Silvia Engels: Nun haben also Gegner und Befürworter des Bahnprojekts "Stuttgart 21" endlich ihr Forum, um miteinander zu reden. In Stuttgart hat am Vormittag die sogenannte Sachschlichtung begonnen. Das heißt: Gegner und Befürworter legen ihre Argumente auf den Tisch, was spricht also dafür, was spricht dagegen, den Stuttgarter Hauptbahnhof unter die Erde zu verlegen, und was spricht für den alten Kopfbahnhof im Vergleich zu dem geplanten Durchgangsbahnhof.
Am Telefon zugeschaltet ist nun Steffen Bilger, er ist Bundestagsabgeordneter der CDU aus Ludwigsburg bei Stuttgart und Mitglied im Verkehrsausschuss, außerdem ist er Vorsitzender der Jungen Union in Baden-Württemberg und er ist ein Befürworter des Bahnprojekts "Stuttgart 21". Guten Tag, Herr Bilger!
Steffen Bilger: Guten Tag!
Engels: Sie sind selbst in Stuttgart, Sie haben einen Teil der Schlichtung im Fernsehen beobachtet. Wie war Ihr Eindruck?
Bilger: Ich denke, dass es auf jeden Fall ein gutes Signal ist, dass die Schlichtung jetzt beginnt. In der Tat war es anfangs ja sehr faktenreich, was auch der Herr Käfer von der Bahn alles vorgetragen hat. Boris Palmer als Vertreter der Gegner konnte darauf dann gleich eingehen, auch noch seine eigenen Argumente bringen. Ich glaube, das hat gezeigt, dass es schon sehr sinnvoll ist, jetzt mal alle Fakten auf den Tisch zu legen und das aber auch ausführlich und öffentlich zu tun.
Engels: Rechnen Sie denn mit Argumenten der Gegner, die Sie noch nicht kennen? Hören Sie da gerne zu?
Bilger: Also ich muss gestehen, dass es mir, als ich das heute verfolgt habe, schon so ging, dass mir jetzt alles ziemlich bekannt vorkam, sowohl vonseiten der Befürworter als auch der Gegner. Aber die Zielgruppe, auch weshalb diese Schlichtung öffentlich ist, sind ja nicht Bundestagsabgeordnete oder andere, die sich tagein tagaus mit diesem Projekt beschäftigen, sondern vor allem eben auch die interessierten Bürger, die ja auch verfolgen können sollen, was es für Argumente aufseiten der Befürworter und der Gegner gibt. Von daher, denke ich, ist das schon für alle, die ein Interesse haben an diesem Projekt, sehr interessant, die Schlichtung zu verfolgen.
Engels: Herr Bilger, Sie haben immer sehr stark für das Bahnprojekt "Stuttgart 21" geworben, unter anderem auch in glühenden Reden im Bundestag. Ist es für Sie nicht eine Art Albtraum, dass über das bereits beschlossene Projekt überhaupt noch mal gesprochen wird?
Bilger: Es ist sicher unerfreulich, dass es so weit kommen musste, zu diesen großen Protesten, zu dem großen Unmut, den es bei vielen Menschen über dieses Projekt gibt. Aber da muss man - das habe ich auch immer klar gesagt - eben auch eingestehen, dass einfach viele Fehler in der Kommunikation gemacht wurden, die dazu beigetragen haben, dass wir so weit gekommen sind. Vor allem auch nach den Vorfällen im Rahmen der Räumung des Schlossgartens und dem Polizeieinsatz und den unschönen Bildern, die wir dort gesehen haben, war es, glaube ich, schon richtig, auch mal einen Punkt entgegenzusetzen, wo wir sagen, jetzt setzen wir uns mal alle an einen Tisch und tauschen Argumente aus und lassen nicht immer nur alles weiter gegeneinander zulaufen.
Engels: Haben Sie denn auch schon, wenn Sie so selbstkritisch gerade argumentieren, was auch natürlich die eigene Regierung angeht verantwortliche Konkrete ausgemacht, die vielleicht Kommunikationsfehler gemacht haben?
Bilger: Ja, dieses Projekt beschäftigt uns ja schon lange Jahre, fast schon Jahrzehnte, und es hat auch sehr viele Projektverantwortliche, auch viele unterschiedliche Verantwortliche in der Politik immer wieder beschäftigt. Ich will da jetzt keinem Einzelnen irgendeine Schuld oder Verantwortung zuschieben. Ich glaube, insgesamt hätten sich alle mehr um einen Dialog mit den Bürgern bemühen müssen. Dann wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen. Ich denke aber, dass wir jetzt schon noch die Kurve kriegen können, dass die Sorgen der Bevölkerung, des Teils, der gegen das Projekt "Stuttgart 21" ist - das sind ja immerhin 43 Prozent laut jüngster Umfrage in Baden-Württemberg, während 46 Prozent dafür sind -, dann auch ernst genommen werden. Ich glaube, da ist es jetzt wirklich gut, mit dieser Schlichtung auch ein Zeichen setzen zu können.
Engels: Herr Bilger, Sie sprechen von Kurve kriegen. Nun war es ja so, dass bei der letzten Großdemonstration der Gegner am Wochenende weniger Menschen gekommen sind als in den Wochen zuvor. Ist allein dieses Gesprächsforum vielleicht schon der Anlass, der dem Protest die Spitze gebrochen hat?
Bilger: Ja. Wir können ja beobachten, dass die Gegner mittlerweile auch nicht mehr sich ganz einig sind. Die Parkschützer haben bereits die Schlichtungsgespräche sofort wieder verlassen. Wir beobachten eine gewisse Spaltung bei den Gegnern. Das ist sicherlich eine Sache, die dazu beiträgt. Dann gibt es sicher auch viele, die sagen, jetzt müssen wir auch mal der Schlichtung eine Chance geben.
Gleichzeitig ist auch zu beobachten, dass es immer mehr Befürworter gibt von "Stuttgart 21", die auf die Straße gehen, erst gestern wieder 5000. Am Samstag wird eine Großdemonstration für "Stuttgart 21" sein, wo wir noch deutlich mehr Teilnehmer erwarten. Also es tut sich, glaube ich, auch in der Stimmung in der Stuttgarter Bevölkerung, aber auch darüber hinaus im ganzen Land etwas.
Engels: Dann können Sie sich doch die Hände reiben? Möglicherweise läuft der Protest so einfach aus?
Bilger: Darauf wollen wir nicht hoffen, und ich glaube, das ist auch nicht realistisch, weil es wirklich sehr viele Leute gibt, die sich da tagein, tagaus reinhängen in die verschiedenen Formen des Protestes, die es gegen "Stuttgart 21" gibt. Auch die, die parteipolitisch motiviert sind wie der Herr Stocker als früherer PDS-Landesgeschäftsführer oder die vielen Grünen inklusive der Werbeagentur der Grünen, die sich dort reinhängen, werden das sicherlich bis zur Landtagswahl als ein wichtiges Thema erhalten wollen. Dem müssen wir uns stellen. Wir suchen jetzt den Dialog, wir suchen aber auch die Auseinandersetzung, wenn es um die Fakten geht. Wir gehen auch raus ins ganze Land, machen Veranstaltungen zu "Stuttgart 21", informieren und haben auch wirklich den Eindruck, dass wir einen großen Teil der Bevölkerung auch überzeugen können.
Engels: Nun wird ja diese Schlichtung öffentlich übertragen. Besteht da nicht auch die Gefahr, dass da eigentlich nur Fensterreden gehalten werden und man in der Sache, wo man auch mal Verständnis für die andere Seite äußern könnte, letztendlich sich nicht traut, das zu tun, aus Angst vor den eigenen Anhängern?
Bilger: Ich glaube, da können wir dem Heiner Geißler einiges zutrauen, der ja wirklich über eine erhebliche Erfahrung verfügt. Ich hatte jetzt den Eindruck, was bisher in der Schlichtung präsentiert wurde, dass das wirklich sehr auch ins Detail geht. Ich denke, es wird nicht funktionieren, dass jeden Tag, an dem Schlichtungsgespräche laufen, man nur Fensterreden hält, sondern es wird wirklich auch gerade unter dem Schlichter Heiner Geißler sehr ins Detail gehen. Und er hat ja auch klare Regeln formuliert und wird, glaube ich, auch den Beteiligten es nicht durchgehen lassen, wenn sie dort nur Fensterreden halten wollen.
Engels: Auch die größten Optimisten erwarten ja nicht, dass bei dieser Schlichtung nachher ein Ergebnis herauskommt, mit dem alle Seiten zufrieden sind. Was passiert, wenn die Schlichtung vorbei ist? Wird dann wieder weitergestritten wie vorher?
Bilger: Ich setze zunächst mal darauf, dass wirklich die Fakten auf den Tisch kommen, dass eben auch die Gegner nicht immer nur sagen können, wir sind dagegen, sondern auch ihre eigenen Konzepte vorstellen müssen. Es gibt ja ein Alternativkonzept, "K 21", das erhebliche Schwächen aus unserer Sicht aufweist. Auch diese Fakten werden dann auf den Tisch kommen und am Ende wird, glaube ich, auf jeden Fall ein Prozess stattgefunden haben, wo viele noch mal ins Nachdenken gekommen sind. Wir hoffen natürlich, dass das Ergebnis ist, dass auch die Gegner sich damit abfinden können, dass "Stuttgart 21" kommen wird, dass es auch sinnvoll ist. Aber aus jetziger Sicht können wir auch natürlich noch gar nicht wissen, wie die Schlichtungsgespräche im Ergebnis verlaufen werden.
Engels: Einige Beobachter und viele Bürger hoffen ja, dass mit dieser Schlichtung ein neues Element der politischen Kultur in Deutschland Einzug hält. Sehen Sie das auch so oder bewertet man das etwas zu stark?
Bilger: Das sehe ich eindeutig auch so, weil ich ja jetzt seit einem Jahr erst im Bundestag bin, im Verkehrsausschuss, und ich das beobachte nicht nur bei Großprojekten, sondern es fängt an bei kleinen Ortsumfahrungen in Gemeinden, wo es eben immer mehr sofort einen Bürgerprotest gibt, Bürgerinitiativen gegen Beschlüsse des Gemeinderats oder anderer gewählter Parlamente. Ich glaube, da hat sich schon etwas geändert und da muss man aus "Stuttgart 21" wirklich auch Lehren ziehen, dass man die Bürger anders mitnimmt, also nicht nur in der Phase, bis es zum Beschluss kommt, wenn dann auch alles ordnungsgemäß, rechtmäßig beschlossen wurde, in den zuständigen Gremien alle Einwendungen geprüft wurden, Bürgerversammlungen stattgefunden haben, sondern es muss auch darum gehen, dann in dem Prozess bis zum Baubeginn und dann im Bau aber auch die Bürger mitzunehmen.
Engels: Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter der CDU und im Verkehrsausschuss des Bundestages. Er hat den Wahlkreis Ludwigsburg direkt bei Stuttgart. Danke für das Gespräch.
Bilger: Gerne.
Am Telefon zugeschaltet ist nun Steffen Bilger, er ist Bundestagsabgeordneter der CDU aus Ludwigsburg bei Stuttgart und Mitglied im Verkehrsausschuss, außerdem ist er Vorsitzender der Jungen Union in Baden-Württemberg und er ist ein Befürworter des Bahnprojekts "Stuttgart 21". Guten Tag, Herr Bilger!
Steffen Bilger: Guten Tag!
Engels: Sie sind selbst in Stuttgart, Sie haben einen Teil der Schlichtung im Fernsehen beobachtet. Wie war Ihr Eindruck?
Bilger: Ich denke, dass es auf jeden Fall ein gutes Signal ist, dass die Schlichtung jetzt beginnt. In der Tat war es anfangs ja sehr faktenreich, was auch der Herr Käfer von der Bahn alles vorgetragen hat. Boris Palmer als Vertreter der Gegner konnte darauf dann gleich eingehen, auch noch seine eigenen Argumente bringen. Ich glaube, das hat gezeigt, dass es schon sehr sinnvoll ist, jetzt mal alle Fakten auf den Tisch zu legen und das aber auch ausführlich und öffentlich zu tun.
Engels: Rechnen Sie denn mit Argumenten der Gegner, die Sie noch nicht kennen? Hören Sie da gerne zu?
Bilger: Also ich muss gestehen, dass es mir, als ich das heute verfolgt habe, schon so ging, dass mir jetzt alles ziemlich bekannt vorkam, sowohl vonseiten der Befürworter als auch der Gegner. Aber die Zielgruppe, auch weshalb diese Schlichtung öffentlich ist, sind ja nicht Bundestagsabgeordnete oder andere, die sich tagein tagaus mit diesem Projekt beschäftigen, sondern vor allem eben auch die interessierten Bürger, die ja auch verfolgen können sollen, was es für Argumente aufseiten der Befürworter und der Gegner gibt. Von daher, denke ich, ist das schon für alle, die ein Interesse haben an diesem Projekt, sehr interessant, die Schlichtung zu verfolgen.
Engels: Herr Bilger, Sie haben immer sehr stark für das Bahnprojekt "Stuttgart 21" geworben, unter anderem auch in glühenden Reden im Bundestag. Ist es für Sie nicht eine Art Albtraum, dass über das bereits beschlossene Projekt überhaupt noch mal gesprochen wird?
Bilger: Es ist sicher unerfreulich, dass es so weit kommen musste, zu diesen großen Protesten, zu dem großen Unmut, den es bei vielen Menschen über dieses Projekt gibt. Aber da muss man - das habe ich auch immer klar gesagt - eben auch eingestehen, dass einfach viele Fehler in der Kommunikation gemacht wurden, die dazu beigetragen haben, dass wir so weit gekommen sind. Vor allem auch nach den Vorfällen im Rahmen der Räumung des Schlossgartens und dem Polizeieinsatz und den unschönen Bildern, die wir dort gesehen haben, war es, glaube ich, schon richtig, auch mal einen Punkt entgegenzusetzen, wo wir sagen, jetzt setzen wir uns mal alle an einen Tisch und tauschen Argumente aus und lassen nicht immer nur alles weiter gegeneinander zulaufen.
Engels: Haben Sie denn auch schon, wenn Sie so selbstkritisch gerade argumentieren, was auch natürlich die eigene Regierung angeht verantwortliche Konkrete ausgemacht, die vielleicht Kommunikationsfehler gemacht haben?
Bilger: Ja, dieses Projekt beschäftigt uns ja schon lange Jahre, fast schon Jahrzehnte, und es hat auch sehr viele Projektverantwortliche, auch viele unterschiedliche Verantwortliche in der Politik immer wieder beschäftigt. Ich will da jetzt keinem Einzelnen irgendeine Schuld oder Verantwortung zuschieben. Ich glaube, insgesamt hätten sich alle mehr um einen Dialog mit den Bürgern bemühen müssen. Dann wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen. Ich denke aber, dass wir jetzt schon noch die Kurve kriegen können, dass die Sorgen der Bevölkerung, des Teils, der gegen das Projekt "Stuttgart 21" ist - das sind ja immerhin 43 Prozent laut jüngster Umfrage in Baden-Württemberg, während 46 Prozent dafür sind -, dann auch ernst genommen werden. Ich glaube, da ist es jetzt wirklich gut, mit dieser Schlichtung auch ein Zeichen setzen zu können.
Engels: Herr Bilger, Sie sprechen von Kurve kriegen. Nun war es ja so, dass bei der letzten Großdemonstration der Gegner am Wochenende weniger Menschen gekommen sind als in den Wochen zuvor. Ist allein dieses Gesprächsforum vielleicht schon der Anlass, der dem Protest die Spitze gebrochen hat?
Bilger: Ja. Wir können ja beobachten, dass die Gegner mittlerweile auch nicht mehr sich ganz einig sind. Die Parkschützer haben bereits die Schlichtungsgespräche sofort wieder verlassen. Wir beobachten eine gewisse Spaltung bei den Gegnern. Das ist sicherlich eine Sache, die dazu beiträgt. Dann gibt es sicher auch viele, die sagen, jetzt müssen wir auch mal der Schlichtung eine Chance geben.
Gleichzeitig ist auch zu beobachten, dass es immer mehr Befürworter gibt von "Stuttgart 21", die auf die Straße gehen, erst gestern wieder 5000. Am Samstag wird eine Großdemonstration für "Stuttgart 21" sein, wo wir noch deutlich mehr Teilnehmer erwarten. Also es tut sich, glaube ich, auch in der Stimmung in der Stuttgarter Bevölkerung, aber auch darüber hinaus im ganzen Land etwas.
Engels: Dann können Sie sich doch die Hände reiben? Möglicherweise läuft der Protest so einfach aus?
Bilger: Darauf wollen wir nicht hoffen, und ich glaube, das ist auch nicht realistisch, weil es wirklich sehr viele Leute gibt, die sich da tagein, tagaus reinhängen in die verschiedenen Formen des Protestes, die es gegen "Stuttgart 21" gibt. Auch die, die parteipolitisch motiviert sind wie der Herr Stocker als früherer PDS-Landesgeschäftsführer oder die vielen Grünen inklusive der Werbeagentur der Grünen, die sich dort reinhängen, werden das sicherlich bis zur Landtagswahl als ein wichtiges Thema erhalten wollen. Dem müssen wir uns stellen. Wir suchen jetzt den Dialog, wir suchen aber auch die Auseinandersetzung, wenn es um die Fakten geht. Wir gehen auch raus ins ganze Land, machen Veranstaltungen zu "Stuttgart 21", informieren und haben auch wirklich den Eindruck, dass wir einen großen Teil der Bevölkerung auch überzeugen können.
Engels: Nun wird ja diese Schlichtung öffentlich übertragen. Besteht da nicht auch die Gefahr, dass da eigentlich nur Fensterreden gehalten werden und man in der Sache, wo man auch mal Verständnis für die andere Seite äußern könnte, letztendlich sich nicht traut, das zu tun, aus Angst vor den eigenen Anhängern?
Bilger: Ich glaube, da können wir dem Heiner Geißler einiges zutrauen, der ja wirklich über eine erhebliche Erfahrung verfügt. Ich hatte jetzt den Eindruck, was bisher in der Schlichtung präsentiert wurde, dass das wirklich sehr auch ins Detail geht. Ich denke, es wird nicht funktionieren, dass jeden Tag, an dem Schlichtungsgespräche laufen, man nur Fensterreden hält, sondern es wird wirklich auch gerade unter dem Schlichter Heiner Geißler sehr ins Detail gehen. Und er hat ja auch klare Regeln formuliert und wird, glaube ich, auch den Beteiligten es nicht durchgehen lassen, wenn sie dort nur Fensterreden halten wollen.
Engels: Auch die größten Optimisten erwarten ja nicht, dass bei dieser Schlichtung nachher ein Ergebnis herauskommt, mit dem alle Seiten zufrieden sind. Was passiert, wenn die Schlichtung vorbei ist? Wird dann wieder weitergestritten wie vorher?
Bilger: Ich setze zunächst mal darauf, dass wirklich die Fakten auf den Tisch kommen, dass eben auch die Gegner nicht immer nur sagen können, wir sind dagegen, sondern auch ihre eigenen Konzepte vorstellen müssen. Es gibt ja ein Alternativkonzept, "K 21", das erhebliche Schwächen aus unserer Sicht aufweist. Auch diese Fakten werden dann auf den Tisch kommen und am Ende wird, glaube ich, auf jeden Fall ein Prozess stattgefunden haben, wo viele noch mal ins Nachdenken gekommen sind. Wir hoffen natürlich, dass das Ergebnis ist, dass auch die Gegner sich damit abfinden können, dass "Stuttgart 21" kommen wird, dass es auch sinnvoll ist. Aber aus jetziger Sicht können wir auch natürlich noch gar nicht wissen, wie die Schlichtungsgespräche im Ergebnis verlaufen werden.
Engels: Einige Beobachter und viele Bürger hoffen ja, dass mit dieser Schlichtung ein neues Element der politischen Kultur in Deutschland Einzug hält. Sehen Sie das auch so oder bewertet man das etwas zu stark?
Bilger: Das sehe ich eindeutig auch so, weil ich ja jetzt seit einem Jahr erst im Bundestag bin, im Verkehrsausschuss, und ich das beobachte nicht nur bei Großprojekten, sondern es fängt an bei kleinen Ortsumfahrungen in Gemeinden, wo es eben immer mehr sofort einen Bürgerprotest gibt, Bürgerinitiativen gegen Beschlüsse des Gemeinderats oder anderer gewählter Parlamente. Ich glaube, da hat sich schon etwas geändert und da muss man aus "Stuttgart 21" wirklich auch Lehren ziehen, dass man die Bürger anders mitnimmt, also nicht nur in der Phase, bis es zum Beschluss kommt, wenn dann auch alles ordnungsgemäß, rechtmäßig beschlossen wurde, in den zuständigen Gremien alle Einwendungen geprüft wurden, Bürgerversammlungen stattgefunden haben, sondern es muss auch darum gehen, dann in dem Prozess bis zum Baubeginn und dann im Bau aber auch die Bürger mitzunehmen.
Engels: Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter der CDU und im Verkehrsausschuss des Bundestages. Er hat den Wahlkreis Ludwigsburg direkt bei Stuttgart. Danke für das Gespräch.
Bilger: Gerne.