Korte: Guten Tag, Herr Breker.
Breker: Herr Korte, Politiker äußern sich selten konkret, doch was sie äußern, das tun sie mit Bedacht. Die These, Deutschland sei reif für eine Bundeskanzlerin, zeigt doch ganz genau, was Angela Merkel will.
Korte: Ja, eindeutig. Sprache ist ein zentrales Führungsinstrument der Politik. Es ist immer absichtsvoll, was Politiker sagen und von daher zielt sie natürlich darauf, ihre angehende Kampagne 'Eine Kanzlerin für Deutschland' zu untermauern zu einer Zeit, zu der ja Schlagzeilen besondere Aufmerksamkeit finden, weil ansonsten die Meldungslage eher dünn ist.
Breker: Ist die Beobachtung denn richtig, dass die K-Frage für die Union auch zur Machtfrage, zum Machtkampf zwischen Merkel und Stoiber geworden ist?
Korte: Ja. Das ist eine Wettbewerbssituation, Managerweisheiten sprechen von 'Aufstellung des Personals'. Diese Wettbewerbssituation ist aber typisch in der Situation einer Opposition vor der Bundestagswahl, das hat die SPD ja so auch vorgemacht. Die Auseinandersetzung um die Person ist im Kern natürlich eine politische Machtfrage, die dahintersteht. Aber der Dresdner Parteitag hat zuletzt ja noch einmal ganz offensichtlich, ganz deutlich gemacht, bis in die Gestik und die Mimik hinein, dass das Machtgen im Grunde um den Anspruch zu untermauern Angela Merkel hat. Dass sie es will, dass sie gezeigt hat mit den Themen dass sie es kann und der Parteitag so auch interpretiert worden ist, dass sie es soll. Also daran gab es ja nie einen Zweifel in den letzten Monaten. Die Frage ist, wie weit Stoiber sich darauf einlässt.
Breker: Wie schätzen Sie das denn ein, Herr Korte, dieser Machtkampf, schadet der der Union eher oder nützt er ihr?
Korte: Nein, er schadet nicht. Die Wettbewerbssituation in Wahlkampfzeiten mit vielen Wechselwählern, mit unsicheren Lagern, mit einer Öffentlichkeit, die von heute auf morgen, wie die Wahl gezeigt hat, bis zu 20 Prozentpunkte schwankt in der Sympathie und Antipathie, ist also in so einer Situation die Wettbewerbssituation etwas positives, weil man auf sich aufmerksam macht. Wer hätte die letzten Wochen inhaltlich sich mit der Opposition auseinandergesetzt in den Medien? Niemand. Die Frage der personalen Zuspitzung macht die Partei insgesamt interessant. Es kommt darauf an, dass ohne Gesichtsverlust im Grunde beide als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgehen. Das ist das Zentrale. Wenn es dort sichtbar Verstimmungen gibt, sichtbar Verlierer gibt, dann wird die Mobilisierung der Union, die ja ganz zentral ist für den Wahlkampf, eben nicht gelingen.
Breker: Das würde bedeuten, Herr Korte, dass die Union sich durchaus noch Zeit lassen kann.
Korte: Ja. Also die Analysen, die aus den Medien und Wahlforschung bekannt sind und die man auf so ein Szenario übertragen kann, sprechen durchaus dafür, die Situation bis zum Frühjahr, wie es vereinbart ist, auch offenzuhalten. Und Sie merken an der SPD auch die Unruhe, wie man sich auf die Situation einzustellen hat. Eine langfristige Kampagne von Seiten der Regierung ist schwer zu planen, wenn man den Gegenkandidaten nicht kennt. Das war auch die große Unruhe der Union damals, ob sie nun Lafontaine oder Schröder als Gegenkandidaten haben. Das ist in der Mediendemokratie, in der wir leben eine Situation, die durchaus ein Mehrwert verspricht für die Partei, die das nutzt.
Breker: Diese Zeit ist auch eine hohe Zeit von Meinungsumfragen. Das Allensbacher Institut in Gestalt von Elisabeth Noelle-Neumann hält den Machtwechsel bei der Wahl 2002 für möglich, schränkt allerdings ein, das gelte nur mit einem Kandidaten Edmund Stoiber.
Korte: Die Situation ist so, dass man im Grunde die Union animiert vor sich sieht. Das hat Dresden gezeigt bei der Vertrauensabfrage. Da sind Lebensgeister geweckt worden, so dass die erste wichtige Voraussetzung einen Machtwechsel herbeizuführen im Grunde messbar ist: dass die Partei eben sich selbst zutraut auch wieder regieren zu können. Das ist ja das ganz Elementare, sonst braucht man gar nicht antreten. Aber das deutet eher darauf hin, dass es möglich sein könnte, die Mehrheitsfraktion zu stellen. Das heißt keineswegs Machtwechsel und Regierung, weil ja der Koalitionspartner an sich fehlt. Aber diese langfristigen Prognosen über die Stimmungen, wie die im September sein werden, halte ich für sehr schwer vorhersehbar. Die Möglichkeit, so etwas zu erreichen, setzt also bei der Partei selbst an, ob sie selbst Kräfte so aktivieren kann um viele mobilisieren zu können und da ist im Grunde das Zentrale die Identitätsfrage. Also wie kann ich ein mehrheitsfähiges Thema finden mit einer wärmenden Leitidee um im Grunde viele, auch Wechselwähler, auf sich aufmerksam zu machen. Diese Leitidee sehe ich noch nicht.
Breker: Brauchen sie nicht auch einen Kandidaten, der ein möglichst breites Spektrum abdeckt oder reicht es wirklich, die Mitte abzudecken?
Korte: Ach, die Mitte ist ja so breit; als Neue Mitte mal bezeichnet worden, die umfasst ja ziemlich viel. Also zentral ist schon bei mehrheitsfähigen Themen, die man versucht zu intonieren in so einem Wahlkampf, die Mittewähler anzusprechen aber Wechselwähler von allen Lagern natürlich auch mitaufzunehmen. Idealtypisch ist ja die Kombination als Team. Merkel und Stoiber als Team geben genau das sehr gut ab: eine liberale Frau Merkel, die ihrer Partei programmatisch weit voraus ist und der Dresdner Leitantrag hat das auch dokumentiert. Es gibt den christlich-sozialen Part, den Stoiber und Merkel gleichermaßen dokumentieren und bei Stoiber eher den wertkonservativen Teil. Und diese Mischung aus allen drei Elementen dokumentieren beide sehr gut. Das haben ja Lafontaine und Schröder in der letzten Bundestagswahl auch ganz gut dokumentiert.
Breker: Nun gibt es ja auch in Hamburg die Schill-Partei. Diese Partei will in den neuen Ländern auch antreten und sie scheint dort nicht chancenlos zu sein. Schill selber sagt, wenn Stoiber Kanzlerkandidat ist, dann würde er nicht antreten, wenn Merkel Kandidatin wäre, dann könnte er sich vorstellen, bundesweit anzutreten. Würde das eine Aufsplittung der potentiellen Unionswähler bedeuten?
Korte: Also das ist bisher absehbar, dass so etwas entstehen könnte. Aber nur in dem Fall, in dem diese elementaren Sicherheitsfragen eben man nicht mit der Union in Verbindung bringt. Das ist aber zur Zeit so nicht messbar, denn die Sicherheit ist im Grunde regional aufgespalten, was Kompetenzwerte anbelangt. Die werden durchaus mit Stoiber in Bayern in Verbindung gebracht, aber auch mit Wolfgang Clement, SPD-Ministerpräsident in NRW. Das ist nicht bei einer Partei bisher besonders aufgehoben und Wechselwähler wiederum zieht, das haben Umfragen auch gut dokumentiert, stärker Frau Merkel an, weniger Herr Stoiber, der im Grunde einen polarisierten Wahlkampf stärker vorführen würde, die Frontengewissheiten im Grunde verstärken würde, wie man sie aus vergangenen Wahlkämpfen sehr gut kennt. Also die Frage auch ob eine Schill-Partei bundesweit überhaupt auf Zustimmung stoßen würde halte ich für schwer im augenblicklichen Zeitpunkt zu verorten, weil sie immer unterstellen, dass so etwas auch passieren kann denn es ist bisher ja in der Hamburger Situation etwas ganz besonderes gewesen, dass solche Rechtspopulisten zum Zuge gekommen sind aufgrund einer regionalen Besonderheit. Da muss man eine charismatische ausstrahlende Persönlichkeit auch auf Bundeseben haben. Ob er das selbst machen wird, ist unklar. Sie brauchen ein hohes Potential an Unzufriedenheit und eben eine besondere Gelegenheit. ich kann bei Bundestagswahlen bisher, das zeigen die Wahlforschungsergebnisse ganz gut, nicht erkennen, dass diese Bereitschaft zum Risiko für solche neuen Parteigruppierungen bundesweit auf große Zustimmung stößt. Das ist ein regionales Phänomen, so dass ich glaube, dass es ein Nebenschauplatz ist. Von Inhalten her geht es darum, dass die Parteien diese Fragen insgesamt aufnehmen und eben mehrheitsfähige Themen daraus machen.
Breker: Das war zur K-Frage in der Union der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte von der Universität München. Herr Korte, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Korte: Ja, bitte, Herr Breker.
Breker: Herr Korte, Politiker äußern sich selten konkret, doch was sie äußern, das tun sie mit Bedacht. Die These, Deutschland sei reif für eine Bundeskanzlerin, zeigt doch ganz genau, was Angela Merkel will.
Korte: Ja, eindeutig. Sprache ist ein zentrales Führungsinstrument der Politik. Es ist immer absichtsvoll, was Politiker sagen und von daher zielt sie natürlich darauf, ihre angehende Kampagne 'Eine Kanzlerin für Deutschland' zu untermauern zu einer Zeit, zu der ja Schlagzeilen besondere Aufmerksamkeit finden, weil ansonsten die Meldungslage eher dünn ist.
Breker: Ist die Beobachtung denn richtig, dass die K-Frage für die Union auch zur Machtfrage, zum Machtkampf zwischen Merkel und Stoiber geworden ist?
Korte: Ja. Das ist eine Wettbewerbssituation, Managerweisheiten sprechen von 'Aufstellung des Personals'. Diese Wettbewerbssituation ist aber typisch in der Situation einer Opposition vor der Bundestagswahl, das hat die SPD ja so auch vorgemacht. Die Auseinandersetzung um die Person ist im Kern natürlich eine politische Machtfrage, die dahintersteht. Aber der Dresdner Parteitag hat zuletzt ja noch einmal ganz offensichtlich, ganz deutlich gemacht, bis in die Gestik und die Mimik hinein, dass das Machtgen im Grunde um den Anspruch zu untermauern Angela Merkel hat. Dass sie es will, dass sie gezeigt hat mit den Themen dass sie es kann und der Parteitag so auch interpretiert worden ist, dass sie es soll. Also daran gab es ja nie einen Zweifel in den letzten Monaten. Die Frage ist, wie weit Stoiber sich darauf einlässt.
Breker: Wie schätzen Sie das denn ein, Herr Korte, dieser Machtkampf, schadet der der Union eher oder nützt er ihr?
Korte: Nein, er schadet nicht. Die Wettbewerbssituation in Wahlkampfzeiten mit vielen Wechselwählern, mit unsicheren Lagern, mit einer Öffentlichkeit, die von heute auf morgen, wie die Wahl gezeigt hat, bis zu 20 Prozentpunkte schwankt in der Sympathie und Antipathie, ist also in so einer Situation die Wettbewerbssituation etwas positives, weil man auf sich aufmerksam macht. Wer hätte die letzten Wochen inhaltlich sich mit der Opposition auseinandergesetzt in den Medien? Niemand. Die Frage der personalen Zuspitzung macht die Partei insgesamt interessant. Es kommt darauf an, dass ohne Gesichtsverlust im Grunde beide als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgehen. Das ist das Zentrale. Wenn es dort sichtbar Verstimmungen gibt, sichtbar Verlierer gibt, dann wird die Mobilisierung der Union, die ja ganz zentral ist für den Wahlkampf, eben nicht gelingen.
Breker: Das würde bedeuten, Herr Korte, dass die Union sich durchaus noch Zeit lassen kann.
Korte: Ja. Also die Analysen, die aus den Medien und Wahlforschung bekannt sind und die man auf so ein Szenario übertragen kann, sprechen durchaus dafür, die Situation bis zum Frühjahr, wie es vereinbart ist, auch offenzuhalten. Und Sie merken an der SPD auch die Unruhe, wie man sich auf die Situation einzustellen hat. Eine langfristige Kampagne von Seiten der Regierung ist schwer zu planen, wenn man den Gegenkandidaten nicht kennt. Das war auch die große Unruhe der Union damals, ob sie nun Lafontaine oder Schröder als Gegenkandidaten haben. Das ist in der Mediendemokratie, in der wir leben eine Situation, die durchaus ein Mehrwert verspricht für die Partei, die das nutzt.
Breker: Diese Zeit ist auch eine hohe Zeit von Meinungsumfragen. Das Allensbacher Institut in Gestalt von Elisabeth Noelle-Neumann hält den Machtwechsel bei der Wahl 2002 für möglich, schränkt allerdings ein, das gelte nur mit einem Kandidaten Edmund Stoiber.
Korte: Die Situation ist so, dass man im Grunde die Union animiert vor sich sieht. Das hat Dresden gezeigt bei der Vertrauensabfrage. Da sind Lebensgeister geweckt worden, so dass die erste wichtige Voraussetzung einen Machtwechsel herbeizuführen im Grunde messbar ist: dass die Partei eben sich selbst zutraut auch wieder regieren zu können. Das ist ja das ganz Elementare, sonst braucht man gar nicht antreten. Aber das deutet eher darauf hin, dass es möglich sein könnte, die Mehrheitsfraktion zu stellen. Das heißt keineswegs Machtwechsel und Regierung, weil ja der Koalitionspartner an sich fehlt. Aber diese langfristigen Prognosen über die Stimmungen, wie die im September sein werden, halte ich für sehr schwer vorhersehbar. Die Möglichkeit, so etwas zu erreichen, setzt also bei der Partei selbst an, ob sie selbst Kräfte so aktivieren kann um viele mobilisieren zu können und da ist im Grunde das Zentrale die Identitätsfrage. Also wie kann ich ein mehrheitsfähiges Thema finden mit einer wärmenden Leitidee um im Grunde viele, auch Wechselwähler, auf sich aufmerksam zu machen. Diese Leitidee sehe ich noch nicht.
Breker: Brauchen sie nicht auch einen Kandidaten, der ein möglichst breites Spektrum abdeckt oder reicht es wirklich, die Mitte abzudecken?
Korte: Ach, die Mitte ist ja so breit; als Neue Mitte mal bezeichnet worden, die umfasst ja ziemlich viel. Also zentral ist schon bei mehrheitsfähigen Themen, die man versucht zu intonieren in so einem Wahlkampf, die Mittewähler anzusprechen aber Wechselwähler von allen Lagern natürlich auch mitaufzunehmen. Idealtypisch ist ja die Kombination als Team. Merkel und Stoiber als Team geben genau das sehr gut ab: eine liberale Frau Merkel, die ihrer Partei programmatisch weit voraus ist und der Dresdner Leitantrag hat das auch dokumentiert. Es gibt den christlich-sozialen Part, den Stoiber und Merkel gleichermaßen dokumentieren und bei Stoiber eher den wertkonservativen Teil. Und diese Mischung aus allen drei Elementen dokumentieren beide sehr gut. Das haben ja Lafontaine und Schröder in der letzten Bundestagswahl auch ganz gut dokumentiert.
Breker: Nun gibt es ja auch in Hamburg die Schill-Partei. Diese Partei will in den neuen Ländern auch antreten und sie scheint dort nicht chancenlos zu sein. Schill selber sagt, wenn Stoiber Kanzlerkandidat ist, dann würde er nicht antreten, wenn Merkel Kandidatin wäre, dann könnte er sich vorstellen, bundesweit anzutreten. Würde das eine Aufsplittung der potentiellen Unionswähler bedeuten?
Korte: Also das ist bisher absehbar, dass so etwas entstehen könnte. Aber nur in dem Fall, in dem diese elementaren Sicherheitsfragen eben man nicht mit der Union in Verbindung bringt. Das ist aber zur Zeit so nicht messbar, denn die Sicherheit ist im Grunde regional aufgespalten, was Kompetenzwerte anbelangt. Die werden durchaus mit Stoiber in Bayern in Verbindung gebracht, aber auch mit Wolfgang Clement, SPD-Ministerpräsident in NRW. Das ist nicht bei einer Partei bisher besonders aufgehoben und Wechselwähler wiederum zieht, das haben Umfragen auch gut dokumentiert, stärker Frau Merkel an, weniger Herr Stoiber, der im Grunde einen polarisierten Wahlkampf stärker vorführen würde, die Frontengewissheiten im Grunde verstärken würde, wie man sie aus vergangenen Wahlkämpfen sehr gut kennt. Also die Frage auch ob eine Schill-Partei bundesweit überhaupt auf Zustimmung stoßen würde halte ich für schwer im augenblicklichen Zeitpunkt zu verorten, weil sie immer unterstellen, dass so etwas auch passieren kann denn es ist bisher ja in der Hamburger Situation etwas ganz besonderes gewesen, dass solche Rechtspopulisten zum Zuge gekommen sind aufgrund einer regionalen Besonderheit. Da muss man eine charismatische ausstrahlende Persönlichkeit auch auf Bundeseben haben. Ob er das selbst machen wird, ist unklar. Sie brauchen ein hohes Potential an Unzufriedenheit und eben eine besondere Gelegenheit. ich kann bei Bundestagswahlen bisher, das zeigen die Wahlforschungsergebnisse ganz gut, nicht erkennen, dass diese Bereitschaft zum Risiko für solche neuen Parteigruppierungen bundesweit auf große Zustimmung stößt. Das ist ein regionales Phänomen, so dass ich glaube, dass es ein Nebenschauplatz ist. Von Inhalten her geht es darum, dass die Parteien diese Fragen insgesamt aufnehmen und eben mehrheitsfähige Themen daraus machen.
Breker: Das war zur K-Frage in der Union der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte von der Universität München. Herr Korte, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Korte: Ja, bitte, Herr Breker.