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Anabolika-Missbrauch
Westdeutsche Top-Leichtathleten gestehen Anabolika-Einnahme

Etliche ehemalige Weltklasse-Leichtathleten aus dem früheren Westdeutschland haben zugegeben, teilweise über Jahre hinweg massiv Medikamente zur Leistungssteigerung eingenommen zu haben. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Dissertation der Universität Hamburg hervor. Eine Dissertation, die ins Herz westdeutscher Leichtathletik trifft und in der die Athleten selbst mit einem Mythos aufräumen.

Von Bastian Rudde |
    Dopingproben in einem Labor
    Anabolika-Missbrauch scheint auch in der früheren Bundesrepublik weit verbreitet gewesen zu sein. (imago )
    Klaus-Peter Hennig war mal ein ziemlich guter Diskuswerfer. Er war mehrmals Deutscher Meister und hat an zwei Olympischen Sommerspielen teilgenommen - 1968 in Mexiko-City und 1972 in München. Doch irgendwann in seiner Karriere geriet Klaus-Peter Hennig in eine Zwickmühle. "Auf der einen Seite will ich selber Leistung, hohe Leistung schaffen, will die Olympiaqualifizierung schaffen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass das ohne unterstützende Mittel nicht geht. Das ist ein Dilemma."
    Der Auswege aus diesem Dilemma hieß für Klaus-Peter Hennig: Anabolika. Mit Unterbrechungen habe er über einen Zeitraum von sieben Jahren Dianabol genommen. Phasenweise morgens, mittags, abends jeweils eine Tablette. An die Pillen ranzukommen war ziemlich unkompliziert. "Wir kriegten ein Rezept und das haben wir eingereicht in der Apotheke. Und die bekam das Geld von der Krankenkasse. So war das, ganz einfach."
    Anabolika auf Rezept, besorgt in der Apotheke
    Anabolika auf Rezept des Arztes, besorgt in der Apotheke. Der Ex-Diskuswerfer Hennig ist einer von 121 ehemaligen Top-Leichtathleten aus den 1960 bis 80er Jahren, die Simon Krivec für seine bisher unveröffentlichte Doktorarbeit an der Universität Hamburg befragt hatte. Diese Arbeit liegt dem WDR-Sporthintergrundmagazin "sport inside" vor. 31 Athleten antworten Simon Krivec darin größtenteils anonym, dass sie teilweise massiv viele anabole Steroide genommen hätten - auch, nachdem Anabolika 1970 vom Welt-Leichtathletikverband verboten wurden. "Unfassbar, dass bis heute angenommen wird, dass das nur ein kleiner Teil eingenommen hat!"
    Mit dieser Verharmlosung will er aufräumen - und auch mit dem Mythos, dass früher nur im Osten, in der DDR, gedopt wurde. Dass es auch im Westen teilweise eine Dopingkultur gab, haben zwar auch schon andere Untersuchungen nahegelegt. Doch die aktuelle Dissertation liefert noch mal neue Erkenntnisse, sagt der renommierte Dopingforscher Gerhard Treutlein. "Es ist toll, wie viel Gesprächspartner, beziehungsweise wie viel Beantworter von Fragebögen Simon Krivec gefunden hat und wie viele Details dann über das Doping bekannt geworden sind - vor allem auch über die Frühzeit des Anabolikadopings in der Bundesrepublik."
    Kein Staatsdoping in der BRD, eher Missbrauch in Eigenregie
    Die lieferte sich einen erbitterten sportlichen Zweikampf mit der DDR. Dort wurde per Staatsplan gedopt. Der Anabolikamissbrauch im Westen fand eher in Eigenregie des Sportlers und seines direkten Umfeldes aus Ärzten und Trainern statt, sagt Simon Krivec. Dennoch spricht er von einer Art Duldung im Deutschen Leichtathletikverband und von einem generellen Anabolika-Problem.
    "Ich habe die Athleten nach ihrem Unrechtsbewusstsein gefragt und alle haben mir zurückgeschrieben, dass sie kein Unrechtsbewusstsein haben, weil eigentlich haben es ja alle gemacht."
    Auch der Diskuswerfer Klaus-Peter Hennig und der sagt: Die Zwickmühle, Leistung bringen zu wollen und zu wissen, dass man ohne verbotene Mittel vielleicht nicht mithalten kann, die gab es nicht nur in den 60ern, 70ern und 80ern. "Das ist ein Dilemma, in dem wir damals waren, und in dem die Athleten heute eigentlich auch sind."