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Angehörigenpflege
Belastung bis hin zur Depression

Familienmitglieder zu pflegen, belastet immer mehr auch die Angehörigen gesundheitlich. Neben körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen treten vermehrt auch Schlafstörungen, Unruhezustände und Depressionen auf. Die Gründe liegen oft im sozialen Umfeld, das wegbricht.

Von Johannes Kulms | 24.09.2015
    Eine Frau hält die Hand ihres an Demenz erkrankten Mannes.
    Pflegende Angehörige kommen oft selbst zu kurz und werden krank. (picture alliance / dpa / Foto: Daniel Naupold)
    Rund 50 Prozent aller pflegenden Angehörigen leiden unter psychischen Belastungen. Das ist ein Ergebnis des Pflegereports der Krankenkasse DAK. Herbert Rebscher, Vorstandschef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, nennt Beispiele:
    "Das äußert sich in Schlafstörungen, Unruhezustände bis aber auch hin zu depressiven Episoden und müssen eben in dieser unterschiedlichen Intensität auch behandelt werden."
    Neben den psychischen kämen auch körperliche Belastungen, wie zum Beispiel Rückenbeschwerden. Die Situation der Angehörigen steht im Fokus des ersten Pflegereports der DAK-Gesundheit.
    Dafür wurden die anonymisierten Daten von rund 500.000 Versicherten ausgewertet. Außerdem wurde die Situation von 12.000 pflegenden Angehörigen untersucht und mit den Daten einer nicht-pflegenden Gruppe verglichen.
    Laut der Studie leiden 20 Prozent aller pflegenden Angehörigen unter einer Depression.
    Rückzug der sozialen Kontakte von den Pflegenden
    Wer seine Verwandten pflege, bleibe oft alleine, weil sich Freunde, aber auch Angehörige, zurückziehen, sagt Studien-Mitautor Thomas Klie. Der Pflegewissenschaftler der Uni Klagenfurt wünscht sich mehr Bewusstsein für dieses Problem:
    "Auch darauf hinzuweise, Hallo, pflegende Angehörige lässt man nicht allein. Auch wir in der Familie nicht, wir in der Nachbarschaft nicht, auch im Freundeskreis nicht. Also, sich zurückzuziehen ist wenn man so will die Aufkündigung der Solidarität."
    Zahl der pflegenden Männer steigt
    Nicht die Bereitschaft dafür, für Angehörige zu sorgen, nehme ab, sagt Klie. Wohl aber die Bereitschaft, sich über mehrere Jahre ausschließlich um die Pflege zu kümmern. Der DAK-Pflegereport bestätige zudem eine Erkenntnis über pflegende Angehörige, die in Teilen bereits bekannt sei, so Klie.
    "Dass Frauen stärker beteiligt sind. Das ist richtig. Wobei die Zahl der pflegenden Männer steigt."
    Doch die Zahlen der Krankenkasse sind deutlich: Rund 90 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Ein Drittel von ihnen arbeitet, davon aber lediglich ein Fünftel in Vollzeit.
    Ähnlich wie bei der Erziehung von Kindern müssten auch bei der Pflege von Angehörigen die Aufgaben neu verteilt werden. Doch die Frage sei, ob diese Diskussion auch gelinge, sagt Pflegewissenschaftler Klie:
    Die Krankenkasse DAK-Gesundheit weist auf bestehende externe Hilfsangebote hin. Doch seien diese insgesamt zu wenig bekannt bzw. würden verhältnismäßig selten genutzt.
    Das bestätigt auch Brigitte Bührlen, Vorsitzende von WIR! Stiftung Pflegender Angehöriger.
    "Ich kann mich nicht ein Leben lang damit befassen, was ist, wenn jemand pflegebedürftig wird in meiner Familie. Denn die Rahmenbedingungen sind ja immer unterschiedlich. Eventuell habe ich kleine Kinder zu dem Zeitpunkt oder ich bin berufstätig. Das kann ich zu dem Zeitpunkt alles nicht wissen. Ich weiß ja auch nicht, wann der Pflegefall eintritt."
    Gleichzeitig fordert Bührlen aber auch passgenauere Angebote für pflegende Angehörige. Wer einem Beruf nachgehe, sei zum Beispiel auf Tagespflegeeinrichtungen angewiesen.