Dirk Müller: Wenn die Ärzte zu einem Aktionstag aufrufen, dann kommt das zwar nicht so oft vor, aber wenn doch, eben wie heute, dann wird das äußerst unangenehm für Tausende, Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende Patienten im ganzen Land, von Garmisch bis nach Flensburg, denn sie stehen bei Beschwerden vor der geschlossenen Praxistür. Streik der niedergelassenen Ärzte gegen die Krankenkassen für höhere Honorare. Beide Seiten konnten sich bislang nicht auf einen Kompromiss einigen, die letzten Wochen zumindest. 3,5 Milliarden, die gefordert wurden, stehen dort 900 Millionen Euro entgegen, macht eine Differenz von 2,6 Milliarden, die die Ärzte mehr wollten, als das die Kassen bereit waren zu geben. Seit heute Nacht ist das alles anders: beide Seiten haben einen Kompromiss gefunden. Rund 1,3 Milliarden Euro gibt es jetzt wohl mehr. Das sind etwa drei bis vier Prozent Steigerung. Gestreikt wird aber trotzdem.
Am Telefon ist jetzt Eckhard Nagel, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, zudem Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum in Essen. Guten Morgen!
Eckhard Nagel: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Nagel, würden Sie als niedergelassener Arzt mitstreiken?
Nagel: Nein, ich würde nicht mitstreiken. Aber das liegt daran – das ist ja angeklungen auch schon in Ihrer Berichterstattung -, dass ich ethische Vorbehalte habe gegen einen Streik von Ärztinnen und Ärzten, einfach deshalb, weil hier Menschen getroffen werden, die es sich nicht aussuchen können, ob sie eine Behandlung brauchen oder nicht. Es ist ja immer die Diskussion, sind Patienten Kunden. Sicherlich können sie manchmal so gesehen werden. Aber zu allererst sind sie Patienten, die Not leiden, und deshalb ist ein Streik in diesem Bereich ausgesprochen schwierig.
Müller: Demnach handeln viele Berufskollegen von Ihnen verantwortungslos?
Nagel: Ich würde nicht sagen verantwortungslos, denn es gibt natürlich eine Notfallversorgung. Das ist die Grundlage überhaupt eines solchen Arbeitsausstandes. Aber natürlich ist es etwas, was zu Lasten von Personen geht, die diese Lasten eigentlich nicht zu tragen haben. Sie sollten sie auch nicht tragen, denn es gibt natürlich einen ärztlichen Behandlungsauftrag und der sagt, man muss für seine Patienten da sein.
Müller: Reden wir ein bisschen über die Inhalte, über den Streit, über die Auseinandersetzung. Da war von dreieinhalb Milliarden die Rede. Dann gab es wenige Hundert Millionen Euro als Erstes Kompromissangebot von den Kassen. Jetzt hat es eine Einigung heute Nacht gegeben, überraschend, damit haben die wenigsten gerechnet: 1,3 Milliarden mehr gibt es, ungefähr drei bis vier Prozent, je nach Region, je nach Ärztestand beziehungsweise nach konkreter Profession. Da haben viele Patienten, viele Kunden, viele Normalbürger gedacht, das kann doch nicht wahr sein, wie weit das auseinanderspreizt. Welche Seite war denn da aus dem Ruder gelaufen?
Nagel: Also das ist tatsächlich ausgesprochen schwierig festzustellen für die Gesellschaft insgesamt, denn es gibt überhaupt keine Transparenz im Hinblick auf die Finanzierung. Sie haben das schon in der Formulierung der Frage deutlich gemacht, wie kompliziert das Ganze ist, und das ist, glaube ich, eines der Grundprobleme. Es ist in unserer Republik so geregelt, dass Kassen, gesetzliche Krankenversicherungen und Ärzte selbst entscheiden, wer wie viel Geld zu bekommen hat, die Ärzte wiederum untereinander klären sollen, wie viel Geld die einzelnen Praxen bekommen, und da liegt sicherlich das Problem. Viele betroffene Ärztinnen und Ärzte bekommen heute für die Behandlung ihrer Patienten zu wenig Geld. Wo das Geld ansonsten aber bleibt, bleibt unübersichtlich, und deshalb kommt es immer wieder zu solchen Auseinandersetzungen. Wir haben das Problem, dass in der ambulanten Versorgung für viele Praxen, insbesondere bei den Hausärzten und Psychotherapeuten, zu wenig Geld bezahlt wird.
Müller: Also diejenigen, die dann heute auf die Straße gehen, beziehungsweise die die Türe abschließen, die haben ethisch ein Problem, das haben Sie eben gesagt. Aber nachvollziehbar ist das aus Ihrer Sicht?
Nagel: Absolut! Sie haben gerade ja einen Kinderarzt gehört. Kinderärzte gehören zu den Gruppen innerhalb der Ärzteschaft, die das wenigste Geld verdienen. Auch das ist ja ein Zeichen, wie eine Gesellschaft mit einer Problematik, mit der Unterstützung von Kindern umgeht. Also hier gibt es enormen Reformbedarf und man muss feststellen, die Selbstverwaltung droht hier zu scheitern, denn wenn wir jedes Jahr oder jedes zweite Jahr einen Ärztestreik haben, dann stimmt etwas mit der Grundstruktur unserer Selbstverwaltung nicht.
Müller: Herr Eckhard, wir haben darüber berichtet ja auch ausführlich im Deutschlandfunk: Konflikte zwischen Ärzte und Krankenkassen. Jetzt konzentrieren wir uns mal nur auf die Ärzte. Da haben wir folgende Zahlen gestern gefunden im Internet. Ich hoffe, die stimmen. Abzüglich aller Kosten bleiben einem Psychotherapeuten im Durchschnitt pro Monat knapp 4300 Euro, einem HNO-Arzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, rund 7500, einem Radiologen 9500. Und dann gibt es noch Nierenheilkundler, 21.200 Euro. Wie ist diese Differenz zu rechtfertigen?
Nagel: Also der Nierenheilkundler verdient deshalb so viel Geld, weil er Dialyse-Patienten behandelt, also eine technische Leistung erbringt. Die muss regelmäßig erbracht werden, seine Patienten kommen dreimal in der Woche oder müssen dreimal in der Woche kommen. Das ist ja eine schwere chronische Erkrankung. Deshalb hat er ein regelmäßiges Einkommen, was jedes Mal pro Woche dreimal gezahlt wird, oder mit einer Wochenpauschale, die hoch ist. Und ein Psychotherapeut sieht natürlich seinen Patienten vielleicht einmal oder zweimal im Monat, und dementsprechend bekommt er weniger. Das ist nachvollziehbar, aber ungerecht, weil die reine technische Leistung in diesem System seit Jahrzehnten besser bezahlt wird als die konkrete menschlich-ärztliche Zuwendung. Das ist immer kritisiert worden, das ist versucht worden, von der Politik zu verbessern. Aber wieder: hier ist die Selbstverwaltung, also die Ärzteschaft selbst verantwortlich, wie man untereinander verteilt, und da sind die starken Gruppen, die einkommensstarken Gruppen immer noch in der Lage, ihre Einkommen zu sichern, während die anderen häufig leer ausgehen.
Müller: Also die Ärzte sind selbst Schuld?
Nagel: Ja die Ärzte selber wohl weniger. Der Arzt in seiner Kinderarztpraxis oder Hausarzt kann ja daran nichts tun. Er kann zwar ab und zu wählen in den Selbstverwaltungsgremien, aber da hier klare Interessen überwiegen, ist es so, dass sich da wenig geändert hat. Ich muss feststellen, dass eben hier die Selbstbestimmung, die ja eine wichtige Grundlage und aus meiner Sicht tatsächlich die beste Organisationsform ist, dass die tatsächlich interessengeleitet nicht funktioniert. Und deshalb, sicher, muss es im System gelöst werden und nicht außerhalb. Und die Kassen tun einiges dazu, indem sie zum Beispiel dann immer wieder behaupten, auch in der Öffentlichkeit, dass die Ärzte zu viel Geld verdienen, was – das haben Sie ja gerade auch deutlich gemacht – nicht stimmt.
Müller: Aber wenn wir die Kassen noch einmal außen vor lassen, Herr Eckhard, dennoch noch einmal die Nachfrage: Das heißt, es liegt an der Ärzteschaft selbst oder an den gut verdienenden Ärzten, dass es den schlecht verdienenden Ärzten nicht besser geht?
Nagel: Ja, so kann man es sagen. Es ist auf jeden Fall so, dass die Verteidigungsstrategien zum Beispiel der Laborärzte und der Radiologen, eben auch solcher Ärzte, die viel Geld für eine Leistung bekommen, dass die Abwehrstrategien dazu führen, dass andere nach wie vor zu wenig verdienen. Und die Folge wird sein, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in die Niederlassung gehen. Die Problematik wird eines Tages nicht mehr Streik sein, sondern die Problematik wird in absehbarer Zeit sein, dass wir in vielen Teilen dieses Landes keine ausreichende ambulante ärztliche Versorgung mehr haben.
Müller: Jetzt sagt meine Kollegin aus der Regie gerade, ich habe Sie Herr Eckhard genannt. Wir sind noch nicht per Du, da habe ich mich versprochen, tut mir leid. – Herr Nagel!
Nagel: Herr Müller, kein Problem.
Müller: Abschließende Frage, Herr Nagel, mit Blick nach vorne. Wird sich daran, an dieser ungerechten Verteilung, auf absehbare Zeit etwas ändern können?
Nagel: Ich hoffe ja, denn genau das, was heute passiert, nämlich dass wieder ein "Ausstand" der Ärzteschaft, insbesondere aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Praxen stattfindet, ist ein Zeichen, dass wir in eine Konfliktsituation geraten sind, die sich eben nicht mehr auflösen lässt, ohne solche massiven Maßnahmen, eben mit der Problematik für die Patientinnen und Patienten. Dafür werden auf Dauer Patienten in unserem Land auch kein Verständnis haben. Entweder es gelingt der Selbstverwaltung, hier eine Lösung zu finden, die eine gerechte Verteilung und eine ausreichende Finanzierung möglich macht, oder aber die Politik ist gefordert, hier in die Selbstverwaltung einzugreifen. Ich hoffe, dass dies nicht der Fall sein muss.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Eckhard Nagel, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Uni Bayreuth. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Nagel: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon ist jetzt Eckhard Nagel, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, zudem Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum in Essen. Guten Morgen!
Eckhard Nagel: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Nagel, würden Sie als niedergelassener Arzt mitstreiken?
Nagel: Nein, ich würde nicht mitstreiken. Aber das liegt daran – das ist ja angeklungen auch schon in Ihrer Berichterstattung -, dass ich ethische Vorbehalte habe gegen einen Streik von Ärztinnen und Ärzten, einfach deshalb, weil hier Menschen getroffen werden, die es sich nicht aussuchen können, ob sie eine Behandlung brauchen oder nicht. Es ist ja immer die Diskussion, sind Patienten Kunden. Sicherlich können sie manchmal so gesehen werden. Aber zu allererst sind sie Patienten, die Not leiden, und deshalb ist ein Streik in diesem Bereich ausgesprochen schwierig.
Müller: Demnach handeln viele Berufskollegen von Ihnen verantwortungslos?
Nagel: Ich würde nicht sagen verantwortungslos, denn es gibt natürlich eine Notfallversorgung. Das ist die Grundlage überhaupt eines solchen Arbeitsausstandes. Aber natürlich ist es etwas, was zu Lasten von Personen geht, die diese Lasten eigentlich nicht zu tragen haben. Sie sollten sie auch nicht tragen, denn es gibt natürlich einen ärztlichen Behandlungsauftrag und der sagt, man muss für seine Patienten da sein.
Müller: Reden wir ein bisschen über die Inhalte, über den Streit, über die Auseinandersetzung. Da war von dreieinhalb Milliarden die Rede. Dann gab es wenige Hundert Millionen Euro als Erstes Kompromissangebot von den Kassen. Jetzt hat es eine Einigung heute Nacht gegeben, überraschend, damit haben die wenigsten gerechnet: 1,3 Milliarden mehr gibt es, ungefähr drei bis vier Prozent, je nach Region, je nach Ärztestand beziehungsweise nach konkreter Profession. Da haben viele Patienten, viele Kunden, viele Normalbürger gedacht, das kann doch nicht wahr sein, wie weit das auseinanderspreizt. Welche Seite war denn da aus dem Ruder gelaufen?
Nagel: Also das ist tatsächlich ausgesprochen schwierig festzustellen für die Gesellschaft insgesamt, denn es gibt überhaupt keine Transparenz im Hinblick auf die Finanzierung. Sie haben das schon in der Formulierung der Frage deutlich gemacht, wie kompliziert das Ganze ist, und das ist, glaube ich, eines der Grundprobleme. Es ist in unserer Republik so geregelt, dass Kassen, gesetzliche Krankenversicherungen und Ärzte selbst entscheiden, wer wie viel Geld zu bekommen hat, die Ärzte wiederum untereinander klären sollen, wie viel Geld die einzelnen Praxen bekommen, und da liegt sicherlich das Problem. Viele betroffene Ärztinnen und Ärzte bekommen heute für die Behandlung ihrer Patienten zu wenig Geld. Wo das Geld ansonsten aber bleibt, bleibt unübersichtlich, und deshalb kommt es immer wieder zu solchen Auseinandersetzungen. Wir haben das Problem, dass in der ambulanten Versorgung für viele Praxen, insbesondere bei den Hausärzten und Psychotherapeuten, zu wenig Geld bezahlt wird.
Müller: Also diejenigen, die dann heute auf die Straße gehen, beziehungsweise die die Türe abschließen, die haben ethisch ein Problem, das haben Sie eben gesagt. Aber nachvollziehbar ist das aus Ihrer Sicht?
Nagel: Absolut! Sie haben gerade ja einen Kinderarzt gehört. Kinderärzte gehören zu den Gruppen innerhalb der Ärzteschaft, die das wenigste Geld verdienen. Auch das ist ja ein Zeichen, wie eine Gesellschaft mit einer Problematik, mit der Unterstützung von Kindern umgeht. Also hier gibt es enormen Reformbedarf und man muss feststellen, die Selbstverwaltung droht hier zu scheitern, denn wenn wir jedes Jahr oder jedes zweite Jahr einen Ärztestreik haben, dann stimmt etwas mit der Grundstruktur unserer Selbstverwaltung nicht.
Müller: Herr Eckhard, wir haben darüber berichtet ja auch ausführlich im Deutschlandfunk: Konflikte zwischen Ärzte und Krankenkassen. Jetzt konzentrieren wir uns mal nur auf die Ärzte. Da haben wir folgende Zahlen gestern gefunden im Internet. Ich hoffe, die stimmen. Abzüglich aller Kosten bleiben einem Psychotherapeuten im Durchschnitt pro Monat knapp 4300 Euro, einem HNO-Arzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, rund 7500, einem Radiologen 9500. Und dann gibt es noch Nierenheilkundler, 21.200 Euro. Wie ist diese Differenz zu rechtfertigen?
Nagel: Also der Nierenheilkundler verdient deshalb so viel Geld, weil er Dialyse-Patienten behandelt, also eine technische Leistung erbringt. Die muss regelmäßig erbracht werden, seine Patienten kommen dreimal in der Woche oder müssen dreimal in der Woche kommen. Das ist ja eine schwere chronische Erkrankung. Deshalb hat er ein regelmäßiges Einkommen, was jedes Mal pro Woche dreimal gezahlt wird, oder mit einer Wochenpauschale, die hoch ist. Und ein Psychotherapeut sieht natürlich seinen Patienten vielleicht einmal oder zweimal im Monat, und dementsprechend bekommt er weniger. Das ist nachvollziehbar, aber ungerecht, weil die reine technische Leistung in diesem System seit Jahrzehnten besser bezahlt wird als die konkrete menschlich-ärztliche Zuwendung. Das ist immer kritisiert worden, das ist versucht worden, von der Politik zu verbessern. Aber wieder: hier ist die Selbstverwaltung, also die Ärzteschaft selbst verantwortlich, wie man untereinander verteilt, und da sind die starken Gruppen, die einkommensstarken Gruppen immer noch in der Lage, ihre Einkommen zu sichern, während die anderen häufig leer ausgehen.
Müller: Also die Ärzte sind selbst Schuld?
Nagel: Ja die Ärzte selber wohl weniger. Der Arzt in seiner Kinderarztpraxis oder Hausarzt kann ja daran nichts tun. Er kann zwar ab und zu wählen in den Selbstverwaltungsgremien, aber da hier klare Interessen überwiegen, ist es so, dass sich da wenig geändert hat. Ich muss feststellen, dass eben hier die Selbstbestimmung, die ja eine wichtige Grundlage und aus meiner Sicht tatsächlich die beste Organisationsform ist, dass die tatsächlich interessengeleitet nicht funktioniert. Und deshalb, sicher, muss es im System gelöst werden und nicht außerhalb. Und die Kassen tun einiges dazu, indem sie zum Beispiel dann immer wieder behaupten, auch in der Öffentlichkeit, dass die Ärzte zu viel Geld verdienen, was – das haben Sie ja gerade auch deutlich gemacht – nicht stimmt.
Müller: Aber wenn wir die Kassen noch einmal außen vor lassen, Herr Eckhard, dennoch noch einmal die Nachfrage: Das heißt, es liegt an der Ärzteschaft selbst oder an den gut verdienenden Ärzten, dass es den schlecht verdienenden Ärzten nicht besser geht?
Nagel: Ja, so kann man es sagen. Es ist auf jeden Fall so, dass die Verteidigungsstrategien zum Beispiel der Laborärzte und der Radiologen, eben auch solcher Ärzte, die viel Geld für eine Leistung bekommen, dass die Abwehrstrategien dazu führen, dass andere nach wie vor zu wenig verdienen. Und die Folge wird sein, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in die Niederlassung gehen. Die Problematik wird eines Tages nicht mehr Streik sein, sondern die Problematik wird in absehbarer Zeit sein, dass wir in vielen Teilen dieses Landes keine ausreichende ambulante ärztliche Versorgung mehr haben.
Müller: Jetzt sagt meine Kollegin aus der Regie gerade, ich habe Sie Herr Eckhard genannt. Wir sind noch nicht per Du, da habe ich mich versprochen, tut mir leid. – Herr Nagel!
Nagel: Herr Müller, kein Problem.
Müller: Abschließende Frage, Herr Nagel, mit Blick nach vorne. Wird sich daran, an dieser ungerechten Verteilung, auf absehbare Zeit etwas ändern können?
Nagel: Ich hoffe ja, denn genau das, was heute passiert, nämlich dass wieder ein "Ausstand" der Ärzteschaft, insbesondere aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Praxen stattfindet, ist ein Zeichen, dass wir in eine Konfliktsituation geraten sind, die sich eben nicht mehr auflösen lässt, ohne solche massiven Maßnahmen, eben mit der Problematik für die Patientinnen und Patienten. Dafür werden auf Dauer Patienten in unserem Land auch kein Verständnis haben. Entweder es gelingt der Selbstverwaltung, hier eine Lösung zu finden, die eine gerechte Verteilung und eine ausreichende Finanzierung möglich macht, oder aber die Politik ist gefordert, hier in die Selbstverwaltung einzugreifen. Ich hoffe, dass dies nicht der Fall sein muss.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Eckhard Nagel, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Uni Bayreuth. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Nagel: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.