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Andenhochland
CO2 speicherndes Hochmoor bedroht

Er speichert dauerhaft mehr CO2 als der Amazonas-Regenwald, wie Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben: der Páramo, eine Moor-Landschaft in Hochanden. Doch ebenso wie den Regenwald zerstört der Mensch auch das einzigartige Ökosystem des Páramo - mit fatalen Folgen auch für die Menschen vor Ort.

Von Christiane Habermalz | 09.10.2019
Unterwegs im ca. 4000 Meter hoch gelegenen Cotopaxi Nationalpark - er ist vor allem geprägt durch das typische ecuadorianische Grasland und kleinere Wasserläufe und trotz der Höhe üppigen Vegetation, aufgenommen am 15.10.2016. Foto: Reinhard Kaufhold/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Der Páramo saugt Wasser aus Nebel und Wolken auf und leitet es über unzählige Bächlein in umliegende Täler. (dpa)
Kalt ist es und unwirtlich, die Vegetation besteht vor allem aus Flechten, Moosen und Gräsern. Und doch ist das Andenhochland von großer Schönheit: Bizarre Schopfgräser und Rosettenpflanzen verleihen der Landschaft etwas exotisches.
Der Páramo erstreckt sich über die nördlichen Anden Lateinamerikas und beginnt oberhalb des Nebelwaldes ab rund 3.800 Metern Höhe. Für Mensch und Tier ist er von großer Bedeutung. Er ist ein Hotspot der Artenvielfalt, mit Spezies, die zum Teil nur hier vorkommen: Brillenbären und Andentapire, Frösche und Reptilien, zahllose Vogelarten von Kondor bis Kolibri.
Der Mensch macht die Landschaft zunichte
Und er ist ein wichtiges Wasserreservoir. Wie ein Schwamm saugt die meterdicke Vegetation das Wasser aus Wolken und Nebel auf und gibt es in unzähligen kleinen Flüssen und Rinnsalen an die Täler ab. Doch der Páramo ist hochbedroht. Nicht nur vom Klimawandel, sondern auch durch illegalen Bergbau, Trockenlegung und Abbrennen.
"Die Leute brennen den Páramo ab, damit das schnell nachwachsende Gras vom Vieh gefressen werden kann. Das wird einmal im Jahr gemacht. Der ganze Páramo wird zerstört, die Artenvielfalt geht verloren. Über die Jahre bleibt nichts mehr übrig, der Boden ist für nichts mehr zu gebrauchen", klagt Susana Escandón. Die Biologin arbeitet für EPMAPS, die Wasserwerke von Quito.
Ein Naturreservat - auf dem Papier
Die ecuadorianische Hauptstadt mit ihren 1,6 Millionen Einwohnern ist für die Wasserversorgung auf den Páramo rund um den Vulkan Antisana angewiesen, ebenso wie die umliegenden Dörfer. Zwar wurde bereits 1993 das Naturreservat Antisana gegründet. Doch nur auf dem Papier: Ein Großteil der Fläche befand sich weiterhin in Privatbesitz.
Ein Rinderfarmer bewirtschaftete dort seit Generationen eine Fläche so groß wie Berlin mit zuletzt rund 35.000 Schafen und Rindern. Die Hufe der Tiere zertrampelten die empfindliche Vegetation, die Exkremente verschmutzten das Wasser. Erst als vor einigen Jahren die Tochter des damaligen Präsidenten Rafael Correa beim Bergwandern durch das Naturreservat auf Zäune und verschlossene Tore stieß, kam Bewegung in die Sache.
"Der Angestellte des Großgrundbesitzers wollte sie ohne Unterschrift des Patron nicht durchlassen, obwohl sie mit Leibwächter und allem unterwegs war. Als sie das empört ihrem Vater erzählte, kam auf einmal die Frage auf: Wie kann es sein, dass ein Naturreservat nicht frei zugänglich ist? Und plötzlich erhielt das Umweltministerium die Anweisung, die Farm zu kaufen - nachdem wir uns jahrelang darum bemüht hatten. Aber es gab dafür nie politische Rückendeckung."
Staat kauft Land, um zu retten, was zu retten ist
2011 schließlich konnten die Wasserwerke Quito die Farm kaufen. 2016 erwarb eine speziell zum Schutz der Wasserversorgung gegründete Allianz aus Staat, Unternehmen und Umweltorganisationen, die Stiftung Fonag, eine weitere Rinderfarm. Insgesamt stehen heute 144.000 Hektar unter Schutz - etwa ein Zehntel des ecuadorianischen Páramos.
Doch die Schäden durch die Beweidung sind groß. An vielen Stellen schaut der nackte Fels hervor. Die empfindlichen Moose und Flechten sind verdichtet und haben an vielen Stellen ihre Fähigkeit, Wasser zu speichern, verloren. Die Regeneration ist nur sehr schwer möglich, erklärt die Biologin Silvia Salgado von der Stiftung Fonag.
"Was wir getan haben ist, kleine Deiche zu bauen, um das Wasser daran zu hindern, abzufließen, und das weitere Austrocknen der Vegetation zu stoppen. Und die ersten Daten aus diesen letzten zwei Jahren zeigen, dass sich der Boden ein klein wenig verbessert hat. Es geht sehr langsam, aber es ist ein kleiner Schritt."
Moor speichtert CO2
Jedoch ein bedeutsamer. Denn der Páramo, das haben erste Messungen ergeben, bindet dauerhaft mehr CO2 als der Regenwald. Wieviel genau, das versucht Luna Delarue, Leiterin der Wissenschaftsstation von Fonag, herauszufinden - auch um mehr internationale Unterstützung für den Schutz zu erhalten.
"Jeder schaut auf den Amazonas-Regenwald, doch dass der Páramo, diese Moore der tropischen Hochanden, ebenso wichtig für den Klimaschutz ist, ist wenig bekannt. Vielleicht hier bei uns, aber kaum auf internationaler Ebene."
Dennoch geht die Zerstörung des Andenhochlands weiter. Allein in Ecuador ist rund ein Drittel des Öksosystems bereits erodiert und verödet, ein weiteres Drittel durch menschliche Aktivitäten stark verändert. Mit langfristig fatalen Folgen für die Bevölkerung - und für das Weltklima.