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Amri-Untersuchungsausschuss
Zeugin mit Doppelrolle

Beim heutigen Treffen des Untersuchungsausschusses zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz wird es vor allem um eine Ex-Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes gehen. Sie soll als Zeugin aussagen - obwohl sie Akteneinsicht hatte und an geheimen Sitzungen des Ausschusses teilnahm.

Von Claudia van Laak | 11.10.2018
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Chorweiler. Köln, 13.09.2018 | Verwendung weltweit
    Die Rolle des Verfassungsschutzes im Fall Anis Amri gehört zu den aufzuklärenden Fragen im Untersuchungsausschuss des Bundestags (dpa / picture alliance / Geisler-Fotopress)
    Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss arbeitet ähnlich wie ein Gericht. Zeuginnen und Zeugen werden vorgeladen und vernommen. Sie werden vorab aus dem Gerichtssaal geschickt, um nicht beeinflusst zu werden. Dass Zeugen an einer internen Sitzung einer Strafkammer teilnehmen könnten: ein Ding der Unmöglichkeit.
    Aber genau das ist im Amri-Untersuchungsausschuss passiert. Eine frühere Mitarbeiterin des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die mit dem Umfeld des Terroristen Anis Amri zu tun hatte, fungierte als offizielle Vertreterin des Bundesinnenministeriums. Sie kannte alle Akten, nahm an internen Beratungen des Untersuchungsausschusses teil.
    Das gefällt noch nicht einmal Parteifreunden von Bundesinnenminister Seehofer. Der CSU-Innenpolitiker Volker Ullrich:
    "Ich sehe in dem besagten Fall die Notwendigkeit zur Nachfrage und zur deutlicheren Aufklärung."
    Der Sprecher der SPD im Untersuchungsausschuss Fritz Felgentreu sagte, man erwarte künftig, dass das Innenministerium die Aufklärung unterstütze und nicht behindere.
    Versuche, Zeugenaussagen zu verhindern
    Die entsprechende Beamtin war in den letzten Sitzungen des Untersuchungsausschusses mehrfach aufgefallen. Immer wieder versuchte sie, Aussagen von Zeugen – in diesem Fall von Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz – zu verhindern. Die linke Abgeordnete Martina Renner ist sauer:
    "Da hat sie ihre Aufgabe einfach missbraucht an dieser Stelle. Jemand, der mit der Sache offenbar inhaltlich befasst war, hat dafür gesorgt, dass bestimmte Zusammenhänge vor dem Ausschuss geheim gehalten werden sollen. Und in dem Sinne hat sie auch die Zeugen bearbeitet. Das ist der Skandal, und deswegen ist sie jetzt nicht mehr da."
    Das Bundesinnenministerium hat die entsprechende Beamtin aus dem Untersuchungsausschuss abgezogen – aus Fürsorgepflicht gegenüber der Mitarbeiterin, wie es aus dem Ministerium heißt. Trotzdem ist die Empörung groß – Irene Mihalic von den Grünen hält den Vorgang für einen Skandal:
    "Dass sie für uns als Zeugin infrage kommt, aber natürlich durch ihre Anwesenheit auch bei geheimen Sitzungen durch die Kenntnis von Unterlagen, die dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt worden sind, sich natürlich optimal auf ihre Zeugenaussage vorbereiten kann. Und das erleben sie vor keinem Gericht in Deutschland, dass potenzielle Zeugen vorher an der Verhandlung teilnehmen können doer sogar Aktenkenntnis erhalten."
    Ist Aufklärung unter diesen Bedingungen möglich?
    Der Untersuchungsausschuss möchte heute in einer internen Sitzung vor der öffentlichen Zeugenbefragung vom Bundesinnenministerium wissen, welche Aufgabe die besagte Beamtin im Bundesamt für Verfassungsschutz hatte. Sie soll zwei Kontaktpersonen von Anis Amri im Blick gehabt haben. Der Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss Volker Ullrich:
    "Das wollen wir jetzt wissen, und ich halte nichts davon, bereits in der Öffentlichkeit über mögliche Ergebnisse zu spekulieren, die wir noch gar nicht kennen."
    Irene Mihalic von den Grünen geht davon aus, dass der Vorgang großen Einfluss auf die weitere Arbeit des Untersuchungsausschusses haben wird:
    "Wenn jetzt dieser Verdacht im Raum steht, dass eben die Rolle des Verfassungsschutzes aktiv vernebelt werden sollte, und die Aufklärung von der Bundesregierung so massiv gebremst wird, auch durch so eine Personalie, dann müssen wir uns ernsthaft die Frage stellen, ob wir als Untersuchungsausschuss überhaupt noch die Dinge aufklären können, die wir aufklären wollen."
    Für die Opposition im Bundestag ist das Verhalten von Innenministerium und Verfassungsschutz ein Hinweis darauf, dass die Bundessicherheitsbehörden im Fall Amri einiges zu verbergen haben.