
Dass die deutliche Mehrheit Merkels Kabinett, genau wie die Kanzlerin auch, dem Protestanismus angehört, sei auf 1989 zurückzuführen, sagte Wilhelm Graf. "Über die Revolution in der DDR sind einfach sehr viele protestantische kirchennahe Akteure in die deutsche Politik gekommen."
Dass Merkel in der Flüchtlingsfrage plötzlich eine sehr klare moralische Haltung zeige, sei "bei manchen nicht gut angekommen". Hat sich die Kanzlerin also von der der empathielosen Realpolitikerin zur Moralistin gewandelt? Graf: "Ich glaube, dass die Änderung nicht so fundamental ist, wie das in der Presse oft behauptet wird. Ich glaube nicht, dass die 'ältere Angela Merkel' eine bloße pragmatische Machterhaltungstechnikerin war. Auch da hat sie an bestimmten Punkten sehr klar Grenzen definiert." Diese Grenzen seien zum Beispiel in ihrer Griechenland-Politik deutlich geworden.
Über den politischen Katholizismus in Deutschland sagte Graf, dass dieser sicherlich schon stärkere Phasen erlebt habe als in der Gegenwart. Vor allem in Fragen wie der der Abtreibung, der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen oder der Anerkennung der Homosexuellen-Ehe hätten Repräsentanten des politischen Katholizismus in der CDU immer Positionen vertreten, die sich im Bundestag nicht als mehrheitsfähig erwiesen hätten.
Zu beobachten sei, dass es starke protestantische Kräfte in der CDU gebe, die auf die Modernisierung der Partei gesetzt hätten und bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen für selbstverständlich hielten.
Das vollständige Interview können Sie ab Sendedatum sechs Monate in unserem Audio-Player nachhören.