
Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende Gedächtnis- und Denkstörung, für die lange nur symptomlindernde Medikamente verfügbar waren. Mit Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) gibt es nun erstmals ein Mittel, das die krankheitstypischen Eiweißablagerungen im Gehirn angreift und den geistigen Abbau verlangsamen kann.
Entwickelt von den Firmen Eisai (Japan) und Biogen (USA) erhielt Lecanemab 2023 unter dem Handelsnamen Leqembi die Zulassung in den USA und im April 2025 in der EU. Seit September ist es auch in Deutschland erhältlich.
Inhalt
- Für welche Patienten ist Leqembi geeignet?
- Wie funktioniert die Anwendung von Leqembi und welche Nebenwirkungen gibt es?
- Wie schnell lässt sich Alzheimer feststellen?
- Wie erfolgsversprechend ist Lecanemab und welche Kritik gibt es am Medikament Leqembi?
- Welche anderen Alzheimer-Medikamente werden erforscht und wie vielversprechend sind sie?
Für welche Patienten ist Lecanemab geeignet?
Leqembi richtet sich an Menschen mit leichter kognitiven Störung, also einer Vorstufe von Demenz, sowie an Menschen mit leichter Demenz. Schätzungen zufolge betrifft dies in Deutschland etwa 2 bis 4 Millionen Menschen, von denen aber nicht alle Alzheimer haben. Nur ein Bruchteil kommt allerdings für eine Behandlung mit Leqembi in Frage. Nach Einschätzung der Alzheimer Forschung Initiative wird das Medikament höchstens 73.000 Menschen davon helfen können. Aufwendige Diagnostik, mögliche Ausschlusskriterien und begrenzte ärztliche Kapazitäten müssten berücksichtigt werden.
Wie funktioniert die Anwendung von Leqembi und welche Nebenwirkungen gibt es?
Vor Beginn der Therapie ist ein Gentest erforderlich, da das Risiko für Hirnblutungen bei Menschen mit zwei Kopien einer bestimmten Genvariante deutlich erhöht ist. Nach den notwendigen Voruntersuchungen erhalten die Patienten alle zwei Wochen eine Infusion des Medikaments in einer Ambulanz oder Arztpraxis.
Außerdem sind regelmäßige MRT-Kontrollen vorgeschrieben, um mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen wie Hirnblutungen oder -Schwellungen frühzeitig zu erkennen und die Behandlung gegebenenfalls rechtzeitig zu stoppen. In den Studien traten diese Nebenwirkungen vereinzelt auf (13 Prozent Hirnblutungen, 9 Prozent Hirnschwellungen) und blieben in den meisten Fällen symptomlos. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.
Wie schnell lässt sich Alzheimer feststellen?
Leichte kognitive Störungen und frühe Demenz lassen sich mit Tests wie dem MoCA-Test erkennen, vor allem, wenn Betroffene oder Angehörige erste Gedächtnisprobleme bemerken. Hausärzte haben oft wenig Zeit, und da sich nicht alle leichten Störungen zu Demenz entwickeln, werden Tests zurückhaltend eingesetzt. Digitale Selbsttests könnten hier unterstützen, sind aber noch nicht flächendeckend verfügbar und werden von den Krankenkassen nur eingeschränkt gefördert.
Eine verlässliche Alzheimer-Diagnose erfordert zusätzliche Untersuchungen wie Nervenwasseranalysen oder bildgebende Verfahren wie PET-Scans, die nur an wenigen Zentren möglich sind. Studien zeigen, dass es derzeit in Deutschland im Durchschnitt vier Jahre dauern kann, bis die Diagnose definitiv feststeht. Für viele Patienten kommt die Diagnose damit zu spät, um noch von Therapien wie mit Lecanemab zu profitieren.
Wie erfolgsversprechend ist Lecanemab und welche Kritik gibt es am Medikament Leqembi?
Wie stark Lecanemab den Krankheitsverlauf von Alzheimer tatsächlich bremsen kann, ist unter Experten sehr umstritten. Diskutiert wird auch, ob der geringe Nutzen die teils starken Nebenwirkungen rechtfertigt. Erst im zweiten Anlauf hat das Medikament die Zulassung in Europa bekommen.
In der Phase-III-Studie über 18 Monate erhielten 1800 Teilnehmer entweder Lecanemab oder ein Placebo. Am Ende war der Unterschied im Schweregrad der Demenzsymptome nur minimal: 0,45 Punkte auf einer Skala von 0 bis 18.
Experten wie Peter Kolominsky-Rabas, Neurologe und Epidemiologe an der Universität Erlangen-Nürnberg, bewerten den Effekt daher als sehr begrenzt und halten ihn für die Betroffenen möglicherweise gar nicht für spürbar. Einige Fachleute hätten daher die Zulassung lieber erst abgewartet, bis die Studienlage klarer ist.
Lecanemab kann Krankheitsfortschritt verlangsamen
Andere, wie Klaus Fließbach vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn, sehen den Nutzen anders: Lecanemab verzögerte bei der Phase-III-Studie den Krankheitsfortschritt im Vergleich zu Placebo um etwa sechs Monate innerhalb der anderthalb Jahre.
Vorläufige Daten deuten außerdem darauf hin, dass längere Behandlungszeiträume möglicherweise größere Effekte haben könnten, auch wenn diese Daten noch nicht unabhängig überprüft sind. Für ältere Menschen, die erst spät an Alzheimer erkranken, könnte Lecanemab das Fortschreiten möglicherweise so verlangsamen, dass sie das Stadium einer schweren Demenz womöglich gar nicht mehr erreichen.
Unklar ist auch, ob und wie die Krankenkasse die Kosten übernehmen. Allein das Medikament kostet rund 29.000 Euro pro Jahr, zusätzlich fallen die Kosten für Untersuchungen und Arztbesuche an. Der GKV-Spitzenverband rechnet mit etwa 20.000 Patienten jährlich und möglichen Mehrausgaben von über 500 Millionen Euro, wobei der endgültige Preis erst nach Verhandlungen feststeht.
Welche anderen Alzheimer-Medikamente werden erforscht und wie vielversprechend sind sie?
Neben Lequembi wird vor allem Donanemab als mögliches Alzheimer-Medikament gehandelt. Es wirkt ähnlich wie Leqembi. Seine EU-Zulassung ist aber wegen seiner noch zu schwerwiegenden Nebenwirkungen noch unsicher. Auch Semaglutid, bekannt aus Diabetes- und Abnehmspritzen, wird derzeit in großen Studien getestet.
Viele Forschungen setzen weiterhin auf Antikörper gegen Eiweißablagerungen im Gehirn. Es gibt aber auch neue Ansätze wie Medikamente gegen Entzündungen oder zum Schutz der Synapsen. Insgesamt laufen weltweit über 130 Studien, die Zahl der klinischen Studien hat damit um rund 11 Prozent zugenommen. Das zeigt: In die Alzheimerforschung ist Bewegung gekommen. Die Hoffnungen sind groß, doch ein klarer Durchbruch steht noch aus.
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