Müller: Herr Schmoldt, haben Sie sich schon bei Klaus Zwickel und Michael Sommer für die Absage bedankt?
Schmoldt: Nein. Es ist ja keine grundsätzliche Absage, sondern es ist eine Absage an die Mogelpackung, die Herr Hundt zu Beginn des Bündnisses auf den Tisch gelegt hat. Es ist ja das größte Problem, dass die Arbeitgeberverbände nicht einmal – und der Anschein trügt ja – allen Auszubildenden einen betrieblichen Ausbildungsplatz anbieten, sondern sie bieten lediglich an, dass jeder, der ausgebildet werden will, eine Ausbildung bekommt und die Arbeitgeber dafür die Finanzierung auch in außerbetrieblichen Ausbildungen sicherstellen. Das ist, Herr Müller, eine Abkehr vom bisherigen dualen System, auf das wir zurecht in Deutschland stolz waren, auf das das Land stolz war, worauf viele andere Länder geguckt haben. Dieses ist eine Abkehr von einem Grundsatz, den wir bisher einvernehmlich hatten. Dieses einstige, noch nicht einmal komplette Angebot wird dann garniert mit weiteren fünf Forderungen an die Gewerkschaften und an die Bundesregierung. Das heißt die Arbeitgeberverbände selber bringen eigentlich gar nichts mit.
Müller: Herr Schmoldt, doch noch mal die Nachfrage: Warum sagen die Gewerkschaften nein, bevor man sich gemeinsam mit den Arbeitgebern an den Tisch gesetzt hat?
Schmoldt: Herr Müller, wir haben ja angeboten, dass wir uns zusammensetzen und endlich die alte Zusage der Arbeitgeberverbände, nämlich für jeden einen Ausbildungsplatz, aber einen betrieblichen umsetzen. Dann haben die Gewerkschaften gesagt, wenn das mit den Arbeitgebern zu verabreden ist, dann werden wir auch über andere Themen im Bündnis für Arbeit reden.
Müller: Aber man setzt sich doch zusammen, um Kompromisse zu finden. Das heißt Forderungen sind keine Beschlüsse. Wo liegt das Problem?
Schmoldt: Das Problem liegt darin, dass Herr Hundt einen ultimativen Forderungskatalog an die Bundesregierung und an die Gewerkschaften aufgestellt hat und dies dann damit verbunden hat: entweder dies oder gar nichts. So geht es nicht! So kann man nicht mit einem Bündnispartner umgehen. Wir lassen uns kein Diktat vorschreiben.
Müller: Die innenpolitische Stimmung, Herr Schmoldt, gegenüber den Gewerkschaften ist ja nicht gerade zum besten bestellt, aus welchen Gründen auch immer und ob es gerechtfertigt ist ja oder nein. Das brauchen wir vielleicht jetzt hier nicht zu klären. Dennoch: versagen sich die Gewerkschaften nicht tatsächlich bereits im Vorfeld einer Anstrengung, einem überparteilichen Konsens sozusagen?
Schmoldt: Nein, Herr Müller, und zwar haben wir das ja auch in den letzten Jahren bewiesen. Wir haben eine schwierige Rentenreform auf den Weg gebracht. Wir sind dabei, jetzt an der Gesundheitsreform mitzuarbeiten. Wir haben drei neue Instrumente für eine Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen auf den Weg gebracht: Leiharbeit, dann eine Möglichkeit, ältere Arbeitnehmer – ich mag schon das Wort gar nicht in den Mund nehmen – ab dem 52. Lebensjahr permanent befristet zu beschäftigen, und grundsätzlich jeden zwei Jahre befristet zu beschäftigen. Diese neuen Instrumente müssen erst mal ausprobiert werden, bevor man sich dann an die Frage macht reicht das, oder muss der Kündigungsschutz von beiden dann erneut überprüft werden.
Müller: Nun sagen die Arbeitgeber, es muss eben noch zu mehr radikaleren, wenn Sie so wollen, Reformen und Einschnitten kommen. Warum verweigern Sie sich dem?
Schmoldt: Herr Müller, wir verweigern uns nicht. Wir haben ja schon in dem Bündnis bei Herrn Kohl eine Heraufsetzung der Schwellenwerte beim Kündigungsschutz gehabt. Das hat ja erwiesenermaßen nichts gebracht. Wir haben jetzt drei neue Instrumente, wie ich gerade gesagt habe, die überhaupt noch nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft worden sind. Unser Angebot ist: lasst uns diese Instrumente ausprobieren, nutzt sie in den Betrieben und wenn das immer noch nicht reicht, dann würden wir auch bereit sein, über die Frage Kündigungsschutz zu reden. Es geht den Arbeitgebern, Herr Müller, nicht um den Kündigungsschutz. Das ist vorgeschoben. Es geht ihnen auch nicht in erster Linie um Ausbildungsplätze. Das haben sie leider in den letzten Jahren bewiesen. Ihnen geht es schlicht und ergreifend darum, dieses Bündnis entweder überhaupt nicht zu Stande kommen zu lassen, oder die Gewerkschaften jetzt so unter Druck zu setzen, dass alles was an tarifvertraglichen Leistungen und Schutzrechten in den vergangenen Jahren gemeinsam verabredet worden ist nun geschliffen wird und damit jeder Arbeitnehmerschutz los wird.
Müller: Geht es den Gewerkschaften tatsächlich um die Schaffung neuer Arbeitsplätze?
Schmoldt: Ja. Wir haben das ja beispielsweise auch mit der Altersteilzeit bewiesen, wo wir Älteren zumuten, wenn sie eher aus dem Erwerbsleben ausscheiden, dafür Einkommenseinbußen, Renteneinbußen hinzunehmen, um damit den jungen Leuten einen Zugang in die Betriebe zu ermöglichen. Also wir haben wirklich alles, was tarifpolitisch, auch was mit unserer Hilfe gesetzlich möglich war, getan. Diejenigen, die bisher ihre Zusagen nicht eingelöst haben, sind und bleiben die Arbeitgeber.
Müller: Dennoch haben wir das Problem der Arbeitslosigkeit. 4,6 Millionen, das ist der höchste Stand seit fünf Jahren. Das heißt der Reformbedarf ist dringend. Wenn wir von den Instrumenten einmal absehen, die Sie eben beschrieben haben, technische Instrumente, wenn ich das so beschreiben darf, was muss denn noch passieren, damit der Arbeitsmarkt flexibler beziehungsweise offener wird?
Schmoldt: Zunächst einmal muss man aufhören, einen Bündnispartner permanent vors Schienenbein zu treten, ihn der Öffentlichkeit vorzuführen, sondern man muss sich – und da gebe ich Ihnen ja vollkommen Recht – an den Tisch setzen. Dann muss man am Tisch über mögliche Lösungen reden. Jeder der mit grundsätzlichen Forderungen an die Öffentlichkeit geht, tut das ja in der Absicht, ein Gespräch und damit auch mögliche Kompromisse von vornherein zu verhindern. Das ist die Strategie der Arbeitgeberverbände. Wir sagen: dieses Land braucht Bündnisse. Dieses Land braucht Reformen. Die Gewerkschaften sind dazu bereit. Dann muss man sich aber auch gemeinsam darum bemühen und jeder muss dann auch Beiträge abliefern, damit es überhaupt zu Reformen kommen kann.
Müller: Welches Angebot haben die Gewerkschaften denn in Richtung Flexibilisierung dann noch im Petto?
Schmoldt: Wir haben ja bei dem Kündigungsschutz darauf hingewiesen, dass nicht so sehr die gesetzlichen Grundlagen das Problem der kleineren Unternehmen sind, sondern eher die Administration von Arbeitsverhältnissen, zum Teil die Unübersichtlichkeit von Vorschriften. Dafür ist jetzt ja diese Möglichkeit der zweijährigen befristeten Beschäftigung oder bei den Älteren der grundsätzlichen. Wir müssen darüber reden, ob nicht die ganz wenigen Fälle hier maßgeblich sind. Nur 14 Prozent aller Kündigungsfälle landen vor den Gerichten. Da ist es mit Sicherheit möglich, dass man die Verfahrensvorschriften entsprechend reduziert, um damit dann auch schneller zu einem Ergebnis zu kommen. Über 80 Prozent werden jedoch einvernehmlich in den Betrieben, in den kleinen Unternehmen verabredet und dann werden die Arbeitsverhältnisse aufgelöst. Es ist nicht das Problem, das die Arbeitgeber vorgeben, sondern es ist hier eine grundsätzliche Auseinandersetzung, die natürlich nach den beiden Landtagswahlen noch mal erheblich an Schärfe zugelegt hat.
Müller: Das bedeutet, wenn ich Sie richtig verstanden habe, die Arbeitgeber wollen keine Arbeitsplätze schaffen, sondern nur mehr Gewinne erwirtschaften?
Schmoldt: Das haben sie in den vergangenen Jahren leider immer getan. Ihnen waren die Börsenkurse und die Bilanzen wichtiger als die Arbeitsplätze. Die Unternehmen haben ja gerade auch im letzten Jahr bewiesen, dass sie wenig bereit sind – bis auf Ausnahmen; die gibt es überall -, uns auch im Rahmen von betrieblichen Bündnissen über Möglichkeiten von mehr Beschäftigung, von innovativen Arbeitsplätzen, der Unterstützung von Forschung und Entwicklung, wo auch die Bundesregierung mit unterstützen muss, das gemeinsam auf den Weg zu bringen. Wir haben sie wiederholt aufgefordert. Wir haben eine Fülle von solchen betrieblichen Bündnissen und ich würde die Arbeitgeber auffordern, uns einen Betrieb zu nennen, wo die Gewerkschaften sich betrieblichen Regelungen verweigert haben und dieses Unternehmen ist dann in Konkurs gegangen. Das gibt es nicht!
Müller: Aber die Unternehmen, Herr Schmoldt, argumentieren ja umgekehrt. Sie sagen wenn es nicht die Reformen in Richtung Flexibilisierung in den letzten Jahren gegeben hätte, beispielsweise auch die Tarifzurückhaltung, dann hätte es jetzt heute noch mehr Arbeitslose gegeben. Haben die nicht Recht?
Schmoldt: Herr Müller, natürlich sind Lohnkosten auch bei der Frage der Wirtschaft und der Rahmenbedingungen wichtig. Deshalb haben wir uns ja im Bündnis auch zu einer entsprechenden Tarifpolitik verabredet. Die Gewerkschaften haben diese Verabredung eingehalten. Die Unternehmen haben ihre mehrfachen Zusagen zu mehr Ausbildungsplätzen eben nicht eingehalten. Insoweit richtet sich eigentlich alles an die Arbeitgeber und es müsste sich der so genannte Volkszorn gegen die Arbeitgeber richten und nicht mit Unverständnis auf berechtigte Forderungen von Gewerkschaften reagieren.
Müller: Letzte Frage, Herr
Schmoldt: Weniger als 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum, ein Tarifabschluss im öffentlichen Dienst von 3,0 Prozent. Schafft das neue Arbeitsplätze?
Schmoldt: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Herr Müller, haben auch Anspruch darauf, dass ihre Einkommen angehoben werden. Die können nichts für die desolaten öffentlichen Kassen. Jede Branche, das heißt Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen ihre Tarifabschlüsse auch in der Höhe selbst vertreten.
Müller: Neue Arbeitsplätze?
Schmoldt: Das kann ich nicht beurteilen. Das müssen die Tarifvertragsparteien im öffentlichen Dienst tun. Wir werden im Rahmen unserer Tarifrunde, die jetzt ansteht, wieder versuchen, alle Elemente zusammenzunehmen, Einkommenserhöhung, Beschäftigung, Ausbildungsplätze. Dafür tragen dann auch wir die Verantwortung.
Müller: Hubertus Schmoldt war das, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie und Energie. Auf Wiederhören nach Hannover und vielen Dank!
Link: Interview als RealAudio