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Amateurfußball
Illegales Turnier schlägt hohe Wellen

Kontaktsport ist hierzulande wegen Corona zurzeit nicht erlaubt. Mitte Mai haben sich dennoch zahlreiche Amateurkicker in Oberhausen zu einem organisierten Fußballturnier getroffen. Mit dabei waren auch Jugendspieler von mindestens einem Bundesligisten. Das rückt auch den Profifußball in den Fokus.

Von Thorsten Poppe | 30.05.2020
Fußballschuhe liegen auf dem Rasen.
In Oberhausen haben sich Jugendfußballer zu einem illegalen Turnier getroffen. (dpa / picture alliance / Malte Christians)
Plötzlich waren sie da. Zwischen 200 bis 300 Freizeitkicker tauchten Mitte Mai auf dem Sportplatz des Post SV Oberhausen auf. Der liegt abseits und idyllisch zwischen der Autobahn A 40 und einer Kleingartenanlage. Zufällig kann hier also kaum jemand vorbeikommen.
Als es immer mehr wurden, alarmierten Vertreter des Klubs, die gerade vor Ort das Vereinsheim renovierten, die Polizei. Mirko Trapphoff vom Post SV Oberhausen zeigte sich danach fassungslos und sagte im WDR: "Die sind alle heiß, die haben jetzt alle lange nicht gespielt, die dürfen nirgendwo spielen. Ich habe natürlich kein Verständnis dafür, dass die jetzt gerade in den Corona-Zeiten alle Regeln außer Kraft setzen. Wir selber haben uns dagegen ausgesprochen, jetzt aktuell, Spielbetrieb sowieso nicht, Trainingsbetrieb durchzuführen. Weil wir die Hygienevorschriften schwer bis gar nicht einhalten können."
Der Verein von Mirko Trapphoff hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Er nutzt nur die Anlage der Stadt Oberhausen, die sonst auch für andere frei zugänglich ist.
Fest steht jedenfalls, dass sich die meist jugendlichen Hobbykicker über die sozialen Medien verabredet hatten. Illegal, in Zeiten der Corona-Beschränkungen, Kontaktsport ist nach wie vor verboten. Darauf verweist auch Frank Helling, Pressesprecher der Stadt Oberhausen: "Der Stadt war von dieser illegalen Veranstaltung nichts bekannt. Um Infektionen zu vermeiden, wurde das Turnier sofort abgebrochen und aufgelöst. Während einige der Jugendlichen über Zäune kletterten, zeigten sich die meisten einsichtig. Sie wurden dabei begleitet, mit dem ÖPNV die Heimreise anzutreten. Es ging für uns primär darum, deeskalierend auf die Jugendlichen einzuwirken, die Veranstaltung so schnell wie möglich aufzulösen und für einen geordneten Abzug mit dem gebotenen Sicherheitsabstand zu sorgen. Die Stadt Oberhausen kontrolliert seither intensiv die Sport- und Freizeitanlagen."
Veranstaltern droht Bußgeld
Der oder die Veranstalter des Fußballturniers konnten noch nicht ermittelt werden. Ihnen droht ein Bußgeld von 1.000 Euro pro Person. Die Stadt Oberhausen geht zurzeit Hinweisen nach. Welche Klubs dafür konkret angeschrieben werden, verrät die Stadt nicht.
Allerdings glaubt Mirko Trapphoff vom SV Post Oberhausen einige der Nachwuchskicker zuordnen zu können. Nicht zuletzt anhand ihrer Fußballklamotten: "Von Schalke waren viele dabei, auch hier aus der Umgebung, und von weiter weg. Vom 1. FC Köln haben wir welche gesehen, in kompletten, also diese offiziellen Trainingssachen!"
Der FC Schalke 04 bestätigt auf Nachfrage des Deutschlandfunks die Teilnahme einiger weniger Spieler aus der Knappenschmiede des Vereins. Über Konsequenzen sei intern schon gesprochen worden. Der 1. FC Köln hat keinerlei Kenntnis darüber, dass Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich an dem Turnier teilgenommen haben könnten. Entsprechende Informationen hätten den FC weder von Seiten einer Behörde noch von Seiten des Post SV erreicht, teilt der Klub dem Deutschlandfunk mit.
Dass Jugendspieler von Profivereinen nachweislich anwesend waren, wirft automatisch das Licht auf Bundesliga-Vereine, die erst kürzlich mit Hilfe des eigens erstellten Hygiene-Konzepts ihren Liga-Betrieb wieder aufgenommen hatten. Nach wie vor ist nicht klar, ob und wer die Vorgaben darin überprüft. Eine entsprechende Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion an das Bundesinnenministerium hat keinerlei Klarheit darüber gebracht.
Turnier als Folge des Bundesliga-Restarts?
Der Start der Bundesliga sende eben auch ein Signal an andere Sporttreibende, erläutert Franz Bockrath. Er lehrt als Sportpädagoge an der Technischen Universität Darmstadt:"Die Politik hat die Entscheidung getroffen, dass der Spielbetrieb wiederaufgenommen wird. Damit wird in der Tat ein Signal gesetzt, was auf ungleiche Ausgangsbedingungen abzielt. Dass es dann Menschen gibt, die sagen, warum Ihr, und wir nicht? Das ist dann sozusagen die Folge daraus."
Ein illegales Fußballturnier als Folge des Bundesliga-Restarts? Es ist jedenfalls nicht überraschend, dass mit der Bundesliga-Wiederaufnahme diese Frage aufkommt: Warum dürft ihr Profis, und nicht wir Nachwuchskicker? Sicher kommt noch mit hinzu, dass sich Jugendliche bewegen wollen, ihnen Zusammentreffen mit Gleichaltrigen wichtiger sind als anderen Altersgruppen, und sie sich gerne im Wettkampf messen.
Aus Franz Bockraths Sicht weiß die Fußballbranche um dieses Ungleichgewicht. Auch weil sie wisse, dass sie sich zurzeit wichtiger mache, als sie für die Gesellschaft sei: "Das kann bei anderen so ankommen, dass dort gesagt wird, aber ihr seid es nicht. Das wird zwar nicht gesagt, aber das ist sozusagen der unausgesprochene Teil dieser Botschaft. Es gibt ja auch entsprechende Kommentare, in dem das dann zum Ausdruck kam. Wo dann etwas gönnerhaft gesagt wurde, wir bringen wieder Freude in die Wohnzimmer. Das unterstreicht ja auch, dass die Branche sich darüber im Klaren ist, Teil der Unterhaltungsindustrie zu sein, und hiermit die eigene Wichtigkeit begründen zu können."