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"American Hustle"
Neuauflage von "Bonnie und Clyde"

Drei Golden Globes hat er schon, für zehn Oscars ist sein Film "American Hustle" nominiert: Regisseur David O. Russell erzählt die Geschichte des Liebes- und Gaunerpärchens Irving und Sydney im schillernden New York, Ende der 70er. Ähnlich wie in "Bonnie und Clyde".

Von Josef Schnelle | 13.02.2014
    US-amerikanische Regisseur David O. Russell verfolgt am 07.02.2014 in Berlin die Pressekonferenz für seinen Film "American Hustle".
    Kino-Start für das neue Werk des US-Regisseurs David O. Russell, "American Hustle". (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    "Ich wurde ein Betrüger, ein richtiger, das volle Programm. Ich wollte überleben, komme was wolle. Ich hatte immer noch die Glaserei und ein paar chemische Reinigungen – und nebenbei handelte ich noch ein bisschen mit Kunst – gestohlene oder gefälschte Kunst."
    So stellt er sich selbst vor - der Trickbetrüger und Gauner Irving Rosenfeld. Er wird gespielt von dem kaum wieder zu erkennenden Christian Bale, der für diese Rolle 25 Kilo zugenommen hat, damit er mit einem hässlichen Schmerbau den gemütlichen Kleinkriminellen mimen kann. Er gibt vor, Kredite selbst für diejenigen besorgen zu können, die von allen Banken abgelehnt werden. Seine 5.000 Dollar Provision kassiert er gleich und zieht auch sonst alle Register, um seine Mitmenschen um ihr Bares zu erleichtern. Geschwindigkeit ist die wichtigste Tugend beim Trickbetrug. Besser geht’s noch wenn man eine kongeniale Partnerin hat. Irving findet sie in Sydney, der er eines Tages über die gemeinsame Liebe zu Duke Ellington näher kommt.
    Lauter knallige Karikaturen
    "Ist das Duke Ellington auf ihrem Armband?" – " Ja, er ist dieses Jahr gestorben." - "Das weiß ich. Schätze das weiß hier sonst niemand außer uns beiden und es interessiert auch niemanden." – " Es interessiert mich. Er hat mir viele Male das Leben gerettet." – "Mir auch."
    Sydney ist fortan die Geliebte und Komplizin im "American Hustle" im amerikanischen "Schwindelkunstwerk", das Irving entfaltet. Sie legt sich sogar einen britischen Akzent zu, um den dubiosen Kreditgeschäften ein wenig Seriosität zu verleihen. Im Übrigen lenkt sie noch jeden Kunden mit abgrundtiefen Dekolletés ab. Das kann Irvings Noch-Ehefrau Rosalynn genauso gut, die ihren Exmann als Drama-Queen fest im Griff hat. Hollywoods neuer Darling Jennifer Lawrence spielt diese Figur als durchgeknalltes "american housewife" mit großer Lust an jedweder Übertreibung. Wenn Irving ihr ein Mikrowellengerät schenkt mit dem Hinweis auf keinen Fall Metallteile hinein zu schieben, dann hat sie gleich ein Fertiggericht mit Aluminiumdeckel zur Hand und löst einen Brand aus, den sie böse schimpfend Irving in die Schuhe schiebt. David O. Russel zeichnet in diesem Film lauter knallige Karikaturen. Geschwindigkeit ist schließlich die wichtigste Tugend der Situationskomödie. Da muss man alles sofort begreifen. Denn schon ist die Szene vorbei. Das hat Billy Wilder einmal gesagt. Und so begreift man auch gleich die Situation, als FBI-Agent DiMaso, der als Lockenwickler manchmal Dollarscheine nimmt, das Gaunerpärchen für seine Zwecke in die Pflicht nimmt. Mit ihrer Hilfe will er korrupten Abgeordneten und Senatoren beikommen.
    "Ich will die Wirtschaftskriminalität bekämpfen. Irving, sie sind sehr geschickt. Ich will, dass sie mir das beibringen. Wir schaffen das. Ich will Leute, die das tun, was sie tun: Investitionsbetrug, gefälschte Einlagenzertifikate, gestohlene Kunst, gefälschte. Liefern sie mir vier Leute und sie sind vom Haken." "Vier Festnahmen und sie lassen uns in Ruhe? Wir müssen auch nicht aussagen?" "Nichts, sie sind raus, alles erledigt."
    Der Film ist ein großer Spaß
    Ein falscher Scheich, der nicht mal arabisch kann, soll die korrupten Politiker locken. So war das auch bei dem authentischen Fall, der die Geschichte inspirierte. David O. Russel verwickelt alle diese Elemente zu einer rasanten Berg- und Talfahrt des Illusionskinos, zu einem brillanten Essay über Täuschung und Wahrheit. Seit Paul Newman und Robert Redford in "Der Clou" 1973 (Regie George Roy Hill) hat das amerikanische Kino der intelligenten Komödie nicht mehr so einen Schub gegeben. Der Film ist ein großer Spaß, bei dem man mit den Hauptfiguren stets sympathisiert. Und sie sind den Zuschauern immer einen Schritt voraus. Das intellektuelle Vergnügen schmälert das nicht. Die Kunst der Komödie wird bei den Oscars fast immer zugunsten eines Films "mit Botschaft" ignoriert. Wenn es diesmal anders sein sollte, dann würde es niemanden wundern. Die größte Frage ist: Wie kommt man aus so einer Geschichte mit Mafia-Beteiligung, Politikerkorruption, durchgeknallten Ehefrauen und kleinen und größeren Gaunereien wieder heraus? Klar ist: Wenn es jemand schafft, dann Irving und Sydney. Sie haben schließlich den "American Hustle" erfunden.
    "Wir müssen all diesen Typen eins auswischen. Über nichts anderes müssen wir uns jetzt Gedanken machen." – "Was immer wir anstellen. Es muss unsere allerbeste Nummer werden.