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"Anscheinend helfen diese Verurteilungen wenig"

Der syrischstämmige Journalist Samir Matar glaubt, dass nur Wirtschaftssanktionen den Präsidenten Baschar al-Assad treffen werden: Dessen Familie gehörten große Teile der syrischen Wirtschaft.

27.04.2011
    Gerwald Herter: Einst nährte er die Hoffnung auf Reformen in Syrien, doch wie schon sein Vater lässt Präsident Baschar al-Assad seine sogenannten Sicherheitskräfte auf Demonstranten schießen, und mehr noch, er setzt Panzer ein. Internationale Appelle gehen offenbar ins Leere.
    Und jetzt sind wir mit dem Journalisten Samir Matar verbunden. Er stammt aus Syrien, lebt in Berlin und ist dort Redakteur der Deutschen Welle. Guten Morgen, Samir Matar!

    Samir Matar: Guten Morgen, Herr Herter, ich grüße Sie!

    Herter: Herr Matar, der syrische Präsident Baschar al-Assad setzt Panzer gegen Demonstranten ein, er lässt auf sie schießen, schon seit Wochen. Wie lange wird er sich aus Ihrer Sicht noch halten können?

    Matar: Das ist abhängig von vielen Faktoren. Meiner Meinung nach werden sich die Menschen auch von dem Urteil der Gewalt nicht mehr einschüchtern lassen und die Demonstrationen werden weitergehen, vielleicht mit Unterbrechungen. Es wird also wirklich eine Frage der Zeit sein, dass auch dieses arabische System die Macht abgeben muss. Wie lange dies dauert, wir hauptsächlich von vielen Faktoren innerhalb dieses Systems selbst, das heißt, wie verhalten sich einzelne Generäle in der Armee, welche Machtkämpfe gibt es da im eigenen Kreise Assads. Und vor zwei oder drei Tagen traten einige Parlamentarier zurück. Das alles, von diesen Faktoren und anderen natürlich, davon hängt diese Frage ab.

    Herter: Und welche Rolle spielen hier die vom Präsidenten angekündigten Reformen, zum Beispiel die sogenannte Aufhebung des Ausnahmezustands?

    Matar: Das war natürlich ein erstes Signal, aber das blieb nur auf Papier, denn die Reformen fanden in Wirklichkeit überhaupt nicht auf der Lage oder beziehungsweise in Syrien statt. Statt diese Reformen durchzuführen, in Gang zu bringen, gab es viele Verhaftungen, genau einen Tag nach der Aufhebung des Ausnahmezustandes. Und das macht natürlich den Präsidenten unglaubwürdiger.

    Herter: Warum kann er sich denn überhaupt noch halten angesichts einer Protestbewegung, die sich wirklich auch durch brutalste Gewalt – wir haben es erwähnt - überhaupt nicht einschüchtern oder niederschlagen lässt?

    Matar: Natürlich hat Syrien sag ich mal eigene ... Im Unterschied zu den anderen arabischen Ländern ist die Bevölkerung durch die Jahrzehnte der Unterdrückung durch das System sehr verängstigt, und die Demonstrationen, die wir in den letzten Wochen erlebt haben, sind noch nicht flächendeckend. Das ist der Anfang, sagen die Experten. Eine große Rolle spielt natürlich, dass die Gesellschaft in allen Bereichen vom Sicherheitsdienst durchdrungen ist, so können auch momentan Demonstrationen zum Beispiel in Damaskus oder Aleppo oftmals im Keim erstickt werden.

    Herter: Das Militär, aber auch Polizisten, Geheimdienstleute scheinen eine andere Rolle zu spielen als zum Beispiel in Ägypten. Woher stammt diese Loyalität gegenüber dem Regime?

    Matar: Also sowohl der Vater Assads, Hafiz al-Assad, der von 1970 bis 2000 regiert hat und geherrscht hat, als auch sein Sohn seit dem Jahre 2000, haben selektiv Leute von der sowohl alevitischen Minderheit als auch von anderen, die loyal ihm gegenüberstanden, in bestimmten Positionen eingesetzt, und das gilt auch für die Armee. Und das macht die Sache komplizierter, dass man sagt, die Armee ist eigentlich ein Bestandteil aller Schichten der Gesellschaft, aber die wichtigsten Generäle, aber auch Positionen in dieser Institution sind nach wie vor loyal zum Präsidenten.

    Herter: Sie hören den Deutschlandfunk, "Informationen am Morgen", 06:55 Uhr, der syrische Journalist Samir Matar über die Proteste und die Gewalt des Regimes in seinem Heimatland. Herr Matar, können Sie uns etwas sagen über die Kontakte mit Menschen, die Sie in Ihrer Heimat hatten in den letzten Tagen, was empfinden die?

    Matar: Also die meisten Leute sind, die haben große Angst, sie sind auch eingeschüchtert, anscheinend gibt es sehr viel wirklich bewaffnete Gruppen. Aber auch mittendrin ist die Polizei, wie diese Leute auch berichten, diese Gruppen sind präsent in den Straßen, und es gibt sehr viele Checkpoints oder die wurden auch eingerichtet, und die Bevölkerung hat Angst, dass die Lage eskaliert. Die Lage ist auch angespannt, wie wir das auch im Beitrag gehört haben, Strom, Wasser und Telefonleitungen sind nur zum Teil noch funktionierend. Und das macht die Sache natürlich viel komplizierter. Anscheinend versucht natürlich das Regime, dass eben die Leute dann sagen, wir wollen keine Demos mehr, wir möchten gerne unsere alte, ehemalige Sicherheit haben.

    Herter: Viele Syrer setzen offenbar jetzt auf das Ausland. Was kann das Ausland aus Ihrer Sicht tun?

    Matar: Wir haben gestern, oder heute früh glaube ich gab es die Verurteilung von Ban Ki Moon, UN-Generalsekretär, für das gewaltsame Vorgehen der Polizei und der Sicherheitskräfte in Syrien, das haben wir auch vor ein paar Wochen auch gehört. Anscheinend helfen diese Verurteilungen wenig. Eventuell könnte man mit Wirtschaftsmaßnahmen, also Sanktionen eher besser, oder mehr erreichen, denn Assad und seine Familie haben mittlerweile großen Anteil an der syrischen Wirtschaft und die könnten dann direkt betroffen sein.

    Herter: Vielen Dank für das Gespräch, das war der Journalist Samir Matar, er stammt aus Syrien und arbeitet in Berlin für das arabische Programm der Deutschen Welle.

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