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Angebote für Flüchtlinge
Wie Medien bei der Integration helfen

In den vergangenen Jahren sind mehrere Medien-Angebote an den Start gegangen, die sich gezielt an Geflüchtete richten. Sie wollen vor allem über das Leben in Deutschland informieren - ermöglichen geflüchteten Journalisten aber auch, hierzulande zu arbeiten.

Von Jan Schilling | 06.11.2018
    Das Online-Angebot "WDRforyou" für Flüchtlinge auf einem Smartphone
    Das Online-Angebot "WDRforyou" für Flüchtlinge informiert in vier Sprachen (Deutschlandradio/Stefan Fries)
    Im Januar 2016 hat WDR-Redakteurin Isabel Schayani "WDRforyou" ins Leben gerufen. Das preisgekrönte Portal richtet sich vor allem an Geflüchtete.
    "Wir haben es mit Menschen zu tun, die zum Teil überhaupt nicht wissen, was Demokratie ist, zum Beispiel, wenn jemand in Afghanistan groß geworden ist und in einer zerstörten Zivilgesellschaft. Das ist das eine. Und das andere ist, dass wir Sachen sehr einfach erklären müssen und sehr grundlegend erklären müssen. Jemand, der in Deutschland aufgewachsen ist, dem musst du nicht erklären, wie viele Schwarzbrotsorten es gibt, warum man Müll trennen muss, warum man eine Übergangsjacke braucht bei diesem Wetter."
    Isabel Schayani, Journalistin, nimmt auf den 32. Medientagen München an einer Diskussion zum Thema "Political Correctness - oder wie liberal ist unsere Mediendemokratie wirklich" teil.
    WDR-Journalistin Isabel Schayani leitet "WDRforyou" (dpa/picture alliance/Matthias Balk)
    Mittlerweile gibt es einige Exilmedien, die explizit für Geflüchtete publizieren: das Stadtmagazin "Amal, Berlin!", das arabische Onlinemagazin "Abwab" und "Handbook Germany". Wie viele Exiljournalisten genau in Deutschland leben und schreiben, darüber gibt es keine genauen Zahlen. Die Themen auf den Portalen orientieren sich an der Lebenswelt der Zielgruppe. Die Journalisten stellen Berufe vor, beantworten Fragen rund ums Asylrecht und geben Orientierungshilfe für den deutschen Alltag.
    "Sorry, kannst du bitte rechts stehen. In Deutschland stehen die meisten rechts, die es nicht so eilig haben, damit links der Weg frei ist, damit man schnell vorbei kann."
    Neben Deutsch und Englisch sprechen die Autorinnen und Autoren in den Clips Arabisch und Persisch. So können auch diejenigen Nutzer am Leben in Deutschland teilhaben, die noch nicht so gut Deutsch sprechen.
    Und es ermöglicht auch Journalisten, die gar kein Deutsch können, zu arbeiten. Der 37-jährige Abdol Rahman Omaren hat in Damaskus Journalismus studiert und für Zeitungen und Fernsehen gearbeitet. Heute ist er Teil von "Amal, Berlin!", einer lokalen Nachrichtenplattform, ebenfalls mehrsprachig.
    "Ich denke, dass Integration nicht in erster Linie über Sprache geschieht. Jetzt, wo ich Arbeit als Journalist habe, fühle ich mich viel verbundener mit der Gesellschaft, als Teil von Berlin. Mit der Zeit kommt auch die deutsche Sprache, ganz sicher."
    Redaktionsarbeit bei "Amal", einer Internetplattform für Medienausbildung von Flüchtlingen
    Redaktionsarbeit bei "Amal" in Berlin (Deutschlandfunk / Michael Meyer)
    "30 bis 40 Prozent sind Anregungen von Zuschauern"
    Zur sprachlichen Integration tragen auch die gemischten Redaktionen bei. Bei "Amal, Berlin!" arbeiten elf Journalisten und Journalistinnen. Sie kommen aus Deutschland, dem Iran, aus Afghanistan und Syrien. So vielfältig wie die Redaktionen, so vielfältig sind die Themen, die oft aus den Sozialen Netzwerken kommen. Isabel Schayani über "WDRforyou":
    "Also, ich würde mal sagen, 30 bis 40 Prozent unserer Berichte sind Anregungen von Zuschauern. Oder von Usern. Wir versuchen so interaktiv wie möglich zu sein, und versuchen sehr genau zu hören, wo sind denn da Bedürfnisse und wo sind da Gerüchte. Zum Beispiel jetzt gibt es das Gerücht, alle Flüchtlinge kriegen Weihnachtsgeld. Hallo, es gibt kein Weihnachtsgeld für Flüchtlinge! Also wir haben eine Rubrik, die heißt 'Gerüchteforyou' und dann greifen wir sowas aus dem Netz auf und erklären, wie es wirklich ist."
    Exilmedien sind eine Form von Community-Reporting. Das dürfe man aber nicht mit Journalismus verwechseln, der sich mit einer Sache gemein mache.
    "Wenn du für eine Klientel berichtest, die in einer existenziell prekären Situation ist, bist du natürlich in einer anderen Situation, als wenn du für so jemanden in einem IKEA-Wohnzimmer berichtest. Das ist schon ein Unterschied und man muss das lernen: Wo ist die Linie zum Aktivismus."
    Deswegen berichten die Macher auch über Abschiebung, darüber, wer überhaupt ein Aufenthaltsrecht habe. Dafür werde Schayani auch mal als AfD-Tante beschimpft. Das Ziel von "WDRforyou" verliert sie deswegen nicht aus den Augen. Ein Ziel, dass für viele der kleinen und großen Angebote für Geflüchtete gilt:
    "Das Land, in dem Du jetzt lebst, ist Dein zweites Zuhause. Wir möchten, dass Du Dich hier wohlfühlst und es Dir deshalb erklären und näherbringen."