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Angeschlagen oder kämpferisch

Dieter Althaus war 2008 der unangefochtene Spitzenmann der CDU in Thüringen. Die Partei verließ sich voll und ganz auf ihn. Dann geschah der Skiunfall, bei dem Althaus den Tod einer jungen Mutter verschuldete, der Althaus aber auch auf tragische Art bundesweit bekannt machte. Am Sonntag steht Althaus erneut zur Wahl in Thüringen.

Von Ulrike Greim | 26.08.2009
    "Ja, Sie haben es natürlich bereits bemerkt, und schon einige haben die Hände geschüttelt, von unserem Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus. Herzlich willkommen!" (Applaus)

    Eine Wahlkampfbühne in Gera, Ostthüringen. Die Sonne scheint, ein Dutzend Biertische ist besetzt. Dynamisch sprintet der CDU-Spitzenkandidat auf die Bühne.

    "Herzlichen Dank liebe Gerda und herzlichen Dank für den tollen Empfang. Ich freu mich, hier zu sein."

    Alle hier kennen ihn. Denn hier sitzen die Fans. Ein gewogenes Publikum. Viele Grauhaarige.

    "Ich freue mich, heute in Gera zu sein. Schön, dass Sie da sind."

    CDU-Regierungschef Althaus lobt die Region, die CDU-Abgeordneten, die Erfolge der Stadt. Er zählt auf, was alles geschaffen wurde, aufgebaut, erhalten. Er regionalisiert seine Textbausteine, die er so und so ähnlich zu vielen Anlässen repetiert. Statt "Thüringen ist gut vorangekommen" ist nun "Ostthüringen gut vorangekommen", statt A 71 und A 73 ist es die Ostumgehung Geras, auf die man stolz sein könne. Althaus will Erfolge verkaufen. Und deutlich machen, dass die CDU weiß, wo die Probleme liegen.

    "Es bleibt die wichtigste Aufgabe, das gilt für Gera, das gilt für Ostthüringen, das gilt für ganz Thüringen, den vorhandenen Mittelstand, die vorhandenen Wirtschaftsstrukturen zu erhalten, und sie so zu unterstützen, dass sie in den nächsten Jahren wachsen. Denn dann haben die Menschen hier ihre Zukunft, und dann kann auch die Lohnentwicklung so gestaltet werden, dass die Lebensperspektive erfolgreich weiter erfüllt werden kann." (Applaus)

    Er ist wieder durchtrainiert, wirkt allerdings etwas verlangsamt. Er ist braun gebrannt, hinterlässt aber einen blassen Eindruck. Die Anzüge sitzen wieder gut, dennoch hat er an Statur verloren, zeigt wenig klare Kanten, lässt keine Muskeln spielen. Die CDU-Basis ist aber froh, dass er wieder im Einsatz ist, und hält ihm ungebrochen die Treue.

    "Aus Überzeugung. Erstens bin ich eh CDU-Mitglied, zweitens stehe ich zu 100 Prozent hinter unserem Ministerpräsidenten, hinter unserer ganzen Politik, und dann ist es mir sehr, sehr wichtig, dass am Sonntag die Wahl gut ausfällt."

    Ein jüngerer Mann hält das "Hauptsache-Thüringen"-Schild hoch. Er stehe hinter Althaus, weil der noch eher ein jüngerer sei, sagt er.

    "Ebenso gefällt mir seine Art, wie er mit den Menschen umgehen kann, wie er auch auf die Menschen zugeht, wie er auch Probleme, wenn sie auftreten, diese bearbeitet."

    Hinter den Biertisch-Reihen stehen Demonstranten in gelben T-Shirts. "Für eine bessere Familienpolitik", steht darauf. Auch zwei Grüne halten ihre Wahlplakate hoch: Alt raus, Grün rein. Für die Geraer CDU-Basis bleibt Dieter Althaus aber unangefochten der Spitzenmann.

    "Ich bin für Dieter Althaus, weil der Übergang von Bernhard Vogel zu Dieter Althaus ja eigentlich ein gewollter war und er auch schon jahrelang in seinem Kabinett das mit begleitet hat und somit eine stringente Politik seit über 20 Jahren in Thüringen mit Dieter Althaus stattgefunden hat."

    Althaus setzt sich an einen der Biertische und signiert Fotos und eine CD mit einem Thüringen-Lied, bei dem er eine Zeile mitsingt.

    "Na, du? Wie heißt du?" "Anna" "Anna?"

    Althaus geht auf Kontakt. Ist leutselig.

    "Wohnst du in Gera?" "Ja." "Eine richtige Gersche."

    Die CDU regiert seit der Wende in Thüringen. Mal in Koalition, mal - wie jetzt - allein. Bernhard Vogel war der große Vorgänger. Er hat die Thüringer CDU zusammengeführt, die Flügel befriedet, hat den wirtschaftlichen Aufbau des Landes moderiert, hat die Demokratie repräsentiert. Im Jahre 2000 gibt Vogel den CDU-Landesvorsitz an Althaus ab. 2003 übergibt Vogel auch den Ministerpräsidentenposten.

    "Der Wiederaufbau eines Landes, das zehn Jahre nach der Wiedervereinigung ein neues Profil gewonnen hat, die Mitte, ja die starke Mitte Deutschlands geworden ist, diesen Weg mit zu begleiten, ist für mich eine faszinierende Sache gewesen. Und das tun zu können, dafür bin ich im Rückblick sehr, sehr dankbar."

    Er traut es Althaus zu, dem ehrgeizigen Mathe-Lehrer aus dem Eichsfeld, den er, gerade 33-jährig, als Kultusminister in die Regierung holte. Katholisch und konservativ, wie er. Althaus übernimmt und tritt aus dem Schatten Vogels heraus. Er wird zum Shootingstar. Das Ost-Gesicht in der westdeutsch geprägten CDU. Gern gesehener Interviewpartner in allen Medien. Er glänzt als Mann des "Solidarischen Bürgergeldes". Vertraut mit Merkel - beide sind Naturwissenschaftler - gehört er bald zu ihrem Kompetenzteam, zuständig für Ost-Themen, trotzdem mit beiden Beinen in Thüringen. Sein Wunsch: das Land konsolidieren. Langsam auch finanziell selbstständig werden. Noch kommen von jedem Euro, der im Freistaat ausgegeben wird, 47 Cent aus den reichen Ländern der Bundesrepublik und der EU. Althaus schafft die Netto-Null.

    "Ab dem Jahr 2007 haben wir keine neuen Schulden mehr gemacht. Das heißt: Wir haben dafür gesorgt, auch durch eigene Entscheidungen, dass wir nicht nur von Konsolidierung sprechen, sondern dass wir diese Konsolidierung auch durch mutige Schritte unterstützen."

    Der Regierungschef bemüht sich, die vor allem klein- und mittelständische Wirtschaftsstruktur zu fördern. Das Bruttoinlandsprodukt steigt bis 2008 um 15 Prozent. Wenn auch der Durchschnittlohn in Thüringen bisher bei mehr als 20 Prozent unter Westniveau verharrt. Zentrales Thema von Dieter Althaus, Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, ist die Familie. Sie will er stärken und schützen.

    "Und dann haben sie - auch wieder so drüber hinweggehend - gesagt, wir hätten ein antiquiertes Familienbild. Ich weiß nicht, welches Bild Sie von Familie haben. Für mich ist Familie die Grundlage einer Gesellschaft. Sie hat es über Jahrhunderte geschafft, in schwierigsten Zeiten, immer wieder Gesellschaft mit Zukunft zu versehen. Für mich ist Familie das Grundelement von Gesellschaft. In der Gesellschaftslehre können Sie das nachlesen: Bei den Ordnungsprinzipien steht es immer auf Platz eins."

    Die Familienpolitik ist bundesweit herausragend. Aber die Thüringer ringen um mehr. Landesintern wetteifern alle Parteien um noch bessere frühkindliche Förderung, mehr Erzieherinnen. Einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr will die SPD, ab der Geburt sogar, sagt die Linke.

    "Alles Gute und viel Glück."
    "Ich hätte gerne ein Autogramm von Ihnen."
    "Macht ihr hier Urlaub? Wohnt ihr bei Verwandten?"
    "Wir sind hier bei Verwandten."

    Die Schlange derer, die ein Autogramm von Althaus wollen, ist lang. Er ist ein beliebter Landesvater. Je nach Umfrage würden ihn derzeit 42 Prozent der Thüringer wieder zum Ministerpräsidenten wählen, wenn sie es direkt könnten. Seine Herausforderer, Christoph Matschie von der SPD und Bodo Ramelow von der Linkspartei liegen deutlich dahinter. Althaus ist bekannt. Er ist auch ohne Ende im Land unterwegs, schneidet Bänder durch, tingelt über Volksfeste. Sein Pensum nötigt selbst Kritikern Respekt ab. Und: Er verströmt Stallgeruch - "Der Dieter ist einer von uns". Das wollen die Wähler, sagt CDU-Fraktionschef Mike Mohring:

    "Wo die Thüringer sagen - in einer Umfrage, die wir gemacht haben - zu weit über 50 Prozent - sie empfinden bei ihm am allermeisten bei allen drei Spitzenkandidaten, dass die Thüringen-Identität bei ihm auch sichtbar ist und sie das Gefühl haben, dass er für dieses Land streiten will."

    Althaus spielt diesen Bonus aus. Er kennt die Erdverbundenheit der Thüringer. Als er im April 2008 überraschend zwei Drittel seines Kabinetts auswechselt, will er mit erkennbar Thüringer Köpfen die Stimmung in Land und Partei verbessern.

    "Das war für mich selbstverständlich, dass ich jetzt nicht schaue, wo ist extern noch jemand, der als Experte hinzukommen kann, sondern sehr genau darauf achtet: Wie sind die Leute in ihrer Repräsentanz in Thüringen auch glaubwürdig. Und das sind sie alle, sie sind glaubwürdig, weil sie ihr Leben mit den Menschen arbeiten und auch selber ihre eigene Wiedervereinigungsgeschichte beschreiben können."

    Fraktionschef Mohring bestätigt, es gebe geradezu eine Sehnsucht im Land, die eigenen Biografien positiv darstellen zu können. Keiner solle sich schämen, in der DDR gelebt zu haben. Diese neu gewachsene Ost- bzw. Thüringen-Identität hat eine Kehrseite. Zu spüren bekommt sie unter anderem und prominent Althaus-Herausforderer Bodo Ramelow von der Linkspartei. Ihm wird manches vorgehalten, sehr ausdrücklich aber vor allem seine Herkunft aus Deutschland-West. "Keiner von uns", titelte die Junge Union.

    "Das eigentlich Gefährliche dabei ist,"

    sagt Bodo Ramelow,

    "dass man damit deutlich macht: Hier sind Fremde - und ich meine jetzt bewusst Fremde - nicht erwünscht. Und 'fremd' ist gemeint, alles, was nicht von hier ist."

    Er kenne das aus Dörfern, in denen die sogenannten Beigefreiten, also die, die eine Frau des Dorfes geheiratet haben, zur Kirmesbelustigung werden.

    "Dass ein ganzer Freistaat, ein ganzes Bundesland auf einmal von einer politischen Elite auf dem Niveau eines dörflichen Verhaltens geprägt werden soll, das halte ich für aberwitzig. Weil: Es macht uns alle Türen zu."

    Die unter Althaus neu gewonnene Identität hat ihre Schlagseite hin zur Fremdenfeindlichkeit. Der Regierungschef selbst mag dafür nicht stehen. Er möchte, sagt er, ein weltoffenes Thüringen. Der kleine Freistaat brauche Einwanderer. Von überall her. Althaus hebt das Thema Integration sogar hervor - auf einem seiner Wahlplakate. Da strahlt neben anderen auch der gebürtige Angolaner Zeca Schall für den Ministerpräsidenten. Wofür er von der NPD bedroht wird. Zeca Schall sagt lachend, er sei vermutlich das einzige schwarze Mitglied der Thüringer CDU. Zu Recht sieht er den Angriff der Rechtsextremen als einen auf die Demokratie.

    "Also ein Angriff und Beleidigung meiner Person ist ein Angriff Gesamt-Union und auch ein Angriff gesamte Wertedemokratie."

    Doch Integration ist eher eine Sache von Althaus' Kontrahenten, schon qua Familie. SPD-Landes- und Fraktionschef Christoph Matschie ist mit einer gebürtigen Eritreerin verheiratet, hat mit ihr zwei Kinder. Die Ehefrau von Linkspartei-Spitzenmann Bodo Ramelow stammt aus Italien. Beide leben also das Bild vom weltoffenen Thüringen vor. Damit gingen sie bisher nicht hausieren. Hauptsächlich um ihre Familie zu schützen, wohl wissend um die latent fremdenfeindlichen Züge vieler Thüringer. Erst jetzt in der Endphase zeigt sich Matschie mit Ehefrau Mitslal in einer Broschüre. Althaus punktet mit seiner Thüringer Frau Katharina. Auch in Partei und Regierung sind seine Fähigkeiten zu integrieren und zu kommunizieren eher weniger stark ausgeprägt. Sein Führungsstil ist autokratisch. Er hat natürlich auch keinen großen Spielraum mit einer Fraktion, die nur eine hauchdünne Mehrheit im Landtag hat, die CDU hat 45 Sitze, Linke und SPD zusammen 43. Bodo Ramelow:

    "Ansonsten ist man eine Seilschaft im hohen, schweren Gebirge, bei der keiner vom Seil gelassen werden darf. Dann hat man Angst, die Mehrheit als Regierung zu verlieren. Weil es zu keinem Zeitpunkt den Versuch gab, durch Dieter Althaus, als Parteivorsitzenden und als Ministerpräsident, Mehrheiten mal im Parlament zu finden. Ich glaube, dass das ein strukturelles Problem im eigenen Denken und Handeln ist, dass man das Gefühl hat, man darf nicht auf andere zugehen."

    Doch Althaus ist der unangefochtene Spitzenmann. Die CDU verlässt sich voll und ganz auf ihn. Zum Landesparteitag Ende letzten Jahres gab sie ihm ihre 100-prozentige Rückendeckung. Sie richtet den gesamten Wahlkampf nach ihm aus. Was für ein Schock, als er am ersten Januar auf der Riesneralm in der Steiermark beim Skilaufen verunglückt. Und noch schlimmer: dass eine Frau dabei zu Tode kommt. Die Partei ist im ersten Augenblick paralysiert. Doch sie funktioniert. Das Team um die Althaus-Stellvertreterin Birgit Diezel, die bodenständige Finanzministerin, kommt geschlossen durch die aufregende Zeit.

    "Es gibt keinen Plan B."
    "Es gibt keinen Grund zur Diskussion."
    "Unser Spitzenkandidat ist Dieter Althaus."
    "Wir haben wirklich von außen eine Debatte, die wir dauernd jede Woche zu uns reingetragen kriegen, dass wir uns Gedanken machen sollten über einen Plan B. Und alle nur überrascht sind, dass die CDU Thüringen so geschlossen steht."

    Woche für Woche bangen die Thüringer Christdemokraten um Dieter Althaus. Dabei punktet er für sie - in Abwesenheit. Denn er verunglückt in einer nachrichtenarmen Zeit, Althaus läuft auf allen Kanälen. Jede ärztliche Stellungnahme wird von mindestens zwei Fernsehsendern live übertragen. Jeder Genesungsfortschritt vermeldet.

    "Manchmal scheint es so, dass er fast klar ist, und dann hat er wieder Phasen, wo er vieles vergisst und sich an Dinge, die eine Viertelstunde zurückgelegen haben, nicht mehr erinnern kann."

    Ganz Deutschland lernt den "fitten Dieter" kennen, der so flott Skilaufen kann, dass er selbst seinen Bodyguards davon fährt. Es lernt die treue Ehefrau Katharina kennen, die den Job auf Eis legt, um ihren Mann zu pflegen. Die zur Beerdigung der Getöteten geht. Das Familienbild der CDU ist nicht besser zu transportieren. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung wird kommentarlos hingenommen. Als die CDU im März ihre Liste zur Landtagswahl aufstellt, kandidiert Althaus - schriftlich. Er selbst ist noch in der Kur. Die CDU wählt ihn auf Platz eins. Nicht ganz mit einem guten Gefühl, denn keiner weiß, wie er die Geschichte bewältigt hat, aber immerhin deutlich:

    "Es gab 123 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen, keine Enthaltung, Dieter Althaus ist mit 94,62 Prozent der Stimmen gewählt."

    Auch sein mittlerweile 76-jähriger Amtsvorgänger, Bernhard Vogel, gibt seinen Segen.

    "Wir brauchen ihn, und wir warten auf ihn." (Applaus)

    Nach 110 Tagen, am 20. April dieses Jahres, kehrt der Regierungschef in die Staatskanzlei zurück. Da ist Althaus körperlich und geistig erstaunlich wiederhergestellt. Nur die Seele scheint auf der Piste geblieben zu sein.

    "Herr Christandl verlor seine geliebte Ehefrau und das einjährige Kind der Familie seine Mutter. Aus dem Gutachten, das vorliegt, ergibt sich, dass ich die Schuld trage. Das belastet mich, und ich trage schwer daran."

    Formelhaft und emotionslos absolviert er den Medienparcours.

    "Ich fühle mich fit, ich fühle mich gut."

    Wirkt analytisch stark, kontrolliert und logisch. Aber nicht intuitiv.

    "Und ich freue mich, dass ich jetzt wieder auf der Bühne stehe, dass ich wieder bei der Mannschaft stehe, und dass ich wieder als Ministerpräsident voll in Verantwortung sein kann."

    Die Thüringer reagieren unterschiedlich.

    "Er ist ja ein sehr ehrenvoller Mann, dass er praktisch diese Schuld auch anerkennt."
    "Er könnte jetzt eigentlich auch sagen, was er will, weil: Die Frau ist ja tot, das wissen ja alle."
    "Er hat es nicht bewusst gemacht. Das war ein Unfall ganz eindeutig. Nicht mehr und nicht weniger."
    "Ich hätte mich zurückgezogen."

    Althaus zieht sich nicht zurück. Er habe keine Minute daran gedacht, aufzuhören, sagt er. Er will kämpfen. Um jede Stimme. Mit aller Kraft. Und unbeschadet? Althaus äußert sich anfangs in Boulevard-Zeitungen zu dem, was der Unfall mit ihm gemacht hat - er sei sensibler geworden und habe sich wieder neu in seine Frau verliebt, er bete täglich für die Verstorbene. Das nervt die Opposition, die den Unfall eigentlich nicht thematisieren wollte. Doch nun wird der Rivale in den Medien zum Opfer eines Schicksalsschlages. Ob gewollt oder nicht: Die Opposition jedenfalls nennt dies eine Inszenierung, die unanständig sei. Und sie bekommt Rückendeckung vom Anwalt des Witwers, der sagte, Herr Christandl empfinde manche Äußerungen als pietätlos. Da wird Althaus dünnhäutig, sogar kurz aggressiv. Antwortet dann aber wieder distanziert:

    "Ich habe nicht eine einzige Veranstaltung in Thüringen erlebt in den letzten Wochen, wo das Thema thematisiert worden ist von Wählerinnen und Wählern in Thüringen. Und ich selbst habe es auch nicht an einer einzigen Stelle thematisiert. Deshalb findet es im Alltag in Thüringen überhaupt nicht statt. Und ich freue mich, dass die Thüringer Wählerinnen und Wähler genau so auch denken und handeln, wie ich das auch persönlich empfinde."

    Der erste Januar - ein Schicksalstag, der privat verarbeitet wird und Dieter Althaus als Politiker, der ganz wieder der Alte ist? Ja, sicher, sagt seine Stellvertreterin Birgit Diezel.

    "Also ich sage: Ich kenne ihn im Kabinett, er ist ganz der Alte. Was die tägliche Arbeit betrifft und auch die Arbeit in der Partei. Er ist da ganz der Alte."

    Wenn er ganz da ist - wo steckt dann sein Gefühl? Was er sagt, ist richtig, aber nicht zu Herzen gehend. Die Fakten stimmen, aber sie überzeugen nicht. Er antwortet präzise, aber nicht fantasievoll. Was geschrieben optimistisch und kraftvoll klingt, ist gesprochen dennoch ohne den nötigen Funken Emotion. Das spüren zum Beispiel Jugendliche. An einem Donnerstag sind die drei Spitzenkandidaten zu Gast bei "Jugend debattiert": Christoph Matschie, SPD, Bodo Ramelow von der Linkspartei und Dieter Althaus. Das Ergebnis ist eindeutig:

    "Ich fand den von der SPD am sympathischsten."
    "Am besten fand ich Matschie."
    "Auf jeden Fall hat mich die SPD am besten überzeugt."
    "Ich fand auch Ramelow, so, wie er von seiner eigenen Person gesprochen hat, das fand ich sehr überzeugend."
    "Herrn Ramelow fand ich ein bisschen aggressiv und laut."
    "Althaus? Ja, gut, hat mich jetzt nicht so ganz überzeugt."
    "Dieter Althaus als Person hat nicht viel von sich preisgegeben, hat einfach nur seinen Job gemacht."
    "Er hat richtig drum rum geredet."
    "Kühl, er schien mir ein bisschen desinteressiert."

    Althaus weiß, dass die Wahl auf den letzten Metern gewonnen wird. Er kämpft. Mit starkem Menschen im Rücken. Und denen, die Kontinuität wollen, die sagen, zur Wirtschaftspolitik der CDU gebe es keine Alternative. Denen, die Angst haben vor Rot-Rot. Entschieden wird am Sonntag.

    "Helfen Sie mir. Ich möchte meinem Land weiter dienen als Ministerpräsident. Alles Gute! Und der 30.8. wird ein Tag für Sie und für uns, wir werden gemeinsam erfolgreich sein." (Applaus)