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Angela Merkels Position nach Parteitag-Rede nachhaltig gestärkt

    Meurer: War es nun eine Kandidatenrede oder nicht, die Parteichefin Angela Merkel gestern auf dem CDU-Parteitag in Dresden gehalten hat? Offiziell steht die Frage der Kanzlerkandidatur bei der Union ja gar nicht zur Debatte auf dem CDU-Parteitag, aber natürlich Delegierte und Beobachter stellen gestern und heute den Vergleich an. Angela Merkel gestern mit einer von vielen als mitreißend empfundenen Rede, und heute kommt nun der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber als Gastredner in die sächsische Landeshauptstadt. Dort verbunden bin ich nun mit Christoph Böhr, dem CDU-Landesvorsitzenden von Rheinland-Pfalz. Guten Morgen Herr Böhr!

    Böhr: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Wie viel Ansehen hat sich denn gestern die Parteivorsitzende Angela Merkel mit ihrer Rede in ihrer Partei erworben?

    Böhr: Das war eine sehr, sehr gute Rede und diese Rede hat dazu geführt, dass erstens auch die Position von Angela Merkel natürlich nachhaltig gestärkt wurde. Das gilt ganz ohne Zweifel auch für die Frage, die Sie angesprochen haben, die ja Anfang des nächsten Jahres geklärt werden soll, nämlich die Frage, wer der beiden Parteivorsitzenden, Edmund Stoiber oder Angela Merkel, die Union in den Bundestagswahlkampf führen soll.

    Meurer: Hat die Rede Aufschluss für Sie gegeben, ob die Chancen von Frau Merkel gestiegen sind?

    Böhr: Sie sind ganz sicher mit dem gestrigen Tag nicht schlechter geworden. Eines wird man ohne Zweifel sagen können: Nicht nur die Rede, sondern der gesamte Parteitag, auch die Atmosphäre und die Position, die Frau Merkel dort eingenommen hat, hat sicher dazu geführt, dass beide sich auf gleicher Augenhöhe begegnen. Will heißen, dass wir zwei gleichgewichtige Bewerber haben.

    Meurer: Hätten Sie das Angela Merkel zugetraut?

    Böhr: Ja, ich hatte daran keinen Zweifel: erstens, dass dies ein sehr harmonischer Parteitag werden würde und zweitens, dass Angela Merkel wie schon in der Vergangenheit ja häufiger mit einer Rede großen Eindruck machen wird.

    Meurer: War es denn an der Zeit, der Partei wieder Mut zu machen?

    Böhr: Natürlich haben wir schwere Wochen hinter uns. Deswegen war das gestern ein sehr guter und fast glücklicher Tag für die Union. Aber es war ja nicht so, dass Angela Merkels Position in der Union ernsthaft umstritten gewesen wäre.

    Meurer: Ihre Position als Parteivorsitzende nicht, aber natürlich die Frage, ob sie zur Kanzlerkandidatin taugt?

    Böhr: Na ja, da hat jeder seine Meinung. Die einen neigen mehr in Richtung von Edmund Stoiber, die anderen mehr in die Richtung von Angela Merkel. Das ist aber ein Problem, das müssen wir sehr friedlich und gemeinschaftlich klären. Das ist genauso verabredet worden.

    Meurer: In Welche Richtung neigen Sie, Herr Böhr?

    Böhr: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass man das nächste Jahr abwarten muss und dann wird man sich auf die Kandidatur verständigen, von der auch im Blick auf die Themen und die Stimmungslage im kommenden Jahr man der Überzeugung ist, dass man mit dem für diese Themen und diese Stimmungslage geeigneten Kandidaten antreten muss.

    Meurer: Was werden denn die wichtigsten Themen für die Bundestagswahl sein?

    Böhr: Das ist eben genau ein Teil des Problems auch der Konzeption des Bundestagswahlkampfes. Alles redet über die Zuwanderung und in der Tat, wenn beispielsweise die rot/grüne Koalition bei der Zuwanderung blockt und der Union nicht entgegenkommt, dann wird das Thema Zuwanderung ein zentrales Wahlkampfthema. Das aber ist noch gänzlich unentschieden und es hängt im wesentlichen vom Bundeskanzler und dem Bundesinnenminister ab. Wenn beide sich auf die Union zubewegen, werden wir einem vernünftigen Kompromiss zustimmen, denn wir wollen, dass dieses Problem gelöst wird. Dann wird es kein Bundestagswahlkampfthema, denn ein Thema, das man sozusagen im friedlichen Kompromiss mit der Regierung gelöst hat, taugt ja dann nicht mehr, um anschließend Wahlkampf zu machen. Das ist eine ganz offene Frage.

    Meurer: Wollen Sie wirklich eine Einigung bei der Zuwanderung mit der Koalition?

    Böhr: Ja, ganz sicher, weil ich glaube, dass es erstens einer Partei nicht honoriert wird, wenn sie aus ganz durchsichtigen, taktischen Erwägungen in einer Frage sich quer stellt und zweitens, weil das Thema doch ein viel zu drängendes Thema ist, als dass man es auf die lange Bank schieben könnte.

    Meurer: Sie sind ja Vorsitzender der Wertekommission der CDU, haben ein Papier vorgelegt, Herr Böhr, und das spektakulärste, was daraus entnommen wurde, ist, dass Sie vorschlagen, das Nachzugsalter von ausländischen Kindern mit 18 Jahren anzugeben. Ist das mehrheitsfähig in Ihrer Partei und insbesondere dann auch bei der CSU?

    Böhr: Ja, wobei diese Formulierung mehr eine Fußnote in einem sehr umfangreichen Papier ist, das sich im wesentlichen mit den Grundlagen christlichdemokratischer Politik beschäftigt, also mit der Frage, was ist denn eigentlich das christliche Menschenbild in einer Gesellschaft, in der viele ja auch der christlichen Herkunft den Rücken zugewandt haben und zum Teil in eine ganz andere auch persönliche Orientierung hineingewachsen sind. In diesem Zusammenhang ist eben auch diese Forderung mit gutem Grund erhoben worden, die quer liegt zu den bisherigen Diskussionen in den beiden Unionsparteien. Wir sind der Meinung, dass es dringend einer Lösung des Zuwanderungsthemas bedarf, und zwar einer Lösung im Sinne einer Begrenzung der Zuwanderung, also ganz anders als die rot/grüne Koalition es im Moment vor hat, dass aber bitte schön der Hebel für die Begrenzung der Zuwanderung nicht gerade beim Nachzugsalter angesetzt werden soll. Die Union ist Gott lob die Familienpartei und ich glaube einer Familienpartei steht es so ganz gut nicht zu Gesicht, wenn sie dann ausgerechnet beim Familiennachzug den Hebel ansetzt. Darüber sind wir übrigens auch in einem sehr fruchtbaren Gespräch mit all denjenigen, die in der CDU über diese Frage in den letzten Wochen verhandelt haben.

    Meurer: Wie empfinden Sie die Unterstützung durch die Parteivorsitzende für die Arbeit Ihrer Wertekommission?

    Böhr: Die war nun ungeheuer groß, sowohl das Interesse als auch die Unterstützung. Das hat sich gerade in den letzten Tagen gezeigt. Es ist ja auch so, dass die Union ihre Achse neu bestimmen muss. Sie muss wieder neu entdecken, was die politische Mitte für christliche Demokraten in Deutschland und darüber hinaus ist. Dieses Bemühen muss alle paar Jahre einsetzen, denn sonst geraten bestimmte Grundwerte und bestimmte Grundsätze in Vergessenheit. Bei diesem Versuch, das jetzt aktuell zu bestimmen, war Angela Merkel ungeheuer hilfreich.

    Meurer: Wer steht denn mehr für diese Werte der Mitte, Angela Merkel oder Edmund Stoiber?

    Böhr: Ich glaube, dass beide in dieser Frage, was die Verpflichtung auf das christliche Menschenbild und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen etwa bei der Bioethik, ein ganz aktueller Streitpunkt, angeht, uneingeschränkt die Mitte der Partei verkaufen.

    Meurer: Es gibt heute, Herr Böhr, auf dem Parteitag in Dresden einen Antrag des Landesverbandes Schleswig-Holstein in Sachen Kandidatenkür, dass es nämlich einen Wahlkonvent geben soll, in dem Delegierte aus allen Landesverbänden sitzen, die dann über die Kandidatenfrage befinden sollen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

    Böhr: Ich habe das am Sonntag im Bundesvorstand gesagt, dass ich von diesem Vorschlag gar nichts halte. Er erinnert mich an leidvolle Debatten, die wir in den 70er Jahren geführt haben. Das waren qualvolle Diskussionen über die Frage, wie soll denn der gemeinsame Kandidat nominiert werden. Das hat uns alles nicht weiter gebracht. Es bleibt dabei: beide Parteivorsitzenden müssen gemeinsam und gemeinschaftlich einen Vorschlag erarbeiten und über den werden die Gremien der Partei abstimmen. Was soll ein solcher Konvent? Ein solcher Konvent wird ja keine streitige Personalfrage klären, sondern kann ja bestenfalls im Nachhinein zur Kenntnis nehmen, was vorher schon zwischen den beiden Hauptbeteiligten und den Gremien der beiden Parteien vereinbart wurde.

    Meurer: Wann genau soll die Entscheidung fallen?

    Böhr: Sie soll im nächsten Jahr fallen. Sie soll vor der Bundestagswahl fallen, also Anfang des nächsten Jahres.

    Meurer: Theoretisch kann sie auch nach der Wahl noch entschieden werden?

    Böhr: Ja, aber ich glaube, dass dies für uns dann nicht so günstig wäre. Nein, Anfang des nächsten Jahres, wobei es da einen Zeitkorridor gibt, den ich einmal definiere von Ende Januar bis Anfang März.

    Meurer: Das war Christoph Böhr, CDU-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. - Herr Böhr, danke Ihnen und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio