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An den Haaren aus dem Sumpf

Wer derzeit die Staatsgalerie in Stuttgart besuchen will, steht vor verschlossenen Türen. "Wegen Renovierungsarbeiten und der kompletten Neuordnung" öffnet das Museum erst wieder im September. Denn der neuen Direktorin schwebt zunächst eine neue Hängung vor.

Von Christian Gampert |
    Jeder große Dampfer bekommt ein Problem, wenn der Kapitän von Bord geht; manche überstehen selbst kleinere Lotsen-Wechsel nur schlecht, weil auf einmal die Fahrtrichtung nicht mehr stimmt. Für die großen Kunst-Institutionen gilt das ebenso wie für die Seefahrt.

    Die Direktoren der Münchner Pinakotheken oder vom Städel und der Schirn in Frankfurt bewegen gewaltige Summen, und die Öffentlichkeit erwartet zu Recht ein Programm, das auch neue Gewässer erschließt. Schwierig wird es, wenn man für den Dampfer kaum noch den Sprit bezahlen kann. Die Stuttgarter Staatsgalerie hat unter dem Engländer Sean Rainbird in den letzten Jahren ein Programm gefahren, das aus der Not geboren war: Weil man für die großen Publikums- und Wechselausstellungen nur wenig Geld hatte, musste Rainbird mit der Sammlung arbeiten.

    Man suchte also Themen, die aus dem eigenen Depot bebildert werden konnten. Das hatte den schönen Effekt, dass man endlich sah, was die Stuttgarter einfach so im Keller haben; es hatte den Nachteil, dass der kuratorischen Fantasie enge Grenzen gezogen wurden. Rainbird hat dann doch noch ein paar Großausstellungen hingekriegt - zu den Präraffaeliten, zur englischen Romantik, zur deutschen Renaissance. Seine Haupttätigkeit bestand jedoch darin, die Sammlung der Staatsgalerie neu zu ordnen. Sie ist, oder vielmehr: Sie war in einer Epochen übergreifenden Synopse zu sehen, mit überraschenden Bezügen – neben Jerg Ratgeb stand Barnett Newman, Dix hing neben Dürer, Wols neben dem italienischen Barock.

    Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Direktorin Christiane Lange war es nun, dieses Konzept infrage zu stellen und die Rückkehr zu einer chronologischen Hängung anzukündigen. Es wird also alles wieder umgehängt. Zu diesem Zweck wird die Staatsgalerie in weiten Teilen für drei Monate geschlossen, bis zum 12.September. Das Publikum muss draußen bleiben, aber das ganze Haus, also die Mitarbeiter vom Kurator bis zu Techniker, stehen unter enormem Druck; sie arbeiten mit Volldampf, und das mitten in den baden-württembergischen Sommerferien.

    Es gibt sowohl für Sean Rainbirds als auch für Christiane Langes Hängungs-Konzept gute Gründe. Das Problem ist nur: Wenn jeder neue Direktor erst einmal das ganze Haus umkrempelt, dann bleibt für die eigentliche Aufgabe der Staatsgalerie, nämlich aus der Tradition heraus die aktuelle künstlerische und kunsttheoretische Debatte zu beflügeln, nicht mehr viel Raum. Zumal die Verweilzeit von Direktoren heute nicht mehr die zweistelligen Jahreszahlen von früher erreicht; das Karriere-Karussel dreht sich immer schneller. Das ständige Umräumen aber kostet Zeit und Energie, die man in die Gegenwartskunst investieren müsste.

    Früher, mit der begnadeten Karin von Maur als Kuratorin, hatte die Staatsgalerie einen Ruf auch in der klassischen Moderne. Heute herrscht da, auch mangels Geld aus der Landeskasse, ziemliche Ebbe. Christiane Lange wird in der Hauptsache Sponsorengelder für kommende Großausstellungen auftreiben müssen, soll die Stuttgarter Staatsgalerie nicht aus den großen Feuilletons verschwinden. An ihrem alten Arbeitsplatz, der Münchner "Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung", hatte sie dieses Problem eher weniger: Die dortigen Blockbuster-Ausstellungen waren finanziell gut abgepolstert. In Stuttgart Klinken zu putzen, ist aber nur scheinbar eine undankbare Aufgabe. Die hohen Herren von Daimler, Porsche oder IBM sind auch in der Krise durchaus spendabel - wenn man ihnen die richtigen Themen präsentiert …