Archiv


Angleichung der Automobilpreise in der EU

    Heinlein: Am Telefon nun Ferdinand Dudenhöffer. Er ist Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule in Gelsenkirchen. Herr Professor, mehr Vorteile für den Verbraucher. Macht es Brüssel tatsächlich möglich? Wird der Autokauf in Deutschland künftig billiger?

    Dudenhöffer: Ich denke ja, denn heute sieht es so aus, dass wir in Europa große Preisdifferenzen haben, und Deutschland ist das Hochpreisland. Brüssel führt jetzt Systeme ein, die es ermöglichen, dass eben diese Preisunterschiede abgebaut werden. Das ist zum Vorteil des deutschen Verbrauchers und zum Nachteil der Dänen, der Finnen und der Holländer, denn dort werden die Autopreise gehörig ansteigen.

    Heinlein: Die Preisunterschiede in Europa waren ja in der Tat recht enorm. Wie groß wird denn der Preisverfall werden? Können Sie da eine Zahl nennen? Bisher gab es Unterschiede von bis zu 60 Prozent.

    Dudenhöffer: Diese 60 Prozent treffen auf Einzelmodelle zu. Wir gehen davon aus, dass nach Inkraftsetzung der neuen Gruppenfreistellungsverordnung - das wird im Oktober sein, mit einem Jahr Anpassungszeitraum - ab Oktober 2003 die Preise sich über ein Jahr lang sehr schnell anpassen werden. Das trifft hauptsächlich die Volumenhersteller, also die VWs Opels, Renaults oder Peugeots. Das trifft nicht die Exklusivhersteller, die Mercedes, die BMWs und die Porsches, denn sie haben es bereits vor zwei, drei Jahren gemacht und ihre Preise richtigerweise europaweit angepasst.

    Heinlein: Also einige Automodelle künftig zum halben Preis, ist das ab Oktober durchaus möglich?

    Dudenhöffer: Zum halben Preis nicht. In Deutschland wird es so sein, dass die Preise zwischen 2 Prozent und 5 Prozent nach unten nachgeben, einfach deshalb, weil in Deutschland ein großer Automobilmarkt ist, das große Volumen liegt, und die Hersteller sich nicht leisten können, so stark mit ihren Preisen nach unten zu gehen. Es wird eher so sein, dass dort, wo weniger Autos zu vorteilhaften Preisen verkauft werden - und das ist nun mal in Dänemark - erhebliche Preiserhöhungen kommen werden.

    Heinlein: Händler und Hersteller laufen ja Sturm gegen diese Pläne. Sie befürchten Konzentration und weniger Wettbewerb. Wie stichhaltig sind denn diese Befürchtungen?

    Dudenhöffer: Es ist richtig, dass es zu einer Konzentration kommt, aber man muss auch die Kirche im Dorf lassen, denn es sieht so aus, dass die Hersteller nach wie vor ein qualitatives Händlernetz zusammenstellen können, d.h. wie bisher kann der Hersteller seine Händler danach aussuchen, ob sie gewisse Kriterien erfüllen, z.B. gut geschultes Verkaufspersonal, gutes Werkstattpersonal. Neu ist, dass die Händler europaweit verkaufen können, und da müssen wir schon damit rechnen, dass eine Konzentration kommt. Aber sie kommt ja ohnehin. Wir sehen sie heute bei allen Herstellern. Wir stellen seit über zehn Jahren fest, dass die Händlernetze überbesetzt sind, dass es im Vergleich zu anderen Ländern, z.B. USA, in Deutschland zu viele Autohändler gibt, und das hat auch Auswirkungen auf den Preis, d.h. die Vertriebskosten - letztendlich zahlt es der Konsument - sind in Deutschland zu hoch, und diese Konzentration wird dazu führen, dass die Vertriebskosten senken. Auf der anderen Seite werden große Automobilhändler den Automobilhandel in Europa durchführen. Das ist ein Problem, das wir beobachten und wo wir uns darauf rüsten müssen, weil viele kleine, mittelständische Autohäuser langfristig sicherlich nicht mehr im Markt bleiben können. Da muss es Übergangsregelungen geben.

    Heinlein: Mittelständische Vertriebe fallen weg, sagen Sie. Wie viele Arbeitsplätze werden denn durch das zu erwartende Händlersterben in Deutschland wegfallen? Ist die Zahl von 70.000 Arbeitsplätzen, die genannt wird, übertrieben?

    Dudenhöffer: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, solche Zahlen jetzt in die Welt zu setzen geht eher damit einher, dass man jetzt doch auf Probleme aufmerksam macht, die vielleicht letztendlich doch nicht so stark sind, wie man es heute formuliert, einfach deshalb, weil man in der Lobby drin ist. Sicherlich gehen Arbeitsplätze verloren. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass die Großbetriebe nicht ohne Personal arbeiten können, d.h. es gibt eine Verlagerung. Und dass bei dieser Verlagerung in der Summe weniger Arbeitsplätze im Handel und im Werkstattbereich sind, ist deutlich, aber man kann heute noch nicht sagen, wie viel weniger es wird. Im Übrigen hängt der Abbau nicht nur an der GVO. Die GVO ist vielleicht nur ein Beschleuniger. Der Abbau hängt an anderen Gründen, z.B. weil unsere Fahrzeuge einfach wartungsärmer werden. Wir brauchen Wartungsdienstleistungen, Inspektionen nur noch mit 50.000 km, nicht mehr mit 20.000 km. Das spart Personal, aber für den Kunden natürlich auch Kosten.

    Heinlein: Wenn es in Zukunft weniger Händler gibt, gibt es auch weniger Wettbewerb. Und weniger Wettbewerb ist ja schlecht für die Konkurrenz. Könnte dies auf lange Sicht wieder zu steigenden Preisen führen?

    Dudenhöffer: Monti denkt - und ich glaube, er hat Recht -, dass es nicht so ist, weil er sagt, wir wollen das Spiel jetzt so spielen, dass ein Händler nicht mehr für ein einzelnes regionales Gebiet verantwortlich ist, sondern der Händler hat ganz Europa als Markt. Und das kann er so machen, dass er alle Fahrzeuge, die er anbietet, z.B. über das Internet in ganz Europa anbietet. Das kann man sich so vorstellen, dass es so ist, wie bei den heutigen Gebrauchtwagenbörsen, z.B. Autoscout 24 oder Mobile 24. Wenn heute jemand einen Gebrauchtwagen sucht, geht er zunächst oft in die Börse und macht sich den Marktüberblick für die Gebrauchtwagen. Und das wird sicherlich in ein, zwei Jahren für die Neuwagen gelten, d.h. ich sehe genau von meinem Bildschirm aus, wo Fahrzeuge preisgünstiger sind, und dieser Preiswettbewerb unter den Händlern in Europa ist genau das, was Monti will. Deshalb denke ich nicht, dass das zu steigenden Preisen führen wird.

    Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio