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Analyse
Wie Spotify die Musikindustrie verändert hat

Das CD- oder Plattenregal: Lange Zeit gehörte es zum festen Bestandteil eines jeden Wohnzimmers. Inzwischen wird Musik aber vielfach auf anderen Kanälen gehört, auch mit dem Musik-Streamingdienst Spotify. Dlf-Musikredakteur Tim Schauen über die Konsequenzen für Bands, Labels und Nutzer.

Von Tim Schauen | 03.04.2018
    Die App Spotify ist auf einem iPad zu sehen.
    Die App Spotify ist auf einem iPad zu sehen. (dpa / picture alliance / Ole Spata)
    Wie hat der Streamingdienst die Musikindustrie verändert?
    Das Phänomen ist längst bekannt: Die Konsumenten geben immer weniger Geld für Musik aus, denn die gibt es ja "gratis" im Internet.
    Das fing in den 1990er-Jahren mit den großen Datei-Tauschbörsen wie zum Beispiel Napster an, wo Filme, Musik, Software im großen Stil gratis herumgereicht wurden. Nun gibt es Spotify als Nummer 1 der Streamingdienste, dahinter folgen Amazon Prime und Apple Music.
    Welche Konsequenzen hat das für die Musikindustrie?
    Die CD-Verkäufe sinken. Deshalb können Musiker von ihrer Musik immer schlechter leben. Auch die Vorschüsse von Plattenfirmen sind viel geringer, denn die Plattenfirmen wiederum gehen immer weniger ins Risiko. Das bedeutet auch, dass die Studiozeiten für junge Bands lange nicht mehr so großzügig bemessen werden. Die Alben müssen folglich schneller entstehen - also deutlich schlechtere Produktionsbedingungen.
    Die meisten Künstler müssen ihr Geld also mit Live-Konzerten verdienen und dieser Markt boomt! Das Angebot an Konzerten ist groß, die Nachfrage ebenfalls - deshalb steigen die Ticketpreise.
    Wer profitiert davon, dass es Spotify gibt, wenn der Streamingdienst schon selbst keine schwarzen Zahlen schreibt?
    Ganz klar die Plattenfirmen und zwar nur die ganz Großen: Mehr als 75 Cent jedes Euros, den Spotify einnimmt, gehen an drei Platten-Labels: Sony Music, Warner, Universal. Aber auch an die Hörerinnen und Hörer, denn die haben den Katalog der Musikgeschichte mehr oder weniger mit ihrem Smartphone in der Hosentasche dabei.
    Segen für die Plattenfirmen, für wen ist der Streamingdienst dann eher Fluch?
    Ganz klar: die Musiker!
    Die drei großen Labels halten über 80 Prozent der Rechte am musikalischen Inhalt, der bei Spotify vertrieben wird. Und sie haben die Künstler oft gar nicht befragt und befragen müssen, ob Musik dort, bei Spotify, überhaupt angeboten werden darf. Je nach Vertrag halten die Künstler die Rechte an ihren Songs nicht mehr, die Rechte liegen bei Plattenlabels oder Musikverlagen.
    Der zweite Aspekt ist die finanzielle Abgeltung: Je nach Vertrag erhalten Musiker 0,6 bis 0,84 Cent pro abgespieltem Song - und das auch nur, wenn dieser Song mindestens 30 Sekunden abgespielt wurde, erst dann zählt der Song als abgespielt. Das sind für 10.000 Streams gerade mal 60 bis 84 Dollar.
    Ein paar Zahlen können die Dimension verdeutlichen: Zu den "dicken Fischen" zählt Ed Sheeran mit "Shape of you". Das war der meistgespielte Song bei Spotify 2017 mit 1,7 Milliarden Plays. Ein weiterer erfolgreicher Künstler ist Drake mit über einer Milliarde Plays, in einem ählichen Umfang lief Justin Bieber mit "Love yourself".
    Ältere Hits wie "Beat it" von Michael Jackson erzielten hingegen 360 Millionen Plays, "Stairway to heaven" von Led Zeppelin 190 Millionen. Spotify ist für jüngere Konsumenten interessant, die es nicht mehr gewohnt sind, eine CD oder gar LP zu kaufen. Im Klassikmarkt ist Spotify immer noch so gut wie nicht relevant
    Wird Spotify irgendwann profitabel – auch für Musiker?
    Dafür müsste man zuerst sicherstellen, dass es bis dahin noch Musiker gibt - denn die möchten ja nicht nur brotlose Kunst machen, sondern auch Rechnungen bezahlen können.
    Die großen Stars könnten Spotify helfen, profitabel zu sein, aber dazu müssen noch viel mehr Menschen für den Dienst auch bezahlen - denn "Nutzer" kann man auch mit der Gratisversion mit Werbung sein. Abonnenten sind Ende 2017 gut 70 Millionen Menschen gewesen.
    Allerdings: Es gibt viele junge Menschen, die kein Geld für Musik ausgeben wollen oder auch können und fast alles, was sie suchen, bei YouTube finden.