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Angst vor dem Blackout

Durch den Anstieg des Ökostomanteils in Deutschland sinkt die Auslastung der konventionellen Kraftwerke. Sie werden unrentabel und mitunter stillgelegt. Das kann zu Engpässen führen. Greenpeace nennt Lösungsvorschläge zur Versorgungssicherheit.

Von Christel Blanke |
    Nichts übers Knie brechen. Das ist das Hauptanliegen der Umweltschutzorganisation Greenpeace. In der Debatte um die sichere Versorgung in Zeiten, in denen Ökostrom rar ist, stehen vor allem eine strategische Reserve und Kapazitätsmärkte. Im ersten Fall wird eine bestimmte Menge Strom ausgeschrieben, die bei Bedarf von an sich abgeschalteten Kraftwerken produziert wird. Kapazitätsmärkte funktionieren ebenfalls über Ausschreibungen. Allerdings geht es dabei um Kraftwerke, die auch sonst Strom produzieren. In beiden Fällen erhalten die Betreiber Geld für garantierte Kapazitäten, auch wenn die am Ende nicht benötigt werden. Das kann teuer werden. Garrelt Duin, SPD-Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, geht zum Beispiel von bis zu sechs Milliarden Euro aus für Betreiber, die ihre fossilen Kraftwerke in Reserve halten. Aus Sicht des Greenpeace-Energieexperten Tobias Austrup wäre das der falsche Weg:

    "Was wir brauchen, ist ein flexibles Stromsystem. Und da passen länger laufende Kohlekraftwerke zum Beispiel gar nicht rein. Wir brauchen eigentlich ein flexibles Stromsystem, das zu erneuerbaren Energien passt."

    Das von Greenpeace mit einer Studie beauftragte Institut für ZukunftsEnergieSysteme empfiehlt, bis es das gibt, andere Optionen zu nutzen, um Fehlsteuerungen durch Schnellschüsse zu vermeiden. Die Versorgungssicherheit kann aus Sicht der Wissenschaftler durch den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung gewährleistet werden. Dabei sollen KWK-Anlagen künftig vor allem dann einspringen, wenn wenig Sonnen- oder Windstrom produziert wird:

    "Wir haben vor allem einen höheren Strombedarf im Winter. Da haben wir dann auch den Wärmebedarf. Das heißt, das korrespondiert sehr gut und die Effizienzgewinne bei der KWK – das ist eine hocheffiziente Stromerzeugungs-, Wärmeerzeugungsart – die würde weitgehend erhalten bleiben."

    Daneben setzt Greenpeace auf Pumpspeicherkraftwerke, Lastmanagement, flexible Gaskraftwerke und auf Stromsparen. Konkret sollen Nachtspeicherheizungen durch moderne Heizungsanlagen ersetzt werden, so Tobias Austrup. Im Moment heizen noch rund 1,4 Millionen Haushalte mit den ineffizienten Nachtspeichergeräten:

    "Nachtspeicherheizungen verbrauchen vor allem Strom nachts. Aber was oft vergessen wird: auch sehr viel Strom am Tag. Und gerade im Winter haben wir einen erhöhten Strombedarf. Dann kommen tagsüber noch die Nachtspeicherheizungen dazu. Das heißt, wir haben dann noch mal mehr Stromverbrauch, das ist völlig falsch, das ist völlig unsinnig."

    Greenpeace geht davon aus, dass mit diesen Vorschlägen Stromversorgung bis 2020 gesichert werden könnte. Damit bliebe genügend Zeit, über weitere Maßnahmen nachzudenken, so Austrup. Auch Dieter Zimmer, der Vorsitzende der Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, warnt davor, zu schnell auf Kapazitätsmechanismen zu setzen:

    "Sprich, sich langfristig dahingehend zu binden, dass große Summen dafür bezahlt werden, dass Kapazitäten geschaffen werden, unabhängig davon, ob letztlich diese Kapazitäten benötigt werden und abgerufen werden."

    Für den kommenden Winter haben die Stromnetzbetreiber vorgesorgt. Wie schon im vergangenen Jahr sicherten sie sich Reservekapazitäten, damit niemand im Dunkeln sitzen muss, sollte es tatsächlich einmal eng werden.