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Angehende Jura-Referendare
Sehr lange Wartezeiten in Berlin und Hamburg

Wer sein erstes juristisches Staatsexamen geschafft hat, muss mitunter sehr lange auf sein Referendariat warten. Das ist die Voraussetzung für das zweite Staatsexamen und den Titel Volljurist. Ein großes Problem ist dabei die nicht kalkulierbare Länge der Wartezeit.

Von Philip Banse | 20.10.2018
    Alice Bertram wartet in Berlin auf einen Referendariatsplatz.
    Alice Bertram wartet in Berlin auf einen Referendariatsplatz. (Deutschlandradio / Philip Banse)
    Alice Bertram hat Jura studiert. Ihr erstes Staatsexamen hat sie vor einem Jahr gemacht. Sie möchte Volljuristin werden, um als Richterin, Anwältin, bei der Staatsanwaltschaft oder auf guten Posten in der Verwaltung arbeiten zu können. Dazu muss sie ein Referendariat machen, eine zweijährige, sehr praxisorientierte Ausbildung mit fünf Stationen: Gericht, Staatsanwaltschaft, Verwaltung, Anwalt und eine Station nach Wahl.
    Zuständig für die Referendariatsausbildung sind die Bundesländer. Einige wie NRW stellen monatlich Referendare ein, Thüringen stellt nur zweimal im Jahr ein. Juristen können sich aussuchen, in welchem Bundesland sie sich fürs Referendariat bewerben, Alice Bertram hat in Berlin studiert, bewarb sich also in Berlin – und landete in der Warteliste:
    "Momentan bin ich Platz 284 auf der Liste für die Berliner Kandidaten. Meinen Startpunkt kann ich gar nicht mehr genau sagen, ich glaube, das war irgendwo zwischen 500 und 600."
    Sie wartet also schon fast ein Jahr, aber wann genau sie ihre Ausbildung fortsetzen, das Referendariat beginnen kann, ist immer noch nicht klar. Sie hatte sich mal auf November eingestellt:
    "Momentan sieht es nicht danach aus, sondern, ja man kann das schwer abschätzen, aber realistischerweise eher Februar, Mai nächsten Jahres."
    Die Länge der Wartezeit ist nicht bekannt
    Dann hätte sie 19 Monate gewartet. Dabei sei die reine Wartezeit nicht das Problem – wenn sie denn vorher bekannt wäre. So wisse sie nicht, ob sie einen kurzen Job machen oder doch die Doktorarbeit vorziehen solle. Die schlechte Planbarkeit sei das Hauptproblem, sagt auch Enis Arkat, ein anderer Jurist auf der Berliner Warteliste. Er habe mit einem Jahr Wartezeit gerechnet und einen befristeten Job in einer Anwaltskanzlei angenommen:
    "Mein Arbeitsvertrag lief zum August aus und ich wusste nicht, ob ich den verlängern kann, soll oder nicht. Ich habe auch gefragt, wie groß denn die Chance ist, dass ich im August anfangen kann."
    Also das Referendariat in Berlin.
    "Und es hieß: keine Angaben."
    Derzeit warten in Berlin weit über 1.000 Juristen auf den Beginn ihres Referendariats – mit unterschiedlichen, aber in der Tendenz steigenden Wartezeiten: Wer ein Prädikatsexamen hat, müsse aktuell elf Monate warten, schreibt die Berliner Landesregierung. Wer in Berlin studiert hat, müsse elf bis 14 Monate warten; wer nicht in Berlin studiert hat, müsse bis zu 21 Monate warten. Hamburg nennt ähnliche Wartezeiten.
    Begründung der Berliner Landesregierung: Berlin bilde gemessen an der Einwohnerzahl schon überdurchschnittlich viele Referendare aus, die Nachfrage sei jedoch immer noch größer als das Angebot, da gebe es nun mal Wartezeiten. Eine Argumentation, die auch Joachim Lege vom Deutscher-Juristen-Fakultätentag plausibel findet. Auch die wartende Juristin Alice Bertram gesteht:
    "An sich finde ich es nachvollziehbar, dass man sagt: Eine hohe Nachfrage können wir eventuell nicht umfassend bedienen."
    Nennung genauer Einstellungstermine ist schwer
    Aber es müsse doch möglich sein, genaue Einstellungstermine zu nennen. Das sei schwer, sagen Insider aus der Berliner Justiz. Denn viele Referendare würden von der Warteliste abspringen – etwa, weil sie in anderen Bundesländern eher einen Platz bekommen haben. Denn wer nicht ein bis zwei Jahre auf einen Platz in Berlin oder Hamburg warten will, kann etwa nach Thüringen gehen. "Wir nehmen jeden sofort", heißt es im dortigen Justizministerium. Oder nach Brandenburg.
    "Brandenburg war eine Option."
    Auch Roland Richtstein wartet in Berlin auf einen Referendariatsplatz. Nach seinem Ersten Staatsexamen hat er sich kurz arbeitslos gemeldet und die Arbeitsagentur habe gesagt:
    "Naja, aber sie können sich doch auch in Brandenburg bewerben, da bekommen sie sofort einen Platz. Das heißt, ich hätte dann dem Staat weniger auf der Tasche gelegen."
    Doch Roland Richtstein fand schnell einen Job. Denn das ist auch mit dem Ersten Staatsexamen in der Regel kein Problem. Große Anwaltskanzleien bieten wichtige Arbeitserfahrung und zahlen schon einfachen examinierten Juristen mitunter 1.000 Euro – am Tag. Worin genau das Problem mit den Wartezeiten in Berlin und Hamburg bestehen soll, kann auch der Bundesverband Rechtswissenschaftlicher Fachschaften nicht erklären. Die Vorsitzende Anne Kuckert sagt nur:
    "Was wir auf jeden Fall tun werden, ist uns mit der Problematik auseinandersetzen als Verein. Das steht nächsten Mai auf unser Bundesfachschaftentagung auf dem Plan. Aber konkret haben wir natürlich als Verein ohne jegliche Datengrundlage noch keine großartigen Ideen. Das ist aber wie gesagt auf der Agenda."