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"Amerika muss viele innenpolitische Probleme lösen"

Josef Braml von der Gesellschaft für Auswärtige Politik warnt vor zu viel Erwartungen an den zukünftigen US-Präsidenten Barack Obama. Vor allem in Bereichen der Handelspolitik werde er es bei Abstimmungen mit dem Senat noch schwerer haben, als ein republikanischer Präsident. Doch im Bereich der Wirtschaftspolitik müsse Obama seine Wahlversprechen zügig einlösen, so Braml. "Amerika wird viele innenpolitische Probleme lösen müssen und die außenpolitischen Belastungen auf Europa abzuwälzen versuchen."

Josef Braml im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Der Jubel dieser Wahlnacht ist verklungen. Nun beginnt die Arbeit in Washington. Bis zu seiner Vereidigung Mitte Januar hat Barack Obama Zeit, Politik und Personen zu ordnen. Viele Namen werden für wichtige Posten gehandelt. Nur einer steht fest: Joe Biden als künftiger US-Vizepräsident. Der Wechsel von den Republikanern zu den Demokraten ist eine gigantische logistische Herausforderung. Über 10.000 Schreibtische sind neu zu besetzen.
    Am Telefon nun Josef Braml. Er ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Tag, Herr Braml.

    Josef Braml: Guten Tag, Herr Heinlein.

    Heinlein: Wie geräuschlos wird der Wechsel in Washington vonstatten gehen?

    Braml: Das wird einem Bienenstock gleichen. Hier wird einiges passieren. Es wechseln ja bis zu 10.000 Menschen ihre Positionen. Leute, die vorher in Thinktanks gearbeitet haben oder eben auch auf der legislativen Seite im Kongress, werden dann neue Positionen erringen müssen. Hier gibt es auch Wettbewerbskämpfe. Da gibt es viel Spannendes zu beobachten.

    Heinlein: Warum dieses große Stühlerücken in Washington? Ist die Parteizugehörigkeit in den USA doch wichtiger, als von vielen angenommen?

    Braml: Ich denke nicht. Gerade diese Tatsache, dass Menschen von Thinktanks dann in administrative Positionen wechseln können oder vom Kongress in diese Positionen, zeigt ja, dass eben die Partei keine so große Rolle spielt. Das sind Wahlvereine, aber sie strukturieren nicht die Politik. Hier geht es dann um themenspezifische Expertisen. Ishu Networks spielen eine Rolle und hier gilt es dann, sich Namen zu merken, die schon länger mit diesen Themen behaftet sind. Partei ist da eher im Hintergrund.

    Heinlein: Viele Namen sind im Gespräch. Was ist denn für Sie ein heißer Tipp?

    Braml: Ich denke, dass Susan Rice, der man ja zusagt, sie müsse Sicherheitsberaterin werden, auch eine gute Außenministerin abgeben könne, weil sie eben nicht nur den gleichen Namen hat, sondern auch aus der bekannten Brooklyn Institution kommt und sich hier schon sehr lange auch mit sogenannten fragilen Staaten, mit Peacekeeping Missionen beschäftigt und auch bei Clinton schon ähnliche Positionen hatte. Ich kann mir sie sehr gut vorstellen, dass Obama auch hier ein Zeichen setzt, dass er eine Afrika-Expertise mit einsetzt.

    Das könnte eventuell auch ähnlich funktionieren mit Bill Richardson, dem Gouverneur von New Mexico. Obama hat ja auch vielen Latinos seine Wahl zu verdanken und der muss auf jeden Fall, denke ich, ins neue Kabinett. Er hat ja bereits unter Clinton das Energieministerium geleitet und ich kann mir vorstellen, dass er sehr gute Erfahrungen oder schon Arbeit im Sudan geleistet hat. Hier geht es ja nicht nur um Menschenrechte, sondern auch um sehr viel Energieinteressen.

    Heinlein: Das sind Namen, die Sie genannt haben, Herr Braml, die man hier in Deutschland, hier in Europa kaum kennt. Wäre denn Obama gut beraten, zumindest auf einigen Positionen die Kontinuität zu wahren? Die Rede ist ja unter anderem vom Verteidigungsminister.

    Braml: Ja. Damit rechne ich auch. Es ist auch ein wirklich undankbarer Job, in dieser Situation, dieser Kriegssituation, wenn viele Amerikaner, vor allem Demokraten wieder nach Hause wollen, hier die Stellung zu halten. Ich denke, dass hier Obama gut beraten wäre, den Republikaner im Amt zu lassen. Auch Bill Clinton hatte ja einen republikanischen Verteidigungsminister. Das muss nicht schaden, nicht dass den Demokraten dann wieder vorgeworfen wird, dass sie zu schwach beim Thema Sicherheit wären. Ich denke, dass dieses Problem, das ein Republikaner angerichtet hat, durchaus auch von einem Republikaner dann beseitigt werden könnte oder er es zumindest versuchen sollte.

    Heinlein: Dennoch, Herr Braml, wie groß ist die Gefahr, dass die Weltmacht USA nun für einige Wochen und Monate in vielen Dingen handlungsunfähig ist oder nur schwer handeln kann?

    Braml: Ja, die Gefahr besteht und das wird auch nicht nur mit einigen Wochen abgetan sein. Viele dieser neu Nominierten müssen auch durch den Senat und hier gibt es Engpässe. Hier gibt es dann auch das System der Checks and Balances. Der Senat, vor allem auch der Kongress wird seine Machtfülle wieder erweitern wollen, selbst wenn wir hier jetzt beide Parteien oder die gleichen Parteien haben. Das amerikanische System funktioniert wie gesagt eben nicht nach Parteiräson. Hier ist der Kongress institutioneller Gegenspieler gegenüber dem Kongress, selbst wenn der jetzt auch demokratisch ist. Hier gibt es dann interessante Auseinandersetzungen auch zwischen den beiden sogenannten Branches of Government zu beobachten.

    Heinlein: Also ist die Vermutung falsch, wenn man jetzt sagt, der neue Präsident Obama wird es künftig einfacher haben, fast alles tun und machen, was er will, weil er einem demokratisch dämonierten Kongress gegenübersteht?

    Braml: Das genau ist die Gefahr. Viele würden eben zu viel erwarten. Er wird nicht durchregieren können. Vor allem in Bereichen der Handelspolitik wird er es sogar noch schwerer haben, als es ein Republikaner gehabt hätte. Hier werden es sehr viele demokratische Senatoren und Abgeordnete dem neuen Präsidenten sehr schwer machen. Er wird nicht die Handels- und Handlungsautorität bekommen, die er gerne wünschte. Das ist auch schon Bill Clinton so widerfahren. Die ersten beiden Amtsjahre hatte er auch einen demokratisch kontrollierten Kongress und er hat sich hier sehr schwer getan.

    Heinlein: Kann man dennoch sagen, dass nun die Ära der Konservativen in den USA zu Ende ist und nun ein demokratisches Zeitalter beginnt?

    Braml: Das hat man ja früher auch gesagt, das sogenannte Relinement, man sah republikanische Mehrheiten bis zum Horizont. Das kann sich schnell ändern. Und wenn man sich die Wahlergebnisse genau ansieht, dann hat hier Obama einen Vertrauensvorschuss, vor allem in einigen Bereichen. Hier könnte sich was ändern. Aber er muss jetzt auch einige dieser Versprechen umsetzen. Das hat sehr viel mit Wirtschaft zu tun, sehr viel mit Geld, das Amerika fehlen wird, und das wird auch Auswirkungen für uns haben. Amerika wird viele innenpolitische Probleme lösen müssen und die außenpolitischen Belastungen auf uns abzuwälzen versuchen.

    Heinlein: Sie haben das Wahlergebnis angesprochen. In absoluten Zahlen ist es ja nicht so eindeutig, wie wenn man nur auf die Wahlmänner blickt. Das Herzland, das Kernland der USA, der mittlere Westen, hat ja ganz anders, nämlich konservativ abgestimmt, als die Ost- und die Westküste. Könnte, gerade wenn man es gesellschaftlich betrachtet, künftig ein Riss durch das Land gehen?

    Braml: Korrekt. Das sehe ich auch so. So sehr verändert hat sich die Situation nicht. Das sogenannte Heart Land und eben auch die Südstaaten sind weiterhin in republikanischer Hand. Die beiden Küsten sind blau markiert, also von Demokraten errungen worden. Was sich verändert hat sind teilweise Staaten, die durch Binnenmigration und auch durch Immigration verändert werden.

    Latinos spielen eine wichtige Rolle, vor allem in New Mexico, aber auch Florida. Hier muss Barack Obama diese wirtschaftlichen Bedürfnisse dieser neuen erwachsenen Wählerschicht bedienen. In anderen Südstaaten, die jetzt auf die Seite der Demokraten gewechselt sind, gab es auch Binnenmigration wie in Virginia. Hier gibt es Verstädterung und neue Themen, aber hier spielt Religion und das Thema Gott und Abtreibung nach wie vor eine Rolle.

    Obama ist es aber dieses Mal gelungen, der religiösen Rechten eine sogenannte religiöse Linke entgegenzuhalten. Er hat es gut verstanden, über katholische Soziallehre - er ist ja Sozialarbeiter, er hat sich als solcher geriert - auch diese Themen als moralische Themen zu definieren und damit auch die Latinos eingefangen. Man muss jetzt sehen, wie diese Strukturen weiterwachsen. Er hat einen Vertrauensvorschuss, aber man muss abwarten. In zwei Jahren sind schon wieder die Zwischenwahlen - und da könnte vielleicht der eine oder andere Wähler wieder enttäuscht werden oder meinen, dass mehr Checks and Balances nötig wären und er dann vielleicht mit noch mehr Widerstand rechnen muss, wenn er dann wieder den einen oder anderen Senator seiner Partei weniger vermuten könnte.

    Heinlein: Also Obama hat durchaus die Chance, der Präsident aller Amerikaner zu werden?

    Braml: Er hat die Chance, aber er muss auf die einzelnen Interessen der verschiedenen Staaten und auch der einzelnen Wahlkreise eingehen. Er muss für jede seiner Initiativen im Kongress parteiübergreifend für Mehrheiten sorgen. So funktioniert das System. Partei spielt hier keine Rolle. Wer mit der Parteibrille nach Amerika sieht, kann keine spezifischen Dynamiken in einzelnen Themenfeldern erkennen.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Ganz herzlichen Dank und auf Wiederhören nach Berlin.

    Braml: Ich danke Ihnen.