Liminski: Im Schatten der EU-Krise und der globalen Finanzkrise treten die Probleme der Entwicklungspolitik derzeit in den Hintergrund der politischen Bühne. Aber ohne eine gelingende Entwicklungspolitik, insbesondere in Afrika, werden sich weltweite Krisen verschärfen - Stichwort Hunger oder Kampf um die Rohstoffe. Das ist den reichen Industrieländern zwar bewusst, aber von der Erkenntnis bis zum Handeln ist offenbar ein weiter Weg, wie die unabhängige Entwicklungshilfeorganisation "Data" mit neuesten Daten belegt. "Data" steht für "Debt AIDS Trade Africa", also Schulden, AIDS, Handel in und mit Afrika, und in diesem Rahmen prüft die Organisation, ob die Staaten ihre Versprechen einhalten - zum Beispiel die G8-Staaten. Eine Botschafterin der Organisation ist Anke Engelke, eigentlich bekannt als Komödiantin und Schauspielerin. Guten Morgen Frau Engelke!
Engelke: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Frau Engelke, vielleicht eine persönliche Frage vorweg. Afrika ist eigentlich kein lustiges Thema. Warum dieses Engagement für einen Kontinent, den man gerne als verloren, vergessen oder sonst wie negativ beurteilt?
Engelke: Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass ich ein bisschen Angst davor habe zu verblöden, wenn ich immer nur lustig bin, und dass ich eventuell meine eigene Prominenz und die Öffentlichkeit ein bisschen nutzen kann für gute Zwecke. Ich habe mich vor einigen Jahren damit auseinandergesetzt, einer Organisation zu helfen. Das war in meinem Fall Aktion Medeor. Ich reise seit einigen Jahren gerne nach Afrika und schaue mir vor Ort Projekte an und informiere mich darüber, wo Spendengelder landen, jetzt konkret die, die Aktion Medeor auch mit meiner Hilfe einnimmt. Das ist ein Engagement, das mich glücklich macht und das ich gerne in die Welt beziehungsweise nach Deutschland hinaustrage. Ich kann Menschen informieren, kann von meinen Reisen berichten und kann vielleicht ein bisschen Menschen auch motivieren zu helfen.
Liminski: Nun hat "Data" festgestellt, dass die G8-Staaten gerade mal 14 Prozent ihrer zugesagten Entwicklungshilfe erfüllt haben. In Zahlen sind das drei Milliarden statt der versprochenen 21 Milliarden Dollar, und das in Zeiten eines Wirtschaftsbooms. Ist das nicht deprimierend? Was machen Sie mit diesen Zahlen?
Engelke: Ja, es deprimiert auf den ersten Blick durchaus. Aber es gibt noch ein bisschen Zeit. 2010 ist die Deadline. Deutschland steht auch gar nicht so schlecht da, wenn man sich so umschaut bei den G8-Ländern. Die Zeit rast. 2010 ist bald. Wir sind in der Halbzeit. Aber neben dem Frust gibt es dann auch wieder ein paar Zahlen, die Mut machen.
Liminski: Nämlich?
Engelke: Mut machen mir Zahlen wie 29 Millionen. 29 Millionen Kinder können seit 1999 erstmals eine Schule besuchen. Das ist nur durch Hilfe von außen möglich. Über zwei Millionen Menschen in Afrika erhalten derzeit lebensrettende AIDS-Medikamente. Das waren 2002 nur 50.000. Dann bin ich im Moment so ein bisschen mit dem Thema Malaria befasst und ich weiß, dass es afrikanische Länder gibt, in denen die Malaria-Infektionsraten gesunken sind. In Ruanda sind es 66 Prozent, in Äthiopien 51 Prozent. Das sind Zahlen, mit denen man etwas anfangen kann - auch als Normalbürger -, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt, und das sind mutmachende Zahlen.
Liminski: Was machen Sie denn mit diesen Zahlen? Gehen Sie damit zu den Regierungen oder zu anderen Organisationen und sagen Sie hier, das ist doch etwas, hier kann man drauf aufbauen, jetzt mal ein bisschen mehr?
Engelke: Ja! Das kann man durchaus machen. Man kann den Regierungen auf den Füßen stehen. Man sollte das natürlich gut dosieren. Nur mit positiven Botschaften und positiven Zahlen zu kommen, rüttelt erst mal niemanden auf. Im Zweifel sonnen sich dann Regierungen oder Regierungsvertreter in diesen Zahlen und sagen "läuft doch super! Dann kümmern wir uns jetzt wieder ums eigene Land. Warum braucht Afrika uns?" - Man muss das wohl dosieren und vielleicht auch mit der Ermahnung und mit dem regelmäßigen Drängen und mit dem regelmäßigen Hinweis darauf paaren, dass Afrika Hilfe braucht. Das ist das eine, was man tun kann, sich an die Regierungen zu wenden, aber ich als Künstler kann einfach auch Botschaften unters Volk bringen und meine Zuschauer aufklären.
Liminski: Wie machen Sie das denn, jetzt abgesehen mal von unserem Interview?
Engelke: Ich bin eigentlich gar nicht zum Beispiel so ein Talkshow-Tourist. Das finde ich manchmal ein bisschen ätzend. Aber wenn ich dort von Afrika-Reisen erzählen darf, bin ich doch gerne Gast, wenn ich auch dort mit Zahlen kommen kann, die nicht so abgehoben sind. Wenn ich zum Beispiel, um beim Thema Malaria zu bleiben, sagen kann, dass es durchaus möglich ist, Menschenleben zu retten, und dass das nicht viel Geld kostet, dass auch ich als kleiner Pupsspender am Ende des Jahres, wenn ich noch ein paar Euro los werden möchte für eine Quittung, mit einem, mit fünf oder mit 20 Euro durchaus helfen kann. Ein imprägniertes Netz, das eine ganze Familie in Afrika, jetzt konkret in Tansania - da war ich häufiger - schützen kann, lebensrettend ist - mindestens 24 Monate hält so ein Netz und hält die Mücken, die Moskitos ab -, das kostet nur fünf Euro. Wenn ich das erzähle, sind Menschen erst mal erstaunt. Wenn ich erzähle, dass ich ein kleines Mädchen kennen gelernt habe, das ich in total apathischem, praktisch todgeweihtem Zustand erlebte, weil es Malaria hatte, wenn ich davon erzähle, wie ich dieses Mädchen zum Krankenhaus begleitet habe und gesehen habe, wie es therapiert wurde und dass es keine 32 Stunden später gesund war, dann ist das eine hoffnungsvolle Geschichte. Die Therapie kostet 50 Cent. Das kann man nachvollziehen und eigentlich nicht oft genug erzählen. Das wird Menschen im Zweifel wirklich dazu animieren zu spenden.
Liminski: Was hat Sie denn auf Ihren Reisen durch Afrika am meisten beeindruckt?
Engelke: Vermutlich beeindrucken nicht nur mich am häufigsten die Menschen, die sich opfern, weil sie helfen möchten. Das hinterlässt erst mal einen unangenehmen Nachgeschmack und man ahnt, dass man eventuell ein schlechtes Gewissen haben sollte, weil man nicht so eingestellt ist und weil man zu Hause ja doch etwas tut, was vielleicht ein bisschen egoistisch wirken könnte. Ich bin immer beeindruckt, wenn ich Menschen sehe, die sich entschieden haben für Afrika, für ein Leben in Afrika, für ein Leben für andere Menschen. Das haut mich immer um. Dann habe ich auf der letzten Reise wieder festgestellt: Ich bin eigentlich gar nicht so verkitscht, dass ich aber sehr gerührt bin, wenn ich erlebe, wie schnell Hilfe greift. Gerade die kleine Imelda, von der ich eben sprach, ein Mädchen, das mal eben schnell gerettet wurde, das hätte sterben müssen, wenn wir es nicht zum Krankenhaus begleitet hätten, dass ich diese Rettung so eins zu eins miterlebt habe, das hat mich umgehauen und da heule ich dann auch einfach mal los und vergesse für einen Moment, dass ich das ganz schrecklich finde, wenn eine weiße wohlhabende Frau in Afrika steht, mit einem schwarzen Kind auf dem Arm und rumflennt. Das werfe ich dann kurz über Bord und lasse das auch zu, dass mich das berührt. Das sind Bilder, die ich so mitnehme. Ich vergesse dann immer zu fotografieren, aber das sind Bilder, die so eingebrannt sind im Fotohirn, die bleiben.
Liminski: Frau Engelke, vielleicht auch mal eine etwas politische Frage. Afrika und Europa sind geschichtlich und wirtschaftlich eng miteinander verwoben. Was erwarten Sie bezüglich Afrika von der EU auf dem Gipfel, der heute beginnt?
Engelke: Es geht in erster Linie darum, Versprechen zu halten. Da richte ich mich ja nicht nur an einzelne Bürger oder so etwas fordere ich nicht nur im Bekanntenkreis; das fordere ich auch von der Politik. Wenn Länder von sich behaupten, in Führungspositionen zu sein, dann beinhaltet das für mich, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sein sollen, dass sie wissen, dass sie Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie sich nicht an das halten was sie den Menschen versprechen.
Liminski: Mehr Hilfe für Afrika, Versprechen einhalten, Druck machen auf die EU und die G8. Das war die Botschafterin der Organisation "Data" Anke Engelke. Besten Dank für das Gespräch, Frau Engelke!
Engelke: Danke Herr Liminski.
Engelke: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Frau Engelke, vielleicht eine persönliche Frage vorweg. Afrika ist eigentlich kein lustiges Thema. Warum dieses Engagement für einen Kontinent, den man gerne als verloren, vergessen oder sonst wie negativ beurteilt?
Engelke: Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass ich ein bisschen Angst davor habe zu verblöden, wenn ich immer nur lustig bin, und dass ich eventuell meine eigene Prominenz und die Öffentlichkeit ein bisschen nutzen kann für gute Zwecke. Ich habe mich vor einigen Jahren damit auseinandergesetzt, einer Organisation zu helfen. Das war in meinem Fall Aktion Medeor. Ich reise seit einigen Jahren gerne nach Afrika und schaue mir vor Ort Projekte an und informiere mich darüber, wo Spendengelder landen, jetzt konkret die, die Aktion Medeor auch mit meiner Hilfe einnimmt. Das ist ein Engagement, das mich glücklich macht und das ich gerne in die Welt beziehungsweise nach Deutschland hinaustrage. Ich kann Menschen informieren, kann von meinen Reisen berichten und kann vielleicht ein bisschen Menschen auch motivieren zu helfen.
Liminski: Nun hat "Data" festgestellt, dass die G8-Staaten gerade mal 14 Prozent ihrer zugesagten Entwicklungshilfe erfüllt haben. In Zahlen sind das drei Milliarden statt der versprochenen 21 Milliarden Dollar, und das in Zeiten eines Wirtschaftsbooms. Ist das nicht deprimierend? Was machen Sie mit diesen Zahlen?
Engelke: Ja, es deprimiert auf den ersten Blick durchaus. Aber es gibt noch ein bisschen Zeit. 2010 ist die Deadline. Deutschland steht auch gar nicht so schlecht da, wenn man sich so umschaut bei den G8-Ländern. Die Zeit rast. 2010 ist bald. Wir sind in der Halbzeit. Aber neben dem Frust gibt es dann auch wieder ein paar Zahlen, die Mut machen.
Liminski: Nämlich?
Engelke: Mut machen mir Zahlen wie 29 Millionen. 29 Millionen Kinder können seit 1999 erstmals eine Schule besuchen. Das ist nur durch Hilfe von außen möglich. Über zwei Millionen Menschen in Afrika erhalten derzeit lebensrettende AIDS-Medikamente. Das waren 2002 nur 50.000. Dann bin ich im Moment so ein bisschen mit dem Thema Malaria befasst und ich weiß, dass es afrikanische Länder gibt, in denen die Malaria-Infektionsraten gesunken sind. In Ruanda sind es 66 Prozent, in Äthiopien 51 Prozent. Das sind Zahlen, mit denen man etwas anfangen kann - auch als Normalbürger -, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt, und das sind mutmachende Zahlen.
Liminski: Was machen Sie denn mit diesen Zahlen? Gehen Sie damit zu den Regierungen oder zu anderen Organisationen und sagen Sie hier, das ist doch etwas, hier kann man drauf aufbauen, jetzt mal ein bisschen mehr?
Engelke: Ja! Das kann man durchaus machen. Man kann den Regierungen auf den Füßen stehen. Man sollte das natürlich gut dosieren. Nur mit positiven Botschaften und positiven Zahlen zu kommen, rüttelt erst mal niemanden auf. Im Zweifel sonnen sich dann Regierungen oder Regierungsvertreter in diesen Zahlen und sagen "läuft doch super! Dann kümmern wir uns jetzt wieder ums eigene Land. Warum braucht Afrika uns?" - Man muss das wohl dosieren und vielleicht auch mit der Ermahnung und mit dem regelmäßigen Drängen und mit dem regelmäßigen Hinweis darauf paaren, dass Afrika Hilfe braucht. Das ist das eine, was man tun kann, sich an die Regierungen zu wenden, aber ich als Künstler kann einfach auch Botschaften unters Volk bringen und meine Zuschauer aufklären.
Liminski: Wie machen Sie das denn, jetzt abgesehen mal von unserem Interview?
Engelke: Ich bin eigentlich gar nicht zum Beispiel so ein Talkshow-Tourist. Das finde ich manchmal ein bisschen ätzend. Aber wenn ich dort von Afrika-Reisen erzählen darf, bin ich doch gerne Gast, wenn ich auch dort mit Zahlen kommen kann, die nicht so abgehoben sind. Wenn ich zum Beispiel, um beim Thema Malaria zu bleiben, sagen kann, dass es durchaus möglich ist, Menschenleben zu retten, und dass das nicht viel Geld kostet, dass auch ich als kleiner Pupsspender am Ende des Jahres, wenn ich noch ein paar Euro los werden möchte für eine Quittung, mit einem, mit fünf oder mit 20 Euro durchaus helfen kann. Ein imprägniertes Netz, das eine ganze Familie in Afrika, jetzt konkret in Tansania - da war ich häufiger - schützen kann, lebensrettend ist - mindestens 24 Monate hält so ein Netz und hält die Mücken, die Moskitos ab -, das kostet nur fünf Euro. Wenn ich das erzähle, sind Menschen erst mal erstaunt. Wenn ich erzähle, dass ich ein kleines Mädchen kennen gelernt habe, das ich in total apathischem, praktisch todgeweihtem Zustand erlebte, weil es Malaria hatte, wenn ich davon erzähle, wie ich dieses Mädchen zum Krankenhaus begleitet habe und gesehen habe, wie es therapiert wurde und dass es keine 32 Stunden später gesund war, dann ist das eine hoffnungsvolle Geschichte. Die Therapie kostet 50 Cent. Das kann man nachvollziehen und eigentlich nicht oft genug erzählen. Das wird Menschen im Zweifel wirklich dazu animieren zu spenden.
Liminski: Was hat Sie denn auf Ihren Reisen durch Afrika am meisten beeindruckt?
Engelke: Vermutlich beeindrucken nicht nur mich am häufigsten die Menschen, die sich opfern, weil sie helfen möchten. Das hinterlässt erst mal einen unangenehmen Nachgeschmack und man ahnt, dass man eventuell ein schlechtes Gewissen haben sollte, weil man nicht so eingestellt ist und weil man zu Hause ja doch etwas tut, was vielleicht ein bisschen egoistisch wirken könnte. Ich bin immer beeindruckt, wenn ich Menschen sehe, die sich entschieden haben für Afrika, für ein Leben in Afrika, für ein Leben für andere Menschen. Das haut mich immer um. Dann habe ich auf der letzten Reise wieder festgestellt: Ich bin eigentlich gar nicht so verkitscht, dass ich aber sehr gerührt bin, wenn ich erlebe, wie schnell Hilfe greift. Gerade die kleine Imelda, von der ich eben sprach, ein Mädchen, das mal eben schnell gerettet wurde, das hätte sterben müssen, wenn wir es nicht zum Krankenhaus begleitet hätten, dass ich diese Rettung so eins zu eins miterlebt habe, das hat mich umgehauen und da heule ich dann auch einfach mal los und vergesse für einen Moment, dass ich das ganz schrecklich finde, wenn eine weiße wohlhabende Frau in Afrika steht, mit einem schwarzen Kind auf dem Arm und rumflennt. Das werfe ich dann kurz über Bord und lasse das auch zu, dass mich das berührt. Das sind Bilder, die ich so mitnehme. Ich vergesse dann immer zu fotografieren, aber das sind Bilder, die so eingebrannt sind im Fotohirn, die bleiben.
Liminski: Frau Engelke, vielleicht auch mal eine etwas politische Frage. Afrika und Europa sind geschichtlich und wirtschaftlich eng miteinander verwoben. Was erwarten Sie bezüglich Afrika von der EU auf dem Gipfel, der heute beginnt?
Engelke: Es geht in erster Linie darum, Versprechen zu halten. Da richte ich mich ja nicht nur an einzelne Bürger oder so etwas fordere ich nicht nur im Bekanntenkreis; das fordere ich auch von der Politik. Wenn Länder von sich behaupten, in Führungspositionen zu sein, dann beinhaltet das für mich, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sein sollen, dass sie wissen, dass sie Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie sich nicht an das halten was sie den Menschen versprechen.
Liminski: Mehr Hilfe für Afrika, Versprechen einhalten, Druck machen auf die EU und die G8. Das war die Botschafterin der Organisation "Data" Anke Engelke. Besten Dank für das Gespräch, Frau Engelke!
Engelke: Danke Herr Liminski.