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Angela Merkel in den USA

Zagatta: Wir haben es von unseren Korrespondenten gerade gehört. Die amerikanischen Truppen sind einsatzbereit. Die Türkei ziert sich noch mit einem Ja zum Aufmarsch der USA in ihrem Land, wird aber wahrscheinlich schon bald zustimmen. Währenddessen gibt es heftige Kritik an einem Beitrag, den die CDU-Chefin, Angela Merkel, jetzt in der Washington Post veröffentlicht hat. Gesprächsstoff gibt es also genug, wenn wir jetzt Friedbert Pflüger befragen können. Er ist der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er fliegt Übermorgen mit Frau Merkel in die USA, ist heute aber noch in Köln. Da haben wir die Gelegenheit genutzt, ihn zu uns ins Studio einzuladen. Schönen guten Tag, Herr Pflüger!

    Pflüger: Guten Tag, Herr Zagatta!

    Zagatta: Beginnen wir vielleicht gleich mit diesem USA-Besuch. Dass Frau Merkel die Irak-Politik der Regierung scharf kritisiert, das ist ja ihr gutes Recht. Das Regierungslager schäumt aber jetzt deshalb, weil sie das in der Washington Post getan hat. Ist das schlechter Stil, die eigene Regierung im Ausland zu kritisieren oder kann man so etwas machen?

    Pflüger: Man muss es sogar machen. Sie kann doch nicht in Amerika anders reden als bei uns. Sie kann hier doch nicht sagen, die Politik der Regierung Schröder habe dazu geführt, dass Deutschland in die Isolation geraten ist, international Gewicht und Ansehen verloren hat und in Amerika behaupten, dass der Schröder das alles ganz fabelhaft mache. Sie hat eine politische Position, die bekannt ist. Wenn eine amerikanische Zeitung fragt, das ist ein befreundetes Land, eine Demokratie, dann kann sie doch nicht plötzlich das Gegenteil behaupten. Sie hat es also völlig richtig gemacht. Im übrigen kann man sagen, dass man vielleicht nicht frontal die eigene Regierung im Ausland angreifen solle und dass das eine Stilfrage sei. Wer hat denn aber den Stil und die Tradition deutscher Außenpolitik von Adenauer über Brandt bis Kohl gebrochen? Wer wirft denn der Opposition vor, sie sei kriegslüstern? Wer versucht denn, die Axt an die wichtigsten Institutionen EU und NATO anzulegen? Das ist die Regierung Schröder. Bei einem solchen Bruch des Grundkonsenses kann man von der Opposition nicht verlangen, dass sie sozusagen staatsmännischer ist als die Regierung.

    Zagatta: Aber müssen Sie da nicht etwas zurückhaltender sein? Ist das nicht unpatriotisch? Das würden doch US-amerikanische Oppositionspolitiker, was die Außenpolitik ihres Landes angeht, nicht im Ausland machen.

    Pflüger: Das stimmt überhaupt nicht. Die werden genau das Gleiche sagen. Wenn sie im eigenen Land eine Meinung vertreten, dann können sie diese Meinung beim Eintritt in ein anderes Land nicht an der Garderobe abgeben. Wir sind doch Bündnispartner und Freunde. Gerade die Regierung Schröder hat jetzt immer wieder verkündet, man solle sich doch unter Freunden offen die Meinung sagen. Dann sollte doch das gleiche Recht für Frau Merkel gelten. Im übrigen sollte sich die Regierung fragen, ob nicht an der Kritik von Frau Merkel inhaltlich auch etwas dran ist. Sie sollte sich inhaltlich damit auseinandersetzen, warum sich Herr Schröder als einziger der europäischen Staats- und Regierungschefs vorher festgelegt hat und gesagt hat, es sei egal, was die Inspektoren finden und was der Sicherheitsrat und die europäischen Partner sagen, weil die Deutschen ihren eigenen deutschen Weg gehen wollen. Wer so auftritt, der provoziert geradezu. Nein, Frau Merkel hat verantwortlich und richtig gehandelt. Ich kann jede Zeile dieses Artikels unterstreichen. Meine Parteifreunde von der CDU/CSU können das auch. Die Regierung versucht nur, sie vor dem Washington-Besuch einzuschüchtern, wahrscheinlich auch, weil die SPD sich ärgert, dass Frau Merkel ein so fabelhaftes Besuchsprogramm in Amerika hat.

    Zagatta: Trifft sie Präsident Bush?

    Pflüger: Das wäre völlig unüblich. Ein Oppositionsführer sieht den Präsidenten nicht. Aber sie sieht den Vize-Präsidenten, die Sicherheitsberaterin, Condoleezza Rice, und Verteidigungsminister Rumsfeld. Sie hat ein fantastisches Programm, auch auf dem Kongress. Das ist ein Programm, das ein Oppositionsführer selten hat. Das ärgert natürlich Herrn Schröder, der es in den letzten Monaten gerade einmal auf ein 10minütiges Telefonat mit Herrn Bush gebracht hat. Das Ziel dieses Besuch ist ja auch, dass man sich eben direkt austauscht, den Amerikanern Bedenken äußert und kritische Fragen stellt.

    Zagatta: Wenn Sie mit Frau Merkel in den USA empfangen werden, wollen Sie dann Ihre Kritik an der Bundesregierung ganz genauso deutlich machen, wie Sie das jetzt hier bekundet haben? Oder gibt es da doch irgendwo eine Zurückhaltung? Muss man da nicht eine deutsche Regierung noch irgendwo in Schutz nehmen?

    Pflüger: Wenn es Einwände geben sollte, wie zum Beispiel der Vergleich Deutschlands mit Kuba und Libyen, dann wird Frau Merkel sicherlich darauf hinweisen, was wir Europäer und Deutsche im Moment im Rahmen des ISAF-Mandates in Afghanistan und in der weltweiten Bekämpfung gegen den Terrorismus tun. Es ist ja nicht so, als ob Deutschland nichts täte. Wenn es sozusagen eine Attacke gegen das ganze Land gibt, wird man sich natürlich vor das Land stellen. Kritik an Herrn Schröder ist nun einmal hier und dort notwendig. Wenn die Amerikaner zum Beispiel nach der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftlage hier fragen, dann kann Frau Merkel doch nicht im Ausland sagen, dass alles wunderbar sei und dass wir kaum Arbeitslose hätten. Man muss den Realitäten ins Auge sehen. Das wird Herr Schröder wahrscheinlich als große Kritik empfinden.

    Zagatta: Wenn die USA zu einem Besuch des auswärtigen Ausschusses nein sagen, dem ja immerhin ein Unionspolitiker vorsitzt, kann die Union dann so ohne weiteres nach Washington fahren? Denn der Verteidigungsausschuss bemüht sich ja vergeblich um eine Reise in die USA, weil er keine Gesprächspartner findet. Kommt diese Reise dann nicht wie eine gewisse Anbiederung an?

    Pflüger: Nein, der auswärtige Ausschuss, dem ich angehöre, ist aus eigenen Stücken hier geblieben. Wir hatten die Reise nämlich für Anfang März geplant. Das könnte eventuell der Zeitpunkt sein, an dem vielleicht wichtige Entscheidungen anstehen. Wir wollten einfach nicht unser parteipolitisches Spielchen in Washington fortsetzen. Wir haben deshalb diesen Termin auf später verschoben. Also wir haben das so entschieden, nicht die Amerikaner. Außerdem ist das keine Anbiederung. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Natürlich hat man als Bündnispartner das Recht, eine eigene Meinung zu haben. Die werden wir auch äußern, aber nicht mit dem Megaphon auf den Marktplätzen, sondern im Gespräch, wie sich das unter Freunden und Bündnispartnern gehört.

    Zagatta: Was das deutsche Mitmachen in der NATO angeht, da wollen die Türken ja jetzt offenbar nicht mehr nur diese deutschen Patriot-Raketen, sondern auch deutsche Spürpanzer und deutsche Soldaten, so ist seit gestern wieder zu hören. Wie steht denn die Union zu dieser Forderung. Wollen Sie deutsche Soldaten an einem möglichen Krieg beteiligen?

    Pflüger: Es hat ja noch nie jemand angefragt, es stand nie zur Debatte, dass es deutsche Kampftruppen im Irak geben würde. Das wäre auch mit einer Unionsregierung nicht zu machen. Wir könnten das gar nicht.

    Zagatta: Was ist denn mit den deutschen Spürpanzern und deutschen Soldaten in der Türkei?

    Pflüger: Wenn die NATO ABC-Spürpanzer für einen Bündnispartner in der Allianz anfordert, die die Soldaten und Bevölkerung im Falle eines Angriffes mit Massenvernichtungswaffen schützen sollen, dann können wir doch nicht nein sagen. Wir würden damit die NATO auf den Kopf stellen. Dass es in den letzten Wochen hinsichtlich der Lieferung von Patriot und Awacs an die türkischen Freunde und Bündnispartner eine Blockade der Bundesregierung und der Franzosen gegeben hat, ist ein unglaublicher Skandal. Das hat es noch nie gegeben. Das hat dazu geführt, dass die Amerikaner sagen, dass sie demnächst alles alleine machen, wenn das Bündnis nicht mehr das tut, wozu es da ist, nämlich die Bündnispartner zu schützen. Mit dieser Politik untergräbt man die NATO. Man fördert damit den amerikanischen Unilateralismus, denn man ja vorgibt zu bekämpfen.

    Zagatta: Die Union will ja, wenn die Bundesregierung ihre Haltung ändert, bei der Außenpolitik mit helfen. Es hat aus Ihrer Sicht ja den Wechsel in Brüssel geben, indem die Bundesregierung die gemeinsame EU-Erklärung mit unterschrieben hat, auch wenn es sich um einen Minimalkonsens handelt. Besteht da jetzt nicht Bedarf, auf die Bundesregierung zuzugehen, auch nicht immer das Äußerste zu fordern?

    Pflüger: Das ist absolut so. Wir haben kein Interesse daran, dass aus parteipolitischen Gründen die Bundesregierung in der Ecke bleibt. Das mögen Sie glauben oder nicht. Wir wollen, dass es für unser Land wir einen außenpolitischen Grundkonsens gibt. Die EU-Erklärung von Brüssel mit der Unterschrift von Herrn Schröder ist auch die Position der CDU/CSU. Also da sind wir gar nicht weit auseinander. Das Schlimme ist nur, dass Bundeskanzler Schröder einen Tag nach dieser Erklärung Teile dieser Erklärung als rein abstrakt erklärt hat. Er hat sich also wieder davon distanziert. So kann man nicht Europa-fähig sein. Ein Kanzler, der eine Erklärung unterzeichnet, die ein lang erarbeiteter Kompromiss ist, und sich dann wieder davon distanziert, der verlässt den Kompromiss und ist nicht Europa-fähig. Das wird man als Opposition doch ansprechen dürfen. Wir würden ja unserer Pflicht nicht nachkommen.

    Zagatta: Wir welchen Erwartungen fahren Sie jetzt nach Washington? Ist es für Sie noch denkbar, dass die USA ihre Truppen da noch einmal zurückziehen? Ist dieser Krieg noch verhinderbar?

    Pflüger: Ich glaube, für George Bush wäre es der größte Sieg, auch innenpolitisch, wenn es zum Schluss gelänge, dass Saddam Hussein ins Exil geht und wenn er sich eben unter dem gewaltigen Druck in letzter Minute doch zur friedlichen Entwaffnung und zur vollen Kooperation entschließen würde. Das macht er ja leider bisher nicht.

    Zagatta: Aber ist das realistisch?

    Pflüger: Ich würde sagen, dass die Chance klein ist. Sie ist aber umso größer, je klarer und entschlossener die Drohkulisse der Weltgemeinschaft ist. Solange Saddam Hussein den Eindruck hat, dass Leute wie Gerhard Schröder eben nicht genau wissen, was sie wollen, und wackeln und keinen Druck ausüben, hat er Hoffnung, dass er mit dem Tricksen und Täuschen herumkommt. Die Position Schröders sichert den Frieden nicht, sondern sie riskiert ihn, ehrlich gesagt.

    Zagatta: Vielen Dank, Herr Pflüger.