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Angefeindet und bedroht
Vom rechten Hass auf Sachsens Politiker

Sie erhalten Morddrohungen, ihre Kinder werden mit Baseballschlägern verfolgt, ihre Privatadressen veröffentlicht: Es ist ein raues Klima, mit dem Politiker in Sachsen derzeit zurecht kommen müssen. Ob Stadtrat, Oberbürgermeister oder Landtagsabgeordneter - wer sich für Flüchtlinge einsetzt, kann schnell in den Fokus geraten.

Von Nadine Lindner |
    Gegner der Flüchtlingsunterkunft stehen am 26.06.2015 in Freital (Sachsen) in der Nähe des ehemaligen Leonardo-Hotels, das jetzt als Flüchtlingsheim dient.
    Kundgebung gegen Flüchtlinge im Juni in Freital (dpa / picture-alliance / Oliver Killig)
    Das Auto ist völlig kaputt: Das Innere verbrannt, die Karosserie verzogen. Nein, es war kein Unfall, der Michael Richters alten Golf zerstört hat. Der Wagen des Linken-Stadtrats aus Freital ist einer Sprengstoffexplosion zum Opfer gefallen. Richter erinnert sich:
    "In der Nacht vom 26. auf den 27. Juli gegen 00:45 Uhr habe ich einen relativ lauten Knall gehört. Da dachte ich erst, dass es ein Böller ist, der gezündet ist, weil das bei uns öfter mal passiert. Hab aber dann hinten nichts gesehen, dann bin ich im Endeffekt nach vorne zur Straße raus und hab raus geguckt. Da habe ich über meinem Wagen eine tiefe schwarze Rauchwolke gesehen."
    Die Ermittlungen dauern an, Täter wurden noch nicht gefasst. Aber der Verdacht steht im Raum, dass die Täter aus dem asylfeindlichen Milieu Freitals stammen. Denn aus diesen Reihen hatte es kräftig Stimmungsmache gegen den Stadtrat und Bürgermeisterkandidaten der Linkspartei gegeben. Via Facebook bestreiten diese Leute die Tat.
    "Windschutzscheibe ist raus, die Scheibe von der Fahrertür ist raus. Die Heckklappenscheibe ist raus. Und zwischen die Türen kann man seine Hände stecken, weil die Wucht der Explosion die Türen soweit rausgesprengt hat, dass man komplett durchgreifen kann."
    Genutzt hatten die Unbekannten einen in Deutschland verbotenen Böller, der auch Dynamit enthielt.
    Es ist ein raues Klima, mit dem Politiker in Sachsen derzeit zurecht kommen müssen. Ob Stadtrat, Oberbürgermeister oder Landtagsabgeordneter - seit Monaten werden sie auf der Straße als "Volksverräter" beschimpft. Und mittlerweile bleibt es nicht bei Rufen auf einer Demo Montagabends in Dresden oder wütenden Kommentaren im Internet. Die Anfeindungen gehen hin bis zu Morddrohungen oder Aufrufen zu Gewalt.
    Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat von Freital, Michael Richter
    Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat von Freital, Michael Richter (picture alliance / dpa/ Arno Burgi)
    Linken-Politiker sollen nicht mehr ohne Handy rausgehen
    Rückblick: Seit dem Frühjahr hatte es in der Kleinstadt Freital bei Dresden mehrere Demonstrationen gegen ein Asylbewerberheim im ehemaligen Hotel Leonardo gegeben. Die Stimmung hat sich seither ein wenig beruhigt, aber es hat sich eine sogenannte nationale Bürgerwehr gebildet, die Deutsche vor Flüchtlingen schützen soll.
    Nein, Angst habe er nicht, sagt Stadtrat Richter, aber er sei vorsichtiger geworden. Trotzdem will sich der Linkenpolitiker auf keinen Fall einschüchtern lassen.
    Weil bei Richters Auto ein politischer Hintergrund der Tat nicht ausgeschlossen wird, liegt der Fall nun beim Operativen Abwehrzentrum der sächsischen Polizei. Es ist die Einheit, die sich um rechts- oder linksextremistisch motivierte Straftaten kümmert.
    Die Partei "Die Linke" in Sachsen, der Michael Richter angehört, beobachtet solche Ereignisse mit Sorge, sagt Thomas Dudzak von der Landesgeschäftsstelle. Zumal sich die Anfeindungen in letzter Zeit gehäuft haben:
    "Als LINKE wie auch schon als PDS stehen und standen wir schon immer in der ungewollten Aufmerksamkeit rechter und gewaltbereiter Menschen."
    Die Partei verweist nun wieder verstärkt auf bewährte Vorsichtsmaßnahmen:
    "Im öffentlichen Raum sollen sich Genossinnen und Genossen nie allein bewegen, wenn sie ihrer Parteitätigkeit nachgehen. Sie sollen beispielsweise Gruppen bilden, wenn sie Plakatieren gehen oder am Infostand, immer ein Handy in Griffweite haben, um in Gefahrensituationen schnell Hilfe rufen zu können."
    Offene Anfeindungen auf der Straße
    Bei Infoständen auf den Straßen, so Dudzak, merken viele Vertreter der Linken, der größten Oppositionspartei in Sachsen, dass der Ton schärfer geworden ist. So etwas habe man zuletzt Anfang der 1990er Jahre erlebt, ordnet er ein.
    Wer sich für Flüchtlinge einsetzt, kann schnell in den Fokus geraten. Das hat auch Ines Kummer erlebt. Sie sitzt für Bündnis 90/ Die Grünen im Freitaler Stadtrat. Kummer sieht sich auf offener Straße Feindseligkeiten ausgesetzt:
    "Man wird schief angeguckt, man wird angebrüllt, ich bin auch schon richtig an den Pranger gestellt worden in der Öffentlichkeit. 'Merken Sie sich das Gesicht dieser Frau. Diese Frau ist schuld, dass wir in Freital die ganzen Asylbewerber da haben'."
    Die grüne Landespartei beobachtet, dass zum Beispiel Privatadressen von engagierten Mitgliedern im Internet veröffentlich werden. Eine Statistik führt die Partei nicht, doch seien die Anfeindungen in Sachsen heftiger als überall sonst.
    Das Operative Abwehrzentrum ist eine Abteilung der Polizei Sachsen, die in Reaktion auf das Wirken der Rechtsterroristen vom NSU in Sachsen eingerichtet wurde. Hier werden die Straftaten gegen Politiker erfasst.
    Leiter ist der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz:
    "Gegenwärtig haben wir im Bestand – das wechselt aber von Tag zu Tag - 24 Straftaten, mit 15 Geschädigten. Mit Mandatsträgern, mit Bürgern, Bürgermeistern, vor allen Dingen Landräten, Ministern. 24 Anzeigen, es gibt manche wie beim Oberbürgermeister Jung hier in Leipzig, da liegen mehrere Anzeigen vor, aus unterschiedlichsten Sachverhalten heraus."
    Aufrufe zum Mord auch gegen Deutschlandradio-Mitarbeiter
    Diese Fallzahlen beziehen sich auf ein knappes halbes Jahr. Merbitz und seine Kollegen bearbeiten alle Anzeigen, bei denen es einen Bezug zum Thema Asyl gibt. Journalisten oder ehrenamtliche Flüchtlingsunterstützer können auch Bedrohungen ausgesetzt sein.
    Nach seinem Engagement gegen Legida, den Leipziger Ableger von Pegida, erhielt der SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung über 30 Morddrohungen. Mehrere Täter konnten bereits ermittelt werden. Auch das Landesstudio Sachsen des Deutschlandradios ist Teil der OAZ- Statistik. Im April wurde nach einem kritischen Beitrag über den Auftritt des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders bei Pegida in Dresden in einem Facebook-Kommentar zu Gewalt aufgerufen. "Erschießt die Fotze" war da zu lesen. Eine Anzeige liegt vor.
    Solche Äußerungen sollte man nicht auf sich beruhen lassen, sagt der Leipziger Polizeipräsident:
    "Erstens rate ich jedem, er möge das nicht unterschätzen, wenn gegen ihn irgendetwas gepostet wird, was in seiner Funktion, seiner Arbeit, eine gewisse Beeinträchtigung darstellt, da mögen sie sich bitte an uns wenden. Es fängt überall an, und nimmt dann an Schärfe zu, wenn keine Reaktionen verspürt werden."
    Um politisch Aktive besser zu schützen, setzt Merbitz zunehmend auf Präventionsarbeit:
    "Wir halten auch Vorträge vor Landkreisen, vor Oberbürgermeistern und Bürgermeistern, und machen sie auf die Gefahr aufmerksam. Und plötzlich waren einige erschrocken, die sagen: Ich habe ja auch solche Emails gekriegt."
    Der Leiter des OAZ, der sich bereits seit den neunziger Jahren mit der sogenannten Soko Rex der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen verschrieben hat, ist nach ersten Fahndungserfolgen darüber erstaunt, was für Leute diese Drohungen absetzen:
    "Was mich an der ganzen Sache verwundert, ist, dass wir bei den fünf Tätern - es sich um Personen handelt, die ihren Hass gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen zum Ausdruck bringen. Aber für mich ist das Erschreckende, dass zum allergrößten Teil keine polizeilichen Erkenntnisse im Vorfeld gegen diese Personen vorliegen. Die sich also aus einem Stimmungsbild heraus gegen Politiker und andere Personen wenden."
    Etwa 1000 Menschen protestieren am Abend des 21.08.2015 in Heidenau (Sachsen) gegen die Unterbringung von Asylbewerbern im ehemaligen Baumarkt «Praktiker». In dem seit 2013 leerstehenden Baumarkt in einem Gewerbegebiet sollen in der Nacht zum Samstag etwa 250 Neuankömmlinge untergebracht werden.
    Demonstranten gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Heidenau. (picture alliance / dpa / Marko Förster)
    Wer sich öffentlich für Asylbewerberheime ausspricht, bekommt Drohmails

    Es sind also bislang unbescholtene Bürger, die auf einmal anfangen, Morddrohungen zu schreiben.
    "Dass der Eindruck entsteht, dass der Hass unter ja zum Teil normalen Leuten plötzlich entsteht. Und die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie kommt es denn zu dem Hass?"
    Diese Frage stellen sich derzeit viele im Freistaat.
    Selbst wenn die Demonstrationen der asyl- und islamfeindlichen Pegida in den vergangenen Wochen mit 2.000 oder 3.000 Teilnehmern deutlich weniger Zulauf hatten als im Winter, wo sie bis zu 25.000 Menschen mobilisieren konnten, wirkt ihre aggressive Rhetorik auch gegenüber Journalisten nach. Der Chefredakteur der Dresdner Neuesten Nachrichten, Dirk Birgel, hatte erst vor einigen Tagen wieder Post:
    "Es war in der ganz normalen Tagespost ein DIN A 4 Zettel. Anonym. Stand drauf: 'Hallo DNN, irgendwann ist jeder dran, irgendwann gibt jeder Ruh. Irgendwann schweigst auch du. Wir sehen uns, Lügenpresse. Deine ehemaligen Leser.'"
    Seit 1999 steht er an der Spitze der Redaktion. Aber das hat Birgel noch nicht erlebt:
    "Nein, also wir hatten schon natürlich große Debatten um den Bau der Autobahn A 17. Legendär selbstverständlich das ganze Thema Waldschlößchenbrücke. Es gab auch andere Themen, wo die Emotionen mal hochschlugen. Aber es hat nie dieses unterirdische Niveau erreicht. Also ich registriere schon eine zunehmende verbale Radikalisierung in einigen Bevölkerungsteilen. Die Leute lassen jetzt mal die Sau raus. Und das meistens aber doch anonym."
    Auch Eric Hattke ist Zielscheibe rechter Anfeindungen geworden. Der Student ist einer der Sprecher des Netzwerks "Dresden für Alle", das sich für Toleranz und Weltoffenheit einsetzt.
    "Die Bedrohungslage ist gleichbleibend. Die meisten Aktiven, die sich in der Öffentlichkeit für eine Willkommenskultur aussprechen, bekommen regelmäßig Drohmails. Meistens sind es wüste Beschimpfungen. Da waren dann solche Mails dabei wie: Ich hoffe, du hängst bald an der nächsten Laterne, und sowas."
    Helfer vom Deutschen Roten Kreuz müssen unter Polizeischutz arbeiten
    Die Zivilgesellschaft müsse sich dem entgegenstellen.
    Auch Helfer vom Deutschen Roten Kreuz blieben nicht verschont. Sie konnten den Aufbau einer Zeltstadt in Dresden nur unter Polizeischutz durchführen. Ein Helfer wurde mutwillig fast von einem Auto angefahren.
    Wie sich solche Erlebnisse auswirken, davon zeugte die Bitte des sächsischen DRK-Landeschefs Rüdiger Unger bei einem Pressetermin in der Zeltstadt in der Bremer Straße.
    "Es ist für uns eine sehr unschöne Situation. Wir haben eine Reihe von Helfern, die das nicht mehr möchten, öffentlich gezeigt zu werden, weil sie persönlichen Anfeindungen ausgesetzt werden, im Bekanntenkreis. Und da bitte ich Sie das zu respektieren."
    Doch Tag für Tag wird die Stimmung durch entsprechende Seiten zum Beispiel bei Facebook mehr angeheizt. Sie heißen "Nein zum Heim" oder "Freital wehrt sich". Dort wird gegen Flüchtlinge und Andersdenkende polemisiert. Von "Kanackenpack" ist die Rede oder von "Schein-Asylanten, die alles in den Arsch geblasen bekommen und von linken Gutmenschen ins Land geholt werden, um die Bevölkerung auszutauschen". Ein ähnlicher Ton herrscht auch auf der Facebook-Seite von Pegida.
    Dazu kommen: Links zu Artikeln über vermeintlich kriminelle Asylbewerber, Demonstrationsaufrufe, Gerüchte. Zum Beispiel das Gerücht über den Ausbruch von Ebola in Freital. Nach einer Recherche der "Sächsischen Zeitung" ist die Zustimmung zu solchen Einträgen im Freistaat Sachsen besonders hoch, fast 40 Prozent aller "Likes" bundesweit kommen von hier.
    Ist das noch Meinungsfreiheit oder beginnt hier schon die Volksverhetzung? Wie nutzen organisierte Rechtsextreme diese Plattformen? Auch das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen beobachtet einige dieser Profile. Pressesprecher Martin Döring:
    "Hier hat es sicherlich in den vergangenen anderthalb Jahren einen Anstieg von Facebook-Seiten gegeben, in denen Rechtsextremisten eine deutlich spürbare Rolle spielen."
    Sachsens Ministerpräsident Tillich in der Kritik

    Der Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich (CDU - M), unterhält sich am 25.06.2015 in Freital (Sachsen) mit Flüchtlingen in der Asylbewerberunterkunft.
    Sachsens Ministerpräsident Tillich spricht mit Flüchtingen in Freital. (dpa picture alliance/ MARKO GREITSCHUS)
    Die Zahl der vom Verfassungsschutz beobachteten Seiten liegt in Sachsen im mittleren zweistelligen Bereich, eine genaue Zahl will er nicht nennen.
    Eine Entwarnung gibt es von Döring auch nicht:
    "Das, was im Augenblick Rechtsextremisten hoffen lässt im Freistaat Sachsen, das ist in der Tat die aktuelle gesellschaftliche und ja auch emotional geführte Diskussion über den Zuzug von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylantragsstellern. Hier sehen Rechtsextremisten sowohl aus dem parteilichen wie auch aus dem nicht-parteilichen Bereich die Chance, sich zum Sprachrohr vieler zu machen."
    Es war das Städtchen Schneeberg im Erzgebirge, wo sich dieses Verhalten im Herbst 2013 zum ersten Mal beobachten ließ.
    Sogenannte "besorgte Bürger" und NPD-Funktionäre demonstrierten gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung. Organisiert wurden die Aufrufe über die Plattform "Schneeberg wehrt sich".
    Der Bürgermeister Frieder Stimpel von der CDU bewies Haltung: Das Recht auf Asyl sei im Grundgesetz verbrieft, außerdem habe jeder Christ die Pflicht zu helfen.
    Die Folge: 50 asylfeindliche Demonstranten zogen bis vor sein privates Wohnhaus. Der Schneeberger Bürgermeister Stimpel harrte zusammen mit seiner Frau aus, hielt sich von den Fenstern fern und wartete auf die Polizei:
    "Einer ging auch ums Haus rum im Grundstück und guckte - wir haben das Licht ausgemacht - inwieweit wir da sein könnten. In massiver und unschöner Weise wurden auch Parolen gegrölt. Wir sind das Volk! Zeig dich, und weiteres Schlimmeres."
    Stimpel ist seit diesem Sommer in Pension. Er rät nun allen Kommunalpolitikern zu klaren Positionen. Ein Zick-Zack-Kurs in Sachen Asyl-Politik schaffe nur noch mehr Raum für Gerüchte, der von Populisten ausgenutzt werden könne.
    Übergriffe auch von links
    Gerade den führenden Christdemokraten Sachsens wie Ministerpräsident Stanislaw Tillich wird unter anderem von der Opposition vorgeworfen, zu zögerlich gegen Rechtspopulisten und Asylfeinde Stellung bezogen zu haben und sie damit willentlich oder unwillentlich gestärkt zu haben.
    CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer zeigt sich inzwischen nachdenklich:
    "Wir haben über die letzten Jahre so was eigentlich überhaupt nicht gekannt. Und erleben das jetzt in den vergangenen Monaten häufiger. Es hat immer was mit dem Thema Unterbringung von Asylbewerbern zu tun. Und das zeigt, dass es an dieser Stelle ein Problem gibt."
    Der Koalitionspartner SPD hat sich von vornherein deutlicher gegen asylfeindliche Parolen abgegrenzt - in Reden, Interviews, auf Facebook. Obwohl Parteichef Martin Dulig explizit um Sachlichkeit bei Diskussionen bittet, ist der Ton auf seinem Facebook-Profil entgleist, inzwischen diskutiert er dort weniger, mehrere Anzeigen gegen Hass-Kommentatoren werden geprüft.
    SPD-Chef Dulig ist nicht nur selbst betroffen. Sein Sohn wurde auf der Rückfahrt von einer linken Demonstration in Freital Opfer von Gewalt. Ein Auto, in dem er und andere unterwegs waren, wurde mit Baseballschlägern attackiert, die Frontscheibe splitterte, die Jugendlichen konnten gerade so entkommen.
    Befürchtet der sächsische Landesvorsitzende denn, dass sich potentiell Interessierte nun von politischer Arbeit abschrecken lassen?
    "Es ist schon eine Atmosphäre entstanden, wo sich viele überlegen, ob man sich noch engagiert. Ich kann nur sagen: Natürlich müssen wir uns engagieren, gerade jetzt müssen wir uns engagieren. Ich bin der Meinung, die Mehrheit will ein demokratisches, tolerantes Sachsen, will, dass wir friedlich miteinander umgehen. Man hört halt meistens nur die Lauten, die jetze dagegen sind. Aber das ist die Minderheit. Umso wichtiger ist, dass die Mehrheit sich jetzt nicht einschüchtern lässt."
    Die Übergriffe kommen nicht nur von rechts. In Leipzig gingen am Firmengebäude von AfD-Chefin Frauke Petry Scheiben zu Bruch, übel riechende Buttersäure wurde ausgekippt. Laut einem Bekennerschreiben richtete sich der Angriff gegen die AfD.
    Fazit: Eine andere Kommunikation in den sozialen Netzwerken bei SPD-Frontmann Dulig, Sicherheitshinweise bei den Linken, Scheu vor Namensnennung bei Rot-Kreuz-Helfern...... Spurlos gehen also die Anfeindungen im Netz und auf der Straße nicht an Politikern und anderen Engagierten vorbei.
    Wie aber hängen der Hass, den die Menschen jeden Tag im Internet ausbreiten, und die Gewalttaten zusammen? Ist der Hass aus dem Netz auf die Straße gewandert?
    Mit diesen Fragen hat sich Julia Schramm intensiv beschäftigt. Die junge Politikwissenschaftlerin arbeitet für die Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin, die sich für Opfer rechter Gewalt einsetzt. Schramm hat eine Broschüre über das Phänomen Hate Speech geschrieben, was so viel wie "Hass-Rede" heißt.
    Politiker wollen sich nicht einschüchtern lassen
    Sie glaubt, dass die einschlägigen Internet-Foren eine Verstärker-Funktion haben:
    "So eine Facebook-Gruppe wie 'Nein zum Heim' ist ein Katalysator, ist genauso ein Treffpunkt. Traditionell war es so, dass die organisierten Nazis in ihrer Subkultur geblieben sind. Und das Netz hat das aufgebrochen. Das führt dazu, dass in Anführungsstrichen normale Leute, Bürgerinnen und Bürger von denen man denkt, dass sie ein gewisses Maß an Toleranz mit sich bringen, dass die auf einmal Nazi-Sprech benutzen, Begriffe von Nazis benutzen."
    "Die sollen nach Hause gehen und erst mal ihr eigenes Land aufbauen, die Feiglinge", "Schmarotzer mit dickem Smartphone". Solche Formulierungen sickern tröpfchenweise in die bürgerliche Gesellschaft ein und bleiben da hängen.
    Wird die politische Kultur in Sachsen auf Dauer Schaden nehmen? Das hat auch Frank Richter beschäftigt. Er ist Direktor der Landeszentrale für politische Bildung und ein langjähriger Beobachter der gesellschaftlichen Entwicklungen im Freistaat. Er zieht eher ein ernüchtertes Fazit:
    "Meine Einrichtung und ich selbst haben ja zahlreiche Bürgerversammlungen organisiert und moderiert. Und uns ist immer wieder aufgefallen, dass Politiker ganz allgemein diskreditiert werden. Dass sie als korrupt, oder als egoistisch, oder als faul, oder als inkompetent hingestellt werden. Das geschieht oft. Und es erfährt vor allen Dingen keinen Widerspruch. Und andere, in der Versammlung, die es besser wissen könnten, nicht widersprechen, es ist ein Ausdruck von einer ziemlich schlechten politischen Kultur in unserem Land."
    Auch die Landeszentrale war Ziel eines Angriffs. Im März landeten Farbbeutel auf der Fassade. Der mutmaßliche Täter wird dem linken Spektrum zugerechnet. Die Landeszentrale habe zu viel Verständnis für Pegida und habe sie mit der Pressekonferenz von Bachmann zu sehr unterstützt, so die Kritik vorher.
    Warum sorgt ausgerechnet die Debatte über Asylbewerber und Flüchtlinge für derart emotionale, ja irrationale Reaktionen?
    "Das ist die wichtigste und die schwierigste Frage. Wenn Menschen andere anfeinden, sagen sie sehr viel über ihre eigene Situation. Über ihre Unzufriedenheit mit sich selbst. Über ihre Verlustängste, auch was das Sozialkapital betrifft. Nur selten wird das offen und ehrlich ausgesprochen. Viele beziehen ihr Sozialkapital in dieser Gesellschaft daher, dass sie sich gegen andere positionieren. Das mag damit zusammen hängen, dass sie selbst schwach sind. Und sie kompensieren diese eigenen Schwäche in der Attacke gegen andere."
    Aber: Verbitterung oder Einschüchterung will auch Frank Richter nicht zulassen. Stattdessen müssten alle Engagierten ein gutes Beispiel abgeben und voran gehen. Seine Botschaft ist klar:
    "Den moralischen Standard in der politischen Auseinandersetzung darf ich mir nicht von anderen diktieren lassen."