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Annäherung in Bagdad
Das belastete Verhältnis zwischen Iran und Saudi-Arabien

Nach vier Jahren diplomatischer Funkstille haben sich Saudi-Arabien und Iran wieder zu Gesprächen getroffen. Das allein gilt schon als Fortschritt im Konflikt zwischen den beiden Erzrivalen. Ein Überblick über mögliche Auswirkungen auf das Iran-Atom-Abkommen, den Bürgerkrieg im Jemen und die Rolle des Irak.

Von Björn Blaschke | 24.04.2021
Die Flaggen von Iran und Saudi-Arabien sind auf eine bröckelnde Wand gemalt
Seit der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr durch Saudi-Arabien unterhalten Iran und Saudi-Arabien offiziell keine diplomatischen Beziehungen mehr (picture alliance/ Zoonar/ daniel0Z)
Vor mehr als fünf Jahren haben die Erzrivalen Saudi-Arabien und Iran ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Laut einem Bericht der "Financial Times" haben sich Vertreter beider Seiten jetzt zu direkten Gespräche getroffen – und zwar in Bagdad. Iraks Premierminister Mustafa al-Kadhimi soll zwischen den verfeindeten Ländern vermittelt haben. Ob das Treffen eine nachhaltige Entwicklung in Gang setzen kann, ist ungewiss. Es gilt aber als Erfolg, dass sich die Konfliktparteien überhaupt getroffen haben.
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Grundlagen des Konflikts

Iran und Saudi-Arabien gelten seit vielen Jahren als konkurrierende Regionalmächte. Drei Komponenten spielen dabei eine Rolle: religiöse Fragen, politische sowie geopolitische Aspekte.
Die religiöse Komponente
Die Iraner sind überwiegend Schiiten. In Saudi-Arabien ist mit dem Wahhabismus eine besonders traditionalistische Form des sunnitischen Islam Staatsreligion. Der König von Saudi-Arabien versteht sich als Hüter der heiligen Stätten von Mekka und Medina. Die Iraner beanspruchen für sich, das Welāyat-e Faqīh zu leben – das Herrschaftssystem der religösen Rechtsgelehrten. Beide Systeme erheben für sich einen absoluten Anspruch, schließen sich also gegenseitig aus.
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Die politische Komponente
Saudi-Arabien ist eine sehr konservative Monarchie. Seit der Revolution 1979 ist der Iran eine islamische Republik. In Saudi-Arabien fürchtet man, dass ein revolutionärer Funke überspringen könnte.
Die geopolitische Komponente
Beide Staaten erheben den Anspruch, Regionalmächte zu sein. Sie konkurrieren seit Jahren im Nahen Osten. Dabei gewinnt der Iran zunehmend an Einfluss – unter anderem in Syrien, im Libanon, im Jemen sowie im Irak.
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Die Rolle des Irak

Der Irak hat auf der einen Seite eine lange Grenze zum Iran und auf der anderen zu Saudi-Arabien. Durch diese geografische Lage besteht die Sorge, zum Schlachtfeld zu werden, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass es zu einem Krieg zwischen Saudi-Arabien und Iran kommt. Außerdem spielen die religiösen Komponenten im Irak auch eine große Rolle: Rund 60 Prozent der Iraker sind Schiiten, etwa ein Drittel sind Sunniten. Daneben gibt es weitere Minderheiten wie Alewiten und Kurden. Viele der religiösen Konflikte, die es in der Region gibt, spielen sich also konzentriert auch im Irak ab. Daher hat der Irak an sich schon ein Interesse an einem Ausgleich zwischen Iran und Saudi-Arabien. Aber Premierminister Mustafa al-Kadhimi hat auch ein großes subjektives Interesse: Im Frühsommer finden im Irak Parlamentswahlen statt. Wenn er ausgleichend wirken kann zwischen den beiden Regionalmächten, wirft das ein gutes Licht auf ihn.

Auswirkungen auf das Iran-Atom-Abkommen

Die Golfstaaten mit Ausnahme von Katar haben gejubelt, als der frühere US-Präsident Donald Trump das Iran-Atom-Abkommen von 2015 erst in Bausch und Bogen verdammt und dann gekündigt hat. Das Interesse der sunnitischen Golfstaaten ist es letztlich, den schiitischen Iran einzudämmen. Den Einfluss in arabischen Staaten beobachtet man in Saudi-Arabien mit Argusaugen. Dann gab es auch noch eine Sabotageaktion in der Anreicherungsanlage in Natanz. Daher fürchtet Saudi-Arabien, dass der Iran sein Atomprogramm so weit vorantreibt, dass er Uran auf 60 oder gar auf atomwaffenfähige 90 Prozent anreichern könnte. Man möchte den Iran als Atommacht in der Region verhindern. Gleichzeitig muss man aber auch versuchen, wieder mit den Iranern zu verhandeln, eben weil sie sehr viel Einfluss haben.
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Auswirkungen auf den Konflikt im Jemen

Im Jemen wird ein Stellvertreterkrieg all der Regionalmächte geführt. Saudi-Arabien hat 2015 an der Seite des mehr oder weniger legitimierten Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi in den Konflikt eingegriffen, um die aufständischen Huthis zu bekämpfen. Dabei handelt es sich um eine politisch-militärische Gruppierung, die einer eigenen schiitischen Rechtsschule angehört. Die Huthis werden vom Iran unterstützt. Der Krieg zwischen Machthabern und Aufständischen hat zu einer humanitären Katastrophe geführt. Viele Zivilisten sind gestorben und viele Kulturgüter wurden zerstört, was sehr große internationale Kritik nach sich gezogen hat. Außerdem sind die finanziellen Kosten enorm. Verhandlungen – wenn auch erst nur hinter verschlossenen Türen – könnten für Saudi-Arabien einen Weg aus dem Konflikt ebnen.