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Angela Merkel
Die pragmatische Physikerin wird 60

Die Bundeskanzlerin wird 60 Jahre alt. Physikerin wurde Angela Merkel, weil es sie interessierte und weil sie dadurch in der Ex-DDR einem Konflikt aus dem Weg ging. Zur Politik kam sie nach dem Mauerfall: Helmut Kohl lotste sie nach Bonn. Die Ost-CDU wäre ihre allerletzte Wahl gewesen. Inzwischen wird sie oft als "mächtigste Frau der Welt" titutliert.

Von Tom Schimmeck |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Fahnen
    Bundeskanzlerin Angela Merkel ist den Umgang mit Macht inzwischen gewohnt. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    "Das wirklich Interessante an der heutigen Weltgeschichte ist, dass neue Themen auftauchen, die verschiedene Punkte der Welt zusammenschalten."
    Morgen Abend ist es wieder so weit. Im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, wird es einen Vortrag geben, um 19:30 Uhr, mit etwa 500 Gästen.
    "Die zeigen, wie an Punkt A eine Ursache entsteht, die weit weg eine Wirkung hat."
    Der Global-Historiker Jürgen Osterhammel ist geladen, über Zeithorizonte der Geschichte zu sprechen. Er hat ein viel gerühmtes Buch über die "Verwandlung der Welt" im 19. Jahrhundert geschrieben. Es beginnt mit einer Schildkröte. Dem Haustier von Charles Darwin. So feiert Angela Merkel ihren 60. Geburtstag.
    "Das Wissen um die Wechselbeziehungen zwischen Menschen und Natur fällt ja nicht einfach von Himmel."
    Merkel, die Nüchterne, die Wissensdurstige. Die Physikerin. Wortkarg, doch meist wohlgelaunt. Wohl wissend:
    "Dass das Älterwerden gar nicht so ein trauriger Prozess ist, sondern auch einer, wo man sagt: Ach schön, dass (Du) an der Stelle angekommen bist."
    "Wichtig ist jetzt noch, dass die Evolution ein extrem konservativer Prozess ist."
    Merkels Feier zum 50.
    Berlin tritt zum Vortrag an. Wie schon vor zehn Jahren, zum 50., als Dr. Angela Merkel, Ihr Ex-Rivale Dr. Edmund Stoiber, ihr künftiger Wunschkoalitionspartner Dr. Guido Westerwelle, ihr Gatte Prof. Dr. Joachim Sauer, die Mutter, die Geschwister und sonstige geladene Gäste im Foyer der CDU-Zentrale Professor Wolf Singer lauschten.
    "Wenn irgendwann mal in der frühen evolutionären Geschichte etwas sich als tauglich erwiesen hat, dann wird das mit unglaublicher Penetranz durchgehalten."
    Der referierte über "Das Gehirn: Ein Beispiel zur Selbstorganisation komplexer Systeme". Projizierte das Hirn einer Schnecke an die Wand. Und sprach:
    "Was die Schnecke über die Welt gelernt hat, ist auch unser Wissen."
    Die Botschaft: Wir haben oben herum nichts anderes als die Schnecke, nur:
    "Mehr Masse vom Gleichen."
    Das Hirn, sagte er, habe kein Zentrum für Entscheidungen. Die Freiheit - ist nur Illusion, weil Neuronen steuern, was wir fühlen, denken, tun.
    "Weil sich evolutionäre Systeme nur nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum entfalten, müssen die Versuche aus kleinen Schritten bestehen, damit sich Irrtümer nicht zu fatal auswirken können."
    Merkel hörte es frohgemut. Es ist ganz ihr Stil.
    "Unerreichbare Ziele setzen? Das ist nicht unsere Art. Viele kleine Schritte gehen!"
    Nur keine weitreichenden Entwürfe, gar Visionen. Besser die Erwartungen dämpfen, auf Sicht fahren.
    "Eine Politik des Maßes, der Mitte und der praktischen Vernunft."
    Ein "Schau mer mal".
    "Ich bin guter Stimmung."
    Sie beklatschte die Schnecke. Sie hatte sich den Vortrag gewünscht. Dann sang ein Shanty-Chor. Das politische Berlin schien irritiert. Das Medienecho - amüsiert bis empört. Die "Süddeutsche Zeitung" spottete:
    "Singers These war nichts anderes als die wissenschaftliche Ableitung von Merkels bevorzugter Lebensweisheit: Es kommt, wie es kommt."
    Die "Zeit" zitierte, zustimmend, das Satiriker-Duo Ebermann & Trampert:
    "Deutschlands Elite war begeistert, als sie hörte, dass nicht Deutsche, sondern Neuronen den Völkermord an den Juden verübt hätten. Warum die Neuronen damals gerade so und nicht anders entschieden haben, weiß der Professor heute noch nicht."
    Am rechten Rand schnaubte die "Junge Freiheit" über Merkels ...
    "... nächsten Schlag gegen die Fundamente christlich-konservativer Grundwerte in der CDU."
    "Ich habe darüber, wie das gehen kann, meine sehr klaren Vorstellungen."
    Sie war noch nicht Kanzlerin. Aber näher dran, als alle ahnten.
    "Für mich ist immer wichtig, dass ich mir alle möglichen Entscheidungsoptionen, wie man's machen könnte, durchspiele. Und zwar nicht nur wie so'n theoretisches Experiment, also einmal im Kopf, sondern auch versuche, damit zu leben."
    Die Welt, eine Versuchsanordnung?
    Merkel und die Akademie der Wissenschaften der DDR
    Als Angela Merkel 24 war, kam sie an die Akademie der Wissenschaften der DDR, nahm in Berlin-Adlershof an einem abgenutzten Schreibtisch in einer grauen Baracke Platz.
    "Als ich in der Akademie gearbeitet habe, hab ich immer hinter meinem Schreibtisch gesessen und musste nur aufpassen, dass die Ärmel meiner Pullover nicht durchgescheuert sind."
    Sieben Jahre brütet sie über der Frage, wie schnell Moleküle zerfallen, wenn sich ein Wasserstoffatom von einem Methylradikal CH3 abspaltet. Sie promovierte über "Zerfallsreaktionen". Eine gute Vorbereitung auf das Ende der Ära Kohl. Aber warum studiert die Pfarrerstochter aus Templin eigentlich Physik?
    "Die Entscheidung, Physik zu studieren, war zum einen aufgrund dessen, dass mich das interessiert hat."
    Zum anderen war es eine ganz pragmatische Überlegung:
    "Zwei mal zwei war auch im Osten vier. Zumindest meistens, wenn man's selber ausgerechnet hat."
    Sie wollte keine Reibungsverluste. Als Lehrerin etwa - irgendwann, später.
    "Und diesem Konflikt bin ich ausgewichen durch das Physikstudium."
    Das, klagte sie nach der Wende manchmal, würden viele "bundesdeutsche Journalisten" nicht verstehen. Weil sie keine Grautöne sähen.
    "Nein, ich war kein Held. Und ich finde, es ist auch wichtig, deshalb sage ich auch überall, auch in den bundesdeutschen Medien, dass ich Pionier war, dass ich in der FDJ war, was dann immer wieder auf Entsetzen stößt. Weil wir einfach nicht so tun können, als hätte es diesen Sozialismus und diese 40 Jahre nicht gegeben."
    Die Eltern bremsten Tochter Angela.
    "Und deshalb durfte ich erst in der zweiten Klasse in die Pioniere. Und es war ein ziemlich schlimmes erstes Jahr."
    Wahre Konservative hören das nicht gern. Sie haben diese Merkel lange skeptisch beäugt: eine Frau. Aus dem Osten, die fließend Russisch spricht. Unheimlich!
    "Und das hat sie uns noch nicht erzählt, und das hat sie noch nicht erzählt. Ich weiß gar nicht: Vielleicht hab ich auch andere Sachen nicht erzählt. Weil mich auch noch nie einer danach gefragt hat. Also jetzt kommt das mit der Gewerkschaft, zum Beispiel. Ja, ich war beim FDGB. Und ich kann gleich noch bekennen, da hat mich, glaub ich, auch noch nie einer nach gefragt: Ich war auch Mitglied in der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft. So."
    Als die Mauer fiel, war Frau Merkel in der Sauna.
    Der Mauerfall und der Start in der Politik
    Dann kam die Politik. Der "Demokratische Aufbruch". Ein Job als Vize-Sprecherin der letzten DDR-Regierung. Ein Helmut Kohl, der "das Mädchen" nach Bonn lotste. Die Ost-CDU wäre ihre allerletzte Wahl gewesen.
    "Vielleicht gerade, weil ich aus dem Pfarrershaushalt kam und das Christ-Sein noch anders erlebt habe, war ich besonders wütend auf die CDU. Also ich wäre noch eher in jede andere Partei gegangen, aber niemals in die CDU."
    Ruckzuck war Merkel CDU-Ministerin. Für Frauen- und Jugend. Ein flotter Seiteneinstieg.
    Merkel: "Bei mir war es so, dass das die deutsche Einheit sehr befördert hat. Und der durchschnittliche Weg durch die Parteiinstanzen entfallen ist."
    Moderatorin: "Die Ochsentour nennen das die Parteileute."
    Merkel: "Ich hab grad überlegt, wie man das bei Frauen nennen würde."
    Wie weit sie gehen wird, fragt 1991 der legendäre Interviewer Günter Gaus die frischgebackene Politikerin Merkel.
    Merkel: "Die Grenze ist dann erreicht, wenn ich's den Menschen, für die ich ja letztendlich Politik machen soll, nicht mehr graden Auges erklären kann."
    Gaus: "Das heißt gar nichts."
    Merkel: "Sagen sie."
    Gaus: "Versuchen Sie es. Konkretisieren sie es. Es muss doch für sie 'ne Grenzziehung geben."
    Aber die Grenzen, die waren gerade gefallen.
    "Ich könne mir vorstellen, dass im Abgeordnetendasein, dass ich das schon noch ein paar Jahre gerne mache."
    Nur das "Sich-gut-Verkaufen", sagt sie, das läge ihr nicht so.
    "Weil ich wirklich nicht denke, dass sich der politische oder sonstige Wert eines Menschen sich daran misst, welche Sorte des Lippenstifts er benutzt."
    "Und da wollt ich jetzt mit Ihnen noch mal ein bisschen drüber sprechen: Glaube, Hoffnung, Liebe."
    Merkels Vorbilder
    Auf dem Evangelischen Kirchentag 1995 sprach die Ministerin Merkel über Vorbilder. Erzählte von einem alten Gärtner in der Nachbarschaft, der immer Zeit hatte. Dann kamen andere Idole.
    "Das waren entweder Schlagersänger, Turner, Eiskunstläufer, Tänzer, Weltreisende und Zauberer. Das sind so ungefähr all die Sachen, die ich überhaupt nicht kann."
    Die Kindheit. Die Phase vor dem Pragmatismus.
    "Und für mich war das nicht immer so erbaulich als Kind."
    Später war die Forscherin Marie Curie ihr Vorbild. Bis die Politik ihre Welt wurde.
    "Wir sitzen da zu 17. Und dann gibt's den Bundeskanzler. Und... Jaaa."
    Sie bleibt loyal.
    "Ich hab auch keine Hemmungen, dort das, was ich denke, zu sagen. Und insofern kann ich erst mal kein größeres Problem in der Kabinettsrunde erkennen."
    Macht-Managerin der Opposition
    1998 endet die lange Ära des Ziehvaters Kohl. Rot-grün regiert Deutschland. Angela Merkel steigt zur CDU-Generalsekretärin auf, zur Macht-Managerin der Opposition. Im Jahr darauf versinkt ihre CDU in der Parteispendenaffäre. Überall schwarze Kassen, anonyme Spender, im Ausland geparkte Millionen. Eine komplette Katastrophe. Die Generalsekretärin geht sie analytisch an.
    "Es war also eine Notlage aus meiner Sicht."
    Nicht umsonst hat sie über Zerfallsreaktionen promoviert. Und beschleunigt den Prozess.
    "Es ist die Tatsache auch zu berücksichtigen, dass die Zeit des aktiven Politikers Helmut Kohl vorbei ist."
    Auch Kohls Nachfolger Wolfgang Schäuble gerät in den Spendenstrudel. Im April 2000 wird Angela Merkel CDU-Chefin. Zustimmung: 96 Prozent.
    "Ich bin nun da und nun muss ich damit klarkommen. Es ging ziemlich schnell und auch sehr ungeplant."
    Wer ist Merkel?, fragt sich spätestens jetzt die Nation.
    "Ich hab ja nichts zu verbergen und insofern spreche ich schon gerne auch über mein Leben."
    Manchmal wirkt es, als würde sie lieber gar nichts sagen.
    "Schweigen kann auch Stärke in der Politik sein."
    Aber sie muss sprechen. Weil sie nach Höherem strebt. Nicht nur auf ihren Bergwanderungen.
    "Weil der Gipfel eine neue Aussicht eröffnet. Und der ist doch eigentlich das Schöne bei einer Bergwanderung."
    Sie weiß jetzt: Sie hat große Aussichten. Der Ton wird chefiger.
    "Manchmal ist die richtige Mischung aus Härte und Freundlichkeit schon das, was man auch braucht, um einen riesigen Laden zusammenzuhalten."
    2001. Die Partei streitet, wer Schröder stürzen kann. Stoiber oder Merkel? Auf einer Parteikonferenz verlangt die Chefin: Schluss mit den Personaldebatten.
    "Und deshalb kann ich aus dem Bundesvorstand, aus dem Präsidium heute berichten, dass dies die Meinung aller ist, die etwas klar im Kopf sind – ich sag's mal so drastisch. Und das waren übrigens alle, die da waren. "
    Die Drohung ist offen: Wer mäkelt, wird gemerkelt. Sie ist nun selbst Zuchtmeisterin.
    "Meine Damen und Herren, ich habe heute Morgen Edmund Stoiber in Wolfratshausen besucht und mit ihm gemeinsam gefrühstückt."
    Merkel als Kanzlerkandidatin
    Ein hörbarer Seufzer. 2002 überlässt die CDU-Chefin Edmund Stoiber den Vortritt als Kanzlerkandidat. Er verliert. Als Kanzler Gerhard Schröder 2005 vorzeitig wählen lässt, tritt sie selbst an.
    "Es geht nicht um Karrieren. Es geht um etwas anderes: Wir wollen Deutschland dienen. Ich will Deutschland dienen. Deutschland kann es schaffen. Und gemeinsam werden wir es schaffen. Das ist unsere gemeinsame Überzeugung."
    Sie bleibt ein Mysterium. Unaufgeregt. Freundlich, wohltemperiert im Ton. Emotionsarm. Immer beherrscht.
    "Sie ist nicht euphorisch in den Momenten des Erfolges und dann aber auch nicht zerknirscht in Momenten des Misserfolges."
    Doch wofür steht Merkel? Das ist schwer zu greifen. Ihre Sprache klingt oft ungelenk, hölzern. Ihre Reden wirken eher sedierend. Verraten nicht viel. Sie listet auf. Und lächelt dann. Bleibt dabei kühl, analytisch. Nüchtern - die Vokabel fällt immer wieder. Beinahe wissenschaftlich, sagen die Beobachter. Selbst die Komiker quälen sich mit ihr - und ihrer neo-brandenburgischen Mundart.
    "Dass sie immer Endungen gar nicht so spricht, wie man sie sprechen würde, sondern sie sagt halt wirklich 'Minista', 'Amtsvorgänga'."
    Was, meint Komikerin Anne Onken, nie dazu verleiten darf, die Frau kleinzureden.
    "Ich trau Angie auch sehr, sehr viel zu. Zumal man sie immer unterschätzt hat. Grundsätzlich."
    Merkels Geheimwaffe
    Merkels Geheimwaffe. Genau wie die Verschwiegenheit in eigener Sache. Die Bedeutung ihrer oft zum V gefalteten Fingerspitzen immerhin ist inzwischen gelüftet:
    "Es war immer die Frage: Wohin mit den Armen? Und daraus ist das entstanden."
    Ansonsten spricht sie ungern über sich.
    "Mein Wohnumfeld hab ich vor der Politik gerettet."
    Oder gar über ihren Gatten, den Konditorssohn, eine Koryphäe der theoretischen Chemie.
    "Mein Mann ist eigentlich ein sehr ruhiger Typ, der sein Gefühlsregungen glaub ich auch sehr gut im Griff hat."
    Sie hat ihn an der Akademie der Wissenschaften kennengelernt.
    "Manchmal sagt er auch von selbst was."
    Im Duell gegen Schröder tritt eine selbstbewusste, geschulte Politikerin an. Keine Spur mehr von "Kohls Mädchen".
    "Ich hab die CDU auf einen Modernisierungskurs geführt, der uns fit macht für das 21. Jahrhundert."
    Ihr Wahlergebnis ist gleichwohl miserabel. Mithilfe der SPD zieht Angela Merkel trotzdem ins Kanzleramt ein. Der scheidende Hausherr hat hörbar Mühe damit.
    "Zunächst, Frau Bun..., Bundeskanzlerin auch hier im Haus einen ganz herzlichen Glückwunsch zu ihrer Wahl..."
    Sie wirkt, im Augenblick ihres Triumphs, wieder so starr wie einst.
    Journalistin: "Sie werden Kanzlerin, von Deutschland, wie geht es Ihnen?"
    Merkel: "Ja, also ich..., erstens: Mir geht es, ähm, ..., mir geht es gut, um sie erst mal..."
    "Ich glaube, dass es keine speziell männlichen und keine speziell weiblichen Schwächen und Fehler gibt, sondern dass es Männer gibt, die sehr viel schwatzhafter sind, als ich mir das vielleicht mal erträumt habe, dass es Frauen gibt, die sehr viel verschwiegener sind, als man's denkt. Also dass die Klischees im Grunde nicht klappen."
    Bei Angela Merkel funktioniert ohnehin kein Klischee. In neun Jahren an der Macht ist sie souveräner geworden. Auch spöttischer.
    "Als ich Umweltministerin war, waren die gefürchtetsten Anrufe die des Bundeskanzlers persönlich. Wenn wieder die chemische Industrie oder die Automobilindustrie vorstellig geworden war."
    "Ihr" Umweltminister, ein Sigmar Gabriel, ist in dieser Szene zugegen. Merkel macht daraus ein kokettes Muskelspiel.
    "Ich musste bei Herrn Gabriel in solcher Sache noch gar nicht anrufen, irgendwas... Ich weiß nicht, an wem's... Das heißt allerdings nicht, dass es nicht noch so kommen könnte. Also keine Absolution für die Zukunft."
    Zumal die Chemie traditionell ein Großspender der CDU ist.
    "Ich wage mal die Hypothese, dass bestimmte Schwierigkeiten einfach in der Natur der Sache liegen zurzeit."
    Die Kanzlerin, auf allen Gipfeln präsent, oft als "mächtigste Frau der Welt" tituliert, ist gut geübt im Umgang mit Macht. Ihre Truppe ist klein, und unbedingt loyal. Konkurrenten fanden Verwendung außerhalb der Politik. Andere verschwanden nach Wahlniederlagen oder Skandalen.
    "Also ich stehe zu der Arbeit von Karl Theodor zu Guttenberg und zu ihm natürlich auch als Persönlichkeit."
    Wohler fühlt sie sich unter Forschern. Da kann sie sogar ihr Russisch üben. Wie hier bei einem Besuch der ESA Kontrollstation, wo die Kanzlerin Kontakt mit dem All aufnahm.
    Merkel: "Und wie klappt's mit dem Schlafen?"
    Astronaut Reiter: "Ja, wunderbar: Da ist ein tolles Gefühl. Man kann ja nicht in dem Sinne auf dem Rücken oder auf der Seite oder auf dem Bauch liegen, man wird einfach nur von dem Schlafsack festgehalten."
    Die Journalisten eilen herbei, wenn Merkel ruft. Manchmal fragen sie noch nach dem Grund. Erfolglos.
    "Als ich hab das jetzt richtig gefunden. Und Sie sind gekommen. Und nun machen wir daraus einfach das Beste."
    Sie kann auch schnippisch werden.
    Frager: "Das war aber jetzt nicht die Frage."
    Merkel: "Hach, das war jetzt die Antwort."
    Keine Experimente mehr
    Die Physikerin macht keine Experimente mehr. Als wolle sie sagen: Die Welt ist eh unberechenbar.
    "Dass nicht alles vorhersehbar ist, und kleinste Veränderungen qualitativ völlig andere Ergebnisse bringen können. Sodass mich das nicht nur nicht beunruhigt, sondern dass ich unheimlich glücklich bin, dass der Rest der Welt genauso funktioniert wie die Physik an der Stelle."
    Politiker, Publizisten und das Publikum - sie alle haben sich eingerichtet mit dieser Kanzlerin. Sie ist zur festen Größe in der deutschen Politformel geworden. Ihre Wiederwahl? Fast schon Routine.
    "Zum dritten Mal wird der Deutsche Bundestag dann Frau Dr. Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt haben."
    Die größte Konkurrenzpartei - per Koalition eingebunden. Die Opposition aus Grünen und Linken - winzig.
    "Ich kann nur sagen: Hochinteressant, was hier gemacht wird."
    Es scheint, als blicke Angela Merkel an ihrem Geburtstag voraus auf viele lange Jahre an der Macht. Wenn sie denn will. Nicht längst den Ausstieg plant. Um zum 70. niemanden mehr einladen zu müssen.
    "Ich habe gewisse kamelartige Fähigkeiten. Das heißt, ich muss dann auch wieder auftanken."
    Der Weg zurück in die Wissenschaft, befand die Kanzlerin schon vor Jahren, sei längst verbaut. Als Studenten einer chinesischen Universität ihr charmant den Job der Physik-Dozentin antrugen.
    "Also ich glaube, aus dem Vorschlag wird nichts. Das Wissen verdoppelt sich alle vier Jahre. Und ich bin jetzt schon 17 Jahre in der Politik. Mit mir kann man überhaupt nichts mehr anfangen."