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American Academy sieht USA-Besuch Schröders positiv

Wiese: Am Telefon begrüße ich den Direktor der American Academy in Berlin, Gary Smith. Herr Smith, trotz aller gegenteiliger Bekundungen, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und den USA bestehen doch wohl fort? Deutschland wird keinesfalls Soldaten in den Irak entsenden, auch nicht im Rahmen der NATO. Berlin sieht sich in seiner Ablehnung des Irakkrieges bestätigt und Washington diskriminiert, nach wie vor, die Irakkriegsgegner etwa bei der Auftragsvergabe zum Wiederaufbau des Irak. Oder hat sich das inzwischen geändert?

Moderator: Hans-Joachim Wiese |
    Smith: Ja, es ist nicht ganz so streng, wie Sie das sagen. Es gibt sehr viel deutsche Firmen im Irak und wir sollen uns vielleicht nicht auf den Irak fixieren. Ich glaube, dass die Krise in den deutsch-amerikanischen Beziehungen in Bezug auf den Irak zu einer Beschleunigung der Bemühungen in anderen Bereichen geführt hat, so dass wir in verschiedenen Bereichen Fortschritt haben.

    Wiese: Welche Bereiche meinen Sie?

    Smith: Zum Beispiel übernehmen die Deutschen immer mehr Verantwortung in Afghanistan. Zweitens, die Bemühungen um die Stärkung der schon guten transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen werden intensiviert. Das war im Prinzip der Kontext dieses ganzen Besuchs. Deswegen war Jürgen Weber von der Lufthansa, sein One-Dollar-Man für deutsches Investment, dabei. Deswegen hat er verschiedene Firmenbesuche gemacht. Wir werden auch etwas sehr wichtiges sehen: Wenn die deutsche Regierung davon absieht, die ganzen irakischen Schulden zu verlangen, wenn sie zwei oder drei Milliarden Dollar nachlassen, dann ist das für George Bush sehr wichtig. George Bush und Bundeskanzler Schröder haben diesen Besuch aus anderen Gründen wichtig gesehen: Sie müssen Ruhe an ihren Heimatfronten haben. George Bush wird von seinen demokratischen Gegnern sehr scharf angeschossen, für die Beschädigung des Rufes Amerikas in der Welt - das hat diese Regierung zweifelsohne getan – und vor allem für die Brüche in den Beziehungen mit unseren transatlantischen Partner, wie Deutschland.

    Wiese: Aber wenn Sie sagen, beide haben im Grunde als Hauptmotiv die Beruhigung der Heimatfront, ist das dann nicht eine Entwertung dieses Besuches? Werden da nicht die eigentlichen Zerwürfnisse, die ja nach wie vor bestehen, um den Irakkrieg zum Beispiel, unter den Teppich gekehrt?

    Smith: Nein, das ist ein großes Motiv für diesen Besuch zu diesem Zeitpunkt. Nein, ich habe das nie so düster gesehen, wie andere. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen im kulturellen, im geistigen und wirtschaftlichen Bereich bestanden immer stark, waren nach wie vor stark. Das erlebe ich jeden Tag in der American Academy, also die kulturelle, geistige Verwandtschaft. Wir sind auch im diplomatischen Bereich auf dem Weg, die Beziehungen zu verstärken. Nur, eins ist klar: es wird nie wieder sein wie vorher. Und warum denn auch? Die Zeit ändert sich. Wir können nicht mehr davon ausgehen. Auf Englisch sagen wir: "We can’t take it for granted any more”.

    Wiese: Sicherlich haben Deutschland und Amerika eine Wertegemeinschaft, einen gemeinsamen Kanon von Werten, die sie anstreben, auch international. Aber das Zerwürfnis ist doch, nach wie vor, da. Die Amerikaner versuchten, die Europäer in neue und alte Europäer zu spalten und einen Keil in die EU zu treiben. Bush wurde von der deutschen Politik in die Nähe Hitlers gerückt. Ist dieser Streit wirklich überwunden oder bleiben da nicht doch gegenseitige Verletzungen?

    Smith: Es bleiben sicherlich persönliche Verletzungen bei Bush und Schröder. Aber, sehen Sie, es gibt viel nüchterne Köpfe, auf beiden Seiten des Atlantik, in beiden Regierungen und sie arbeiten sehr intensiv daran, dass die Beziehungen wieder stark werden. Wir dürfen nicht vergessen: Die Welt hat sich verändert, die transatlantischen Bindungen zwischen Deutschland und Amerika hat andere Voraussetzungen. Es gibt aber in Deutschland in der Regierung, auch in der Opposition, eine Generation von Atlantikern, für die die Luftbrücke nicht das Hauptmotiv ist. Amerika muss verstehen, dass Europa sich ändert und die Identität von Europa sich ändert. Sie brauchen nicht Donald Rumsfeld, um Europa zu spalten. Dieser Prozess der Einigkeit Europas wird schwer genug sein. Da hat Chirac viel mehr Schaden getan, als Donald Rumsfeld.

    Wiese: Emanzipiert sich Europa, beziehungsweise Deutschland, von Amerika?

    Smith: Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube Deutschland emanzipiert sich von sich selbst. Dass heißt, Deutschland versucht zum ersten Mal, seit dem ich hier lebe - ich lebe hier seit zwanzig Jahren – die Rolle anzunehmen, in Europa, in der Welt, die es übernehmen müsste. In Europa sicher, wenn Europa funktionieren soll und in der Welt auch. Deutschland ist eines der wohlhabendsten Länder der Welt und das Land hat eine Verantwortung gegenüber der Welt. Deutschland zeigt sich außenpolitisch zum ersten Mal in den letzten Jahren bereit, in jeder Art und Weise zu agieren.