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Anerkennung Palästinas
"Wichtiges Zeichen für Selbstbestimmung"

Der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht hat sich für die Anerkennung eines Staates Palästina ausgesprochen. Den Wunsch der Bevölkerung gebe es schon lange und dieser sei absolut berechtigt, sagte Albrecht im DLF vor der Abstimmung im EU-Parlament. Notwendig seien aber vor allem Friedensverhandlungen.

Jan Philipp Albrecht im Gespräch mit Friedbert Meurer | 17.12.2014
    Der Grünen-Politiker Jan-Philipp Albrecht
    Der Grünen-Politiker Jan-Philipp Albrecht (Bodo Marks / dpa)
    Nach Ansicht von Albrecht wäre eine Anerkennung Palästinas als Staat ein wichtiges Zeichen für mehr Selbstbestimmung der Palästinenser. Dennoch würde die Anerkennung durch das EU-Parlament nicht die Lösung des Nahost-Konflikts bedeuten, betonte er im Deutschlandfunk. "Klar ist: Wir brauchen Friedensverhandlungen."
    Beide Parteien - Israelis und Palästinenser - müssten an einem Tisch miteinander reden. Ein lebhafter Prozess wie bei den Oslo-Verhandlungen in den 1990er-Jahren sei notwendig. Israel müsse sicherstellen, dass sich Palästinenser frei entfalten könnten. Auf der anderen Seite bräuchte ein Staat Palästina eine starke Führung, damit die Gewalt verhindert werde.
    Das Europäische Parlament will am Mittwochmittag über die Anerkennung Palästinas entscheiden. Das Votum ist vor allem symbolisch. Ob Palästina völkerrechtlich anerkannt wird oder nicht, ist Sache der Regierungen.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Im Europaparlament soll heute über eine Resolution abgestimmt werden, ob und wann die Palästinenser einen eigenen Staat erhalten sollen. Noch gehen die Abgeordneten nicht so weit zu sagen, wir erkennen Palästina jetzt als Staat an, wie das vor kurzem die schwedische Regierung getan hat oder auch einige nationale Parlamente, immerhin die von Großbritannien, Frankreich und Spanien auch.
    Jan Philipp Albrecht ist Europaabgeordneter der Grünen, Mitglied der Israel-Delegation des Europaparlaments. Guten Morgen, Herr Albrecht.
    Jan Philipp Albrecht: Guten Morgen!
    Meurer: Soll die EU lieber heute als morgen Palästina als eigenen Staat anerkennen?
    Albrecht: Die Anerkennung ist ein wichtiger Schritt und ist auch ein wichtiges Zeichen für die Selbstbestimmung der Palästinenser und ein Teil dessen, von dem, was wir erreichen müssen jetzt in diesem Friedensprozess, und deswegen ist auch diese Resolution des Europäischen Parlaments ein wichtiger Schritt. Klar ist aber, wir brauchen Friedensverhandlungen. Wir müssen dafür sorgen, dass beide Parteien wieder zurück an den Tisch mit Verhandlungen kehren, und da ist noch einiges zu klären.
    Meurer: Der Kompromiss sieht vor, wenn Friedensgespräche so weit sind, dass man sagen kann, da sind jetzt wirklich substanzielle Fortschritte erreicht, dann soll die EU Palästina anerkennen. Aber die ursprüngliche Position der Grünen, Ihrer Partei war es doch zu sagen, wir anerkennen Palästina sofort. Ist das auch Ihre Position?
    Albrecht: Wir haben tatsächlich als Grüne gesagt, als Zeichen, auch um Druck auszuüben, sowohl auf die Israelis, die Fakten schaffen durch den Siedlungsbau im Westjordanland, als auch auf die Palästinenser, um zu zeigen, ihr müsst auch eure Verpflichtungen im Wege des Staatsaufbaus wahrnehmen, dass man da jetzt schneller sagt, wir erkennen diesen Staat einfach an, sagen aber ganz klar, es braucht weitere Verhandlungen. In diesem Kompromiss ist das jetzt stärker auf die Verhandlungen noch mal gemünzt. Auch dafür gibt es viele bei den Grünen, die Verständnis und auch den Wunsch haben, dass es in diese Richtung geht.
    Israelische Soldaten auf Patrouille
    Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästina - Israelische Soldaten auf Patrouille (imago / Eibner International)
    "Administration muss für Ende der Gewalt sorgen"
    Meurer: Wird die Anerkennung jetzt auf die lange Bank geschoben?
    Albrecht: Nein, ich glaube nicht. Ich denke, es wird dazu kommen, dass Palästina als Staat anerkannt wird auch von weiteren Ländern. Es gibt ja schon viele Länder, die das anerkannt haben. Nur der Punkt ist, letztendlich ist das nicht die Lösung für diesen Konflikt, denn die eigentlichen Fragen bleiben damit ungeklärt. Wir müssen dafür sorgen, dass tatsächlich Frieden geschaffen wird, das heißt die Palästinenser, die Administration dort dafür sorgt, dass die Gewalt endlich aufhört. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Israel sicherstellt, dass ein Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser tatsächlich entfaltet werden kann, dort auch nicht einfach die Fakten geschaffen werden, dass da keine weiteren Entwicklungen möglich sind, und das muss besser heute passieren als morgen. Darauf kommt es an und da braucht es eine geeinte Stimme der Europäischen Union.
    Meurer: Wenn die Anerkennung eines Palästinenserstaates nicht die Lösung ist, wie Sie sagen, wie viel bringt sie denn dann überhaupt?
    Albrecht: Es ist einfach natürlich jetzt schon eine Frage, inwiefern man die Interessen beider Seiten tatsächlich ernst nimmt, und dazu gehört der Wunsch der Palästinenser nach einem eigenen Staat. Der ist schon sehr lange da und natürlich auch absolut berechtigt. Wir müssen dafür sorgen, dass sie auch die eigenen Möglichkeiten haben, sich als Staat zu konstituieren und ihre Rechte wahrzunehmen. Aber dazu gehören natürlich auch die Pflichten, und die Pflichten in diesem Prozess sind auch, die Sicherheit Israels zu gewährleisten, und da braucht es dann auch eine starke Führung in diesem Staat Palästina, die dafür sorgt, dass dieser Weg der Gewalttätigkeit beendet wird.
    Meurer: Die Situation zwischen Israelis und Palästinensern wird ja immer verzweifelter, immer härter. Es kommt zu Mordanschlägen an Zivilisten, das wird dann von Palästinensern begrüßt. Der Hass ist unendlich groß geworden. Kennen Sie noch irgendjemand in Israel, der sagt, wir brauchen einen Palästinenserstaat?
    Albrecht: Es gibt diese Teile in der israelischen Gesellschaft und ich glaube, es ist jetzt wirklich auch Fingerspitzengefühl der Europäer gefragt, denn durch die Neuwahlen, die in Israel stattfinden werden, haben wir eine Situation, in der wir diese Teile in der Politik in Israel ansprechen müssen und ihnen sagen müssen, dass wir an der Seite derer stehen, die auch in Israel noch Hoffnungen schaffen wollen für einen Frieden, für einen dauerhaften Frieden beider Staaten und für einen dauerhaften Frieden auch für einen Staat Israel in dieser Region, und wir können nur hoffen, dass das auch trägt und am Ende dafür sorgt, dass auch in Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann haben wir mehr verloren, als das vielleicht bisher der Fall war.
    Auf der israelische Flagge spiegelt sich der Schatten einer Person
    In Israel sind Verhandlungspartner für einen Frieden noch vorhanden, glaubt Albrecht. (picture-alliance/ dpa/ Xavier de Torres/Maxppp)
    "Die Europäische Union setzt ein Zeichen"
    Meurer: Will sich die Europäische Union mit dieser Resolution heute, wie sie verabschiedet wird, wieder stärker ins Spiel im Nahen Osten bringen?
    Albrecht: Ja. Das Europäische Parlament setzt hier auch ein Zeichen, dass es möglich ist, sich zu einigen über viele unterschiedliche Parteien, aber auch über die sehr starken Spaltungen, die dieser Konflikt auch in Europa hinterlässt, und ich glaube, das ist das wichtigste Zeichen, das wir setzen können, denn was hilft es in diesem Konflikt und wie sollen wir den Konflikt lösen, wenn wir ihn letztendlich immer wieder auch hier nach Europa und in die europäischen Mitgliedsstaaten transportieren. Wir müssen uns einigen und wir können nur dann eine hilfreiche Stimme sein, wenn wir versuchen, diese Brücken auch wirklich zu schlagen.
    Meurer: Diese Resolution wird ja quasi der neuen Außenbeauftragten Mogherini aus Italien ins Gepäck gegeben. Die plant eine neue Nahost-Initiative. Wissen Sie, was sie vorhat?
    Albrecht: Ich denke, der Europäischen Union kann es hier nur darum gehen, die Verhandlungsgespräche wieder zum Leben zu erwecken, wieder einen lebhaften Verhandlungsprozess zu erreichen, wie es zum Beispiel im Rahmen der Oslo-Verhandlungen schon mal der Fall war. Das ist jetzt schon eine ganze Weile her, aber das ist der Prozess, wo die Zwei-Staaten-Lösung letztendlich als Lösung auf den Tisch gelegt wurde, und wir müssen dafür sorgen, dass in absehbarer Zeit diese Zwei-Staaten-Lösung zur Realität wird. Das muss das Ziel einer solchen Initiative sein und ich gehe davon aus, dass das jetzt auch der Fall ist.
    Meurer: Das Europaparlament will heute eine Resolution verabschieden, in der es um die Anerkennung eines eigenen Palästinenser-Staates gehen wird. Jan Philipp Albrecht ist Mitglied für die Grünen, Mitglied auch der Israel-Delegation. Danke für das Gespräch und Entschuldigung für die nicht so besonders gute Telefonleitung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.