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"Amerikas Ansehen in der Welt ist wiederhergestellt"

Nach Ansicht von Siegfried Buschschlüter, ehemaliger Deutschlandfunk-Korrespondent in Washington, hat sich das deutsch-amerikanische Verhältnis deutlich verbessert. Es handele sich nun um intensive Beziehungen zwischen Verbündeten. Differenzen gebe es bei der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie beim Klimawandel.

Siegfried Buschschlüter im Gespräch mit Jochen Spengler | 25.06.2009
    Jochen Spengler: In einer knappen Stunde wird Bundeskanzlerin Angela Merkel aufbrechen zu ihrem ersten Besuch, dem Antrittsbesuch bei US-Präsident Barack Obama in Washington. Themen ihrer nun weiß Gott nicht ersten Begegnung sind die Krisenherde der Welt, also Afghanistan, Nord-Korea, Iran, sowie die zwei Schwerpunktthemen Klimaschutz und Finanzkrise.

    Am Telefon begrüße ich nun den US-Kenner Siegfried Buschschlüter, unseren früheren langjährigen Korrespondenten in Washington. Guten Tag, Herr Buschschlüter.

    Siegfried Buschschlüter: Herr Spengler, ich grüße Sie!

    Spengler: Sie beobachten auch heute noch intensiv das deutsch-amerikanische Verhältnis. Was hat sich denn aus Ihrer Sicht seit dem Ende der Bush-Administration im Verhältnis zwischen Berlin und Washington getan?

    Buschschlüter: Zunächst einmal muss man sagen, Amerikas Ansehen in der Welt ist wiederhergestellt, und das war unter Bush völlig ramponiert. In der öffentlichen Meinung in Deutschland wie auch in anderen Ländern stehen die USA jetzt natürlich ganz anders da als zur Zeit von George Bush und ich glaube, das ist schon ein wesentlicher, ein qualitativer Unterschied in den Beziehungen Amerikas zu Deutschland und auch zur Welt, und das ist das Ergebnis der Wahl Obamas und auch sein persönliches Verdienst. Reizwörter, an die ich mich wirklich gut erinnern kann, Herr Spengler, Reizwörter wie "Guantanamo", "Abu Ghraib", "Folter", "Verstöße gegen die Menschenrechte", die überschatten einfach nicht mehr das Verhältnis zwischen Washington und Berlin, obwohl natürlich in Bezug auf die Schließung Guantanamos noch Probleme beseitigt werden müssen, was die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland und anderen Ländern angeht.

    Spengler: Wenn also das Verhältnis jetzt deutlich besser geworden ist, dann liegt das nur an den Veränderungen in den USA?

    Buschschlüter: Nein! Ich würde sagen, wir haben es jetzt mit guten, mit intensiven Beziehungen zwischen Verbündeten zu tun. Da ist natürlich nicht immer alles eitel Sonnenschein, da gibt es durchaus Differenzen, die offen angesprochen werden von beiden Seiten. Früher, auch noch unter Bill Clinton, da wurden die Verbündeten zwar auch konsultiert, aber die Entscheidungen fielen immer in Washington. Das ging nach dem Motto, wir sagen euch, was wir wollen, und ihr könnt entweder zustimmen, oder nicht zustimmen. Heute unter Obama klingt das anders. Da ist das Motto - und in Berlin spricht man da sogar von einer Philosophie -, lasst uns gemeinsam analysieren, gemeinsam entscheiden und die Entscheidungen auch gemeinsam umsetzen. Da es aber durchaus unterschiedliche Interessen gibt, wird das nicht immer möglich sein, aber man bemüht sich, die Differenzen zu reduzieren - auf beiden Seiten tut man das - und in die gleiche Richtung zu gehen. Im Übrigen, Herr Spengler, ist die Kanzlerin natürlich auch bemüht, europäische Interessen zu vertreten, da wo es sie eben gibt.

    Spengler: Ja. - Herr Buschschlüter, wo stehen wir denn jetzt genau? Wir wissen, wie wichtig die USA für uns sind. Wissen denn die Vereinigten Staaten, was sie an uns haben?

    Buschschlüter: Deutschland ist die führende Macht oder das führende Mitgliedsland der Europäischen Union und die Kanzlerin wird häufig die europäischen Interessen vertreten. Das heißt, der amerikanische Präsident weiß schon, mit wem er redet, wenn die Kanzlerin bei ihm ist oder er über Videokonferenzen mit ihr kommuniziert. Die Amerikaner wissen schon, was sie an Deutschland und Europa haben. Aber es gibt andere Spieler auf der Weltbühne, nicht zuletzt Mächte, die jetzt wichtiger und mächtiger geworden sind, wie China, wie Indien, wie Brasilien, die auch auf der weltpolitischen, auf der wirtschaftspolitischen Bühne eine führende Rolle spielen.

    Spengler: Das heißt, China verdrängt Europa in seiner Bedeutung für die USA? Würden Sie so weit gehen?

    Buschschlüter: Nein, so weit würde ich nicht gehen, obwohl ich das Argument kenne. Vor zehn Jahren habe ich das schon gehört, dass China natürlich immer wichtiger wird, auch wichtiger als Europa. Das mag in 20, 30 Jahren der Fall sein; für heute oder für morgen sehe ich das noch nicht.

    Spengler: Nun haben manche Medien das Trennende zwischen den USA und Deutschland in dieser Woche in den Vordergrund gestellt, zum Beispiel beim Klimaschutz, bei der Finanzkrise. Wie ist da Ihr Eindruck? Der US-Gesandte John Koenig hat heute Morgen im Deutschlandfunk gesagt, das Verhältnis ist weitaus besser als diese Medien berichten. Was meinen Sie?

    Buschschlüter: Ist es! Da würde ich dem amtierenden Botschafter zustimmen. Natürlich neigen wir Journalisten immer dazu, Dinge auf den Punkt zu bringen, zu polarisieren, aber es gibt im Wesentlichen zwei Differenzen in zwei wichtigen Fragen: in der Wirtschafts- und Finanzkrise und das, was Sie erwähnt haben, im Klimawandel. Klimawandel - ja, da gibt es nach wie vor Differenzen, obwohl die USA sich bewegen. Es gab eine Zeit - und vielleicht erinnern Sie sich auch daran, Herr Spengler -, da war der amerikanische Präsident - der hieß noch George Bush - noch nicht einmal davon überzeugt, dass es einen Klimawandel gibt. Im Moment berät der amerikanische Kongress über einen Gesetzentwurf im Repräsentantenhaus. Der Entwurf ist zwar abgeschwächt worden, aber er sieht vor, dass im Vergleich zu 1990 die CO2-Emissionen um 17 Prozent verringert werden. Die EU will viel weitergehen, sie will eine Reduzierung um 20 bis 30 Prozent. Darüber wird die Kanzlerin nicht nur mit dem Präsidenten sprechen, auch mit der Fraktionsvorsitzenden der Demokraten im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi. Man muss da wissen: Der Kongress hat ja ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, immer dann, wenn es ums Geld geht.

    Der zweite Punkt, wo es Differenzen gibt, ganz kurz: Wirtschafts- und Finanzkrise. Da geht es um die Rolle des Staates und die Amerikaner sehen die Rolle des Staates etwas anders als die Deutschen. Für die Amerikaner ist das abschreckende Beispiel die Weltwirtschaftskrise von 1929, als der Staat zu spät eingegriffen hat, zu wenig getan hat, und für uns Deutsche ist die Horrorvision die Krise von 1923, als die Inflation das Geld auffraß. Über die kurzfristigen Maßnahmen ist man sich einig: Der Staat muss sich verschulden, muss die Wirtschaft in Schwung bringen, muss Geld in die Konjunktur pumpen. Aber dabei darf es natürlich nicht bleiben, man muss einen Übergang finden zu einer langfristigen, wie man sagt einer nachhaltigen Politik. Da ist in der Tat Abstimmungsbedarf vorhanden.

    Spengler: Nun wissen wir, dass es entscheidend ist in der Politik, wie sich die Agierenden persönlich auch verstehen, und da hat man Zweifel, ob die persönliche Chemie zwischen Frau Merkel und Herrn Obama schon stimmt. Frau Merkel ist ja auch vom Naturell her kontrolliert, oftmals nicht richtig eindeutig; Obama ist sehr spontan, kann auch sehr klar sein. Passt das zusammen, oder passt das nicht?

    Buschschlüter: Die Zweifel sind, glaube ich, berechtigt. Mein persönlicher Eindruck ist, dass es so richtig locker und entspannt zwischen den beiden noch nicht zugeht. Vor allem Frau Merkel wirkt - mein Eindruck - neben Obama hin und wieder etwas angespannt. Nun hat sie es natürlich auch nicht leicht, wenn sie an der Seite Obamas steht. Das hat auch Hillary Clinton im Wahlkampf als Gegnerin Obamas gespürt. Barack Obama ist eine imposante Erscheinung, vor allem wenn er in der Öffentlichkeit auftritt.

    Er ist selbstsicher, er ist verbindlich, er ist gelassen, souverän, er ist ganz einfach cool, wie man so schön sagt, der große Kommunikator, und da hatte es natürlich Angela Merkel bei Obamas Amtsvorgänger George Bush viel leichter. Der sprach wie er lief und ihm intellektuell ebenbürtig zu sein, dazu gehörte bei Gott nicht viel.

    Spengler: Das war mehr ein Verhältnis auf Augenhöhe?

    Buschschlüter: Ja. Sich als Angela Merkel jetzt gegen Barack Obama zu behaupten und sich gegen seine, ich würde es mal nennen, angeborene Lässigkeit zu behaupten, ist natürlich viel schwerer und da muss "Chancellor Merkel", wie Obama sie immer anredet, vielleicht einen besonderen femininen Touch finden. Herr Spengler, vielleicht sollte sie sich mal bei Ehefrau Michelle erkundigen, wie die am besten mit Barack Obama zurecht kommt.

    Spengler: Es kann ja noch werden. - Der US-Kenner, unser langjähriger Korrespondent Siegfried Buschschlüter. Herr Buschschlüter, danke für das Gespräch.

    Buschschlüter: Auf Wiederhören.