es sich lohnt, in Deutschland zu investieren. Aber Deutschland muss auch liefern. Deutschland muss in seine Infrastruktur, in seine Bildung, in den Ausbau von Netzen, 5G-Übertragungsbereiche investieren, und nicht immer nur von den Unternehmen fordern, sondern auch selbst mal Leistung bringen. Und dann zu sagen, jetzt wollen wir uns auch noch darum kümmern, ob Unternehmer ihre Unternehmen an ausländische Unternehmen oder Firmen oder Konzerne verkaufen können oder nicht, das finde ich eigentlich eine Amtsanmaßung und einen Eingriff in die unternehmerischen Rechte, weil es sind unsere Unternehmen.
    Barenberg: Also wenn etwa der Robotik-Hersteller Kuka, ein viel gelobtes, innovatives Unternehmen, an einen chinesischen Investor geht und China jetzt als Eigentümer das Sagen dort hat, dann haben Sie damit kein Problem mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft?
    von Eben-Worlée: Herr Kuka stellt Fertigungscomputer her. Deutschland stellt Automobile her. Wo ist der Unterschied? Wenn wir unsere modernen Automobile in Amerika produzieren, hat kein Mensch was dagegen.
    Aber wenn ein Chinese sich einen deutschen Fertigungstechniker kauft, dann geht gleich die Welt unter und alle mutmaßen, dass wir große bruttowirtschaftliche Einbußen haben. So funktioniert das nicht. Außerdem produziert Kuka nach wie vor in Deutschland und hat sogar eher Arbeitsplätze aufgebaut.
    "Wenn wir einen starken Gegner haben im Ausland, werden wir stark"
    Barenberg: Sie haben die Automobilindustrie angesprochen. Ist das nicht ein gutes Beispiel dafür, wie sehr wichtige und sehr große Konzerne in Deutschland die Zukunft verschlafen, mit Blick auf die E-Mobilität, und dass der Staat sich da Sorgen machen muss und sozusagen Unterstützung und Rahmenbedingungen liefern muss, damit das anders wird?
    von Eben-Worlée: Das muss man technologiespezifisch betrachten. Wenn man zum Beispiel die Entwicklung des Diesels betrachtet, dann hat Deutschland eine absolute Spitzenstellung. Bloß, weil wir in einigen Städten ein Kohlenmonoxid-Problem haben, heißt das nicht, dass der Diesel vom Markt verschwinden wird. Ganz im Gegenteil, alle Prognosen sagen, dass international der Diesel sogar weiter seine Erfolgsgeschichte fortsetzen wird. Dass man parallel natürlich in Elektromobilität investieren muss, das hat inzwischen jeder begriffen.
    Aber dafür brauchen wir keine staatlichen Eingriffe. Ich denke, das können die Automobilindustrien auch selber leisten, und erste technologische Zusammenschlüsse zwischen großen Automobilfirmen und großen IT-Unternehmen in den Vereinigten Staaten belegen auch, dass die Automobilindustrie ohne staatliche Hilfe dazu in der Lage ist, technologisch sich weiterzuentwickeln.
    Barenberg: Nur mit dem Unterschied, dass ist ja die Sorge offenbar des Wirtschaftsministers, dass die Wertschöpfung dann eben nicht mehr in Deutschland erfolgt, sondern in Asien irgendwo, oder, sie haben es erwähnt, in den Vereinigten Staaten.
    von Eben-Worlée: Da muss man in Deutschland vernünftige wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, dann wird die Wirtschaft auch weiter in Deutschland produzieren. Im Übrigen haben wir ein unglaubliches Wirtschaftswachstum hinter uns, und ich hoffe, dass das sich auch noch weiter fortsetzen wird. Und dann zu mutmaßen, dass die Wertschöpfung in Deutschland in die Knie geht, ist Anmaßung. Die Wertschöpfung geht in die Knie aufgrund der überbordenden Staatslasten und der überbordenden Regulierung, aber nicht aufgrund internationalen Wettbewerbs.
    Der macht uns nur fitter. Wenn wir einen starken Gegner haben im Ausland, dann werden wir stark. Wenn wir keine Gegner haben und nur Monopole haben, dann wird unsere Wirtschaft geschwächt. Das müsste eigentlich auch der Wirtschaftsminister wissen, der sich ja immer auf Ludwig Erhard beruft.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.